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Ausgabe:

1909 Nr. 9

Spalte:

275-277

Autor/Hrsg.:

Wotschke, Theodor

Titel/Untertitel:

Der Briefwechsel der Schweizer mit den Polen 1909

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 9.

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beleuchtet wird. Auf evangelifcher Seite fleht Butzer
als Sprecher im Vordergrund, auf katholifcher Malvenda
und Billick. Hofmeifter wird mit keinem Wort erwähnt.
Der Pater von Rebdorf, welchen der Präfident, der
Bifchof von Eichftätt, mitbrachte, ift wohl Kilian Leib
(S. 14). Statt David ift 14, 3 v. u. Kaspar zu lefen.
Vgl. S. 7 u. 377. S. 376c ift .doch freulich' nicht als
finnlos zu ftreichen. Frecht will fagen: trotz der traurigen
Nachricht vom Tod Luthers find wir doch fröhlich im
Herrn. Vgl. 2 Kor. 6, 10. S. 377a ift zu Johannis am'
11,47 zu ergänzen. Für die Gefchichte des Evangeliums
in Siebenbürgen und Ungarn ift der Auszug aus dem
Brief von Joh. Heß an V. Dietrich S. 386 zu beachten. !

Friedensburg teilt 213fr. ein Gutachten, wohl von
dem Bifchof von Arras, für Karl V. über die Beftrafung :
des gefangenen Johann Friedrich von Sachfen mit. Es
vertritt gegenüber der Rachepartei im Rat des Kaifers
unter Führung Peter Sotos, die dem Kaifer zur Aus- 1
führung der von ihm beabfichtigten Enthauptung des j
Kurfürften riet, den milderen, ftaatsklugen Weg des Abkommens
mit Johann Friedrich und feinen Söhnen unter I
Hinweis auf den Wechfel des Glücks und die Gefahr
verftärkten Widerftands der aufs neue erbitterten Gegner.

Franz Koch veröffentlicht die Konfeffion des Herzogs
Albrecht von Preußen vom 13. Juli 1554, auf deren
Entftehung die von Koch nicht beachteten Briefe von Joh. I
Brenz an den Herzog und Andr. Aurifaber vom 12. Mai
1554 ein Licht werfen. Preffel Anecdota Brentiana S. 378 ff.
382ff. Brenz hatte wohl durch Albrechts Boten Timotheus
den Entwurf der Konfeffion, ,die Collacion' zwifchen
Albrecht und Aurifaber, erhalten und riet nun, den Entwurf
durch den eben jetzt nach Königsberg abgehenden
Jak. Beurlin, Joh. Aurifaber und einige weitere Theologen j
revidieren, einige dunkle und zweideutige Stellen, welche
Anlaß zu neuen Verdächtigungen geben könnten, ver-
beffern zu laffen. Der junge Ruprecht Dürr kommt für
die Revifion nicht in Betracht, er ift ja nur Beurlins
Amanuenfis. Der Titel ,Konfeffion des Herzogs Albrecht' ■
will natürlich nicht befagen, daß fie vom Herzog verfaßt |
fei, aber auch nicht, daß ,die Königsberger Hoftheologen'
,fich des Namens ihres Landesherrn bedienten, um dem
Werke größeren Nachdruck zu verleihen'. Die Confessio
Wirtembergica heißt die Confessio des Herzogs Chriftoph, !
weil fie das vom Herzog dem Trienter Konzil überfandte
Bekenntnis der evangelifchen Kirche feines Landes enthält
, die neben der Auguftana die Norm für die Kirchendiener
des Landes bildete.

Allgemeiner Beachtung, auch der hohen Staatsmini- 1
fterien, ift die Anmerkung Friedensburgs S. 172 zu emp- !
fehlen. Hoffentlich tut fie ihre Wirkung, daß die ;
Forfchung durch Entgegenkommen aller Bibliothekver-
waltungen erleichtert wird und keine mehr fich hinter
ein Staatsminifterium flecken kann. Ref. möchte hier
den weiteren Wunfeh anfchließen, daß der Berliner Aus-
kunftftelle deutfeher Bibliotheken ihre für die Wiffen-
fchaft höchft erfprießliche Wirkfamkeit erleichtert wird,
indem nicht etwa nur große Bibliotheken fich der Aufgabe
unterziehen, Anfragen zu beantworten, während auf
kleineren Bibliotheken Anfragen zu Hunderten unerledigt
liegen bleiben. Vgl. ZGOR. NF. XXII, 571, Anm. 2; XXIII,
682. Videant consules!

Schließlich fei auf die gehaltreichen Literaturberichte
am Schluß jedes Heftes hingewiefen.

Stuttgart. Boffert.

Wotfchke, Pfr. Lic. Dr. Theodor, Der Briefwechlel der
Schweizer mit den Polen. (Archiv für Reformations-
gefchichte. Ergänzungsband III.) Leipzig, M. Heinfius
Nachf. 1908. (443 S.) gr. 8° M. 15.75

Von dem erfreulichen Gedeihen des Archivs für
Reformationsgefchichte zeugt nicht nur der Inhalt des

neuen Jahrgangs, fondern auch die rege Beteiligung der
Gelehrten, die es der Redaktion möglich machte, nunmehr
binnen kurzem den dritten Ergänzungsband herauszugeben
. Derfelbe gibt den Briefwechfel der Schweizer
mit den Polen, welchen Th. Wotfchke mit großer Hingabe
gefammelt und zweckmäßig bearbeitet hat. Seine Erläuterungen
beweifen eine gründliche Kenntnis der Gefchichte
der polnifchen Reformation, welche durch
diefen Briefwechfel eine willkommene Bereicherung erfährt
. Denn wir erhalten von 1546 bis 1593 527 teils
ungedruckte Briefe, teils gedruckte in Regelten, die er
aus der Simlerfchen Sammlung der Züricher Stadtbibliothek
gewann, foweit nicht andere Fundorte angegeben
find. Wir lernen verliehen, warum die fcheinbar frifch
und kräftig aufblühende Reformationsbewegung in Polen
früh zum Stillftand und dann zum Niedergang kam. Es
fehlten ihr die tieferen Wurzeln im Volk, da die Predigt
auf den Adel befchränkt blieb und für das Volk verboten
war. Der Adel zählte wohl viele tüchtige Männer,
aber es fehlte auch den erasmifch angeregten Geiftern
an gründlicher Bildung und für den Nachwuchs an genügenden
Bildungsanftalten. Nicht alle Edelleute waren
in der Lage, ihre Söhne nach Zürich, Bafel, Genf, Straßburg
, Tübingen und Heidelberg zu fchicken. Was half
das private Gymnafiolum in Krakau? Der Scharfblick
der Jefuiten fetzte hier den Hebel ein, um die adelige
Jugend für Rom zu gewinnen. Dazu kamen die mannigfach
lockern Grundsätze des Adels. ,In Polonia multi
nobiles extineti sunt, plures tarnen, quos crapula occidit'
fchreibt Lafitius an Bullinger S. 436. Im Schuldenzahlen
waren fie nicht immer reell. Koftgelder gingen nicht
pünktlich ein, Züricher Bürgen mußten viel Geduld haben.
Dazu kamen die vielen fremden, wenig gelehrten und
zuverläffigen Geifter, die in den polnifchen Kirchendienft
berufen wurden. Im Streit der theologifchen Meinungen
der Lutheraner, Calviniften, böhmifchen Brüder, Unitarier
und Anabaptiflen hatten diefe Leute keinen feften
Halt. Manche wechfelten ihr Bekenntnis drei- und viermal
. Eine befondere Gefahr drohte von den flüchtigen
Italienern, welche über die Schweiz nach Polen kamen
und dort alle Fragen der alten Chriftenheit, die vor
1200 Jahren ausgetragen waren, wieder aufrollten und
unfägliche Verwirrung anrichteten. Es war nicht ganz
unberechtigt, wenn Lafitius den Schweizern zurief: Cavete
deineeps Italos (S. 349). Zur Charakteriflik diefer unruhigen
Geifter und ihres Treibens in Polen und Siebenbürgen
bietet der Briefwechfel fehr viel Neues, aber auch
zum Ende der pfälzer Theologen Neufer und Sylvan
(f. d. Regifter). Groß ift, was die Schweizer für Polen
leiden in der Fürforge für ihre Bildung, in der Beratung
in den fchwierigen Fragen ihrer Kirche, um deret-
willen fie fich in energifche Studien der Kirchenväter
verfenken, in materieller Unterftützung der Bedürftigen.
Aber freilich, das Bild der polnifchen Kirche bleibt trotzdem
trübe. Chriftoph Thretius fchreibt an Simler 1. Aug.
1553: {Ecclesia nostra) misere labenti est persimilis, sed
tarnen vix, ne penitus concidat, consistere potest. Con-
ciones fiunt non adeo ferventes nec etiam frequentes, coetus
langnentes, diseiplina laxata, mores deteriores, vita chri-
stiana in libertotem carnis conversa, christianae charitatis
opera derelicta (S. 245), nachdem Maczinski 1547 hoffnungsfreudig
von einer ,mirabilis metamorphosis in Polonia
' gefchrieben hatte (S. 7), während er in Italien nur
homines atheos et epicureos Sah und entfetzt rief: quanta
impietate scatet Italia! Der Briefwechfel bietet fonft
noch viele neue wertvolle Nachrichten, z. B. S. 92 das
Bekenntnis der Synode zu Pinczow. S. 123 der von Joh.
Wolf ins Lateinifche überfetzte Sermon Ochinos, den
Benrath Ochino2, 322 nicht kennt. S. 145 Ochinos dia-
logus de trinitate ift ficher von Lismanin veranlaßt.
S. 178, 183, 190 ff. Heraklid, der Eroberer der Walachei.
S. 233 Ochino entweder tnagnus praevaricator oder fri-
gidus et elumbis disputator. S. 270 das traurige Ende