Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1909 Nr. 9

Spalte:

267-270

Autor/Hrsg.:

Koeniger, Albert Michael

Titel/Untertitel:

Der Ursprung des Ablasses 1909

Rezensent:

Köhler, Walther

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

267

Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 9.

268

Münzen. In der Regel wird fie ganz verneint. Maurice
dagegen will ichon auf 314 in Tarraco geprägten Münzen
das chriflliche Kreuz finden; es hat hier die Form >b
(Madden a. a. O. XVII Taf. VII, i; 2) und ift links von
der Ganzfigur Apollos mit der Ümfchrift Soli invicto
comiti frei angebracht, während im Felde rechts ein Stern
fchwebt. Nimmt man zu diefer höchft befremdlichen
Kompoiition die Tatfache, daß diefe Form des Kreuzes
erft viel fpäter auf chriftlichen Denkmälern auftaucht,
fo erheben fich gewichtige Bedenken gegen einen chriftlichen
Inhalt. Indeß die Möglichkeit muß zugegeben
werden, denn was'Konftantin am Himmel fah, war ja
nicht das Monogramm Chrifti, fondern xo öxavgov xgöjtaiov,
und die Apollofigur bietet kein abfolutes Hindernis (vgl.
PRE3 X, 763). Andererfeits ift an die römifche Bildfäule
Konftantins mit dem Kreuze, errichtet nach dem
Siege über Maxentius, zu erinnern (zu vgl. darüber meine
Unterfuchung in der Zeitfchr. f. Kgefch. VII S. 343 ff.).
Populär wurde in der Folgezeit das Monogramm Chrifti
und dadurch das Kreuz auf den Münzen (wie auch auf
den Infchriften) ganz in den Hintergrund gefchoben.
Weitere Beifpiele für diefe Kreuzform bieten Trier 337
(Madden XVII Taf. 7 n. U. 12) und Arles 335. Der
Münzftätte in Aquileja (333) ift eine Kreuzform eigen,
welche an das fog. Henkelkreuz erinnert (Taf. XX, 18),
daher glaubt Maurice mit Cavedoni, daß es Beziehungen
zu Ägypten feinen Urfprung verdanke, eine, wie mir
dünkt, höchft unwahrfcheinliche Annahme. Kreuze finden
fich auch fonft auf Münzen Konftantins und feiner Söhne.
Eine gründliche kritifche Wertung diefer Gruppe, genauer
eine fichere Feftftellung ihres Inhaltes fleht noch aus. Im
allgemeinen verhält man fich fkeptifch. Ob mit Recht,
muß erft noch ermittelt werden.

Immer wieder wird in diefem ausgezeichneten Buche
der Kirchenhiftoriker auf die ihn berührenden Fragen des
4. Jahrh. geführt. Denn natürlich erreicht der Quellen-
wert der Münzen in entfprechendem Maße alle jene
Perfonen, welche damals neben, mit oder gegen Konftantin
auf dem Schauplatze der Gefchichte erfchienen;
ich nenne nur Helena, Licinius, Maximinus Daza und die
Söhne Konftantins. Der 2. Band wird das Material
erheblich vermehren; fo kommt in ihm die für die Gefchichte
der chriftlichen Münzzeichen wichtige Münzftätte
Konftantinopel zur Darftellung. Dann wird an die Kirchenhiftoriker
die Aufgabe herantreten, das geordnete
Material für ihre Ziele fruchtbar zu machen.

Greifswald. Victor Schultze.

Koeniger, Priv.-Doz. Dr. Albert Mich., Der Urfprung des
Ablaffes. (Sonderabdruck der Veröffentlichungen aus
dem kirchenhiftorifchen Seminar München. III. Reihe
Nr. 1.) München, J. J. Lentner 1907. (S. 167—191.) 8°

Gottlob, Adolf, Ablaßentwicklung und Ablaßinhalt im 11. Jahrhundert
. Drei Auffätze. Stuttgart, F. Enke 1907. (VII,
68 S.) gr. 8° M. 3 —

Mit Abficht habe ich die Anzeige diefer beiden
Studien hinausgefchoben, denn die katholifche Ablaß-
forfchung ift gegenwärtig äußerft rege, die Zeitfchriften
bieten allenthalben kleinere oder größere Auffätze, da
gebot fich ein Abwarten von felbft, um einen Überblick
zu gewinnen und die zur Befprechung vorliegenden Arbeiten
richtig einfchätzen zu können. — Über die Studie
Koenigers hat G. Ficker in Nr. 1 diefer Zeitung (1909)
fchon kurz referiert, noch einmal und etwas ausführlicher
auf fie zurückzukommen, ift um der Verdienftlichkeit der
Ausführungen willen nicht überflüffig. Knapp und präzis
behandelt K. auf 24 Seiten die Probleme der Ablaßent-
ftehung. An die Spitze ftellt er den Satz: der Ablaß
ift nicht fo alt, wie die Kirche felbft. Die gegenteilige
Anficht ift ,das Produkt oder Erbe zurückprojizierender
Spekulation', fie ,gehört in die Reihe jener fogen. Tradi-

1 tionsbeweife, die zwar in der fpekulativen Theologie eine
große Rolle fpielen, mit der Schilderung gefchichtlichen

j Werdens aber nicht viel gemein haben. Den Bedürf-
niffen der Dogmatik entfprungen und für fie berechnet,
wollen und können fie eine befriedigende Löfung ge-

{ fchichtlicher Probleme gar nicht geben'. Das fcheint
uns ja felbftverftändlich, ift es aber für die katholifche
Forfchung keineswegs. Kein Geringerer als Dr. Paulus,
wohl der belle Kenner der Ablaßprobleme auf katholi-
fcher Seite, fchreibt in den ,Hiftorifch-politifchen Blättern'

j Bd. 138 S. 553: ,üer Ablaß ift ftets in der Kirche in

! Übung gewcfen, wenn auch nicht immer in gleicher
Form'1. Daß das Recht hier auf Koenigers Seite liegt,
leidet keinen Zweifel; von einem Ablaß im ftrengen Sinne

1 kann erft im 11. Jahrhundert die Rede fein, doch fetzt
natürlich ,ein fo kompliziertes Gebilde wie der Ablaß
eine Summe von Bildungsfchichten innerhalb des Buß-
wefens, auf dem es beruht', voraus (S. 171). ,Eine Unter-

j fcheidung in eigentliche und uneigentliche Abiäffe hilft
über all das nicht hinweg; was kein Ablaß ift, das follte
auch als folcher nicht bezeichnet werden' (S. 172). Der
Ablaß ift nach K. genereller Straferlaß, der als objektive
Gnadenquelle die individuelle Würdigkeit nicht

■ mehr berückfichtigt, fondern nur allgemein gehaltene
Vorfchriften bez. des Empfängers gibt (S. 178). ,Es find

j demnach jene Abiäffe nichts anderes als Abfolutionen

j oder Rekonziliationen in cumulo, jedoch in vorhinein
fchon erteilt, fodaß fich eine Trennung derfelben von
der individuellen Beicht, in welcher die nachzulaffende
Buße auferlegt wurde, von felbft ergab' (S. 179). Diefer
generelle Bußerlaß knüpfte an individuellen an, und

' diefer — aber nicht der Ablaß! — ift allerdings ,fo alt
wie die Kirche' (S. 172). Das Bedürfnis nach Straferlaß

j machte fich namentlich den öffentlichen Büßern gegenüber
geltend, ihr Intereffe bot ,einen äußeren Anlaß zum

I Entliehen der Indulgenzen', aber ,es mußte fich doch
bald von felbft die Frage erheben, ob der Ablaß nicht
auch den übrigen Sündern von Vorteil wäre' (S. 175).
Die Frage, fchon vorher angefchnitten, fand ihre volle

j Bejahung erft mit dem bekannten, von K. Müller her-

[ ausgeftellten Umfchwung in der Lehre von der Buße,
der die Fegfeuerftrafen (und ihren Erlaß) in den Vordergrund
rückte. Aber ,nicht als ob damit die fogen. Trans-

j zendenz der Abiäffe erft gefchaffen worden wäre, und
als ob es fich zuvor lediglich um Erlaß der kirchlich
kanonifchen Bußftrafen gehandelt hätte' (S. 175), K. macht
vielmehr darauf aufmerkfam, daß man hier Kirche und
Gott nicht in Spannung zu einander bringen dürfe, da
fowohl die Bußen als Genugtuungen an Gott gefaßt
wurden, als auch die Kirche als Stellvertreterin Gottes
die Strafen feftfetzte. ,Neu war aber nunmehr das eine,
daß man bei dem Beftreben, die Abiäffe für alle, nicht
bloß für die öffentlichen Sünder wirkfam zu erklären,
auch von unmittelbar göttlich-zeitlichen, nicht allein
von mittelbar kirchlich-zeitlichen Sündenftrafen fprach;
die zuvor nur ftellvertretend kirchliche Tätigkeit in
Verhängung der letzteren ward in erfter Linie Gott zuerkannt
, primär auf ihn radiziert. Die Transzendenz ift
hier nichts neu Eingeführtes' (S. 176, die Sperrungen
rühren von mir her. Vgl. auch Paulus, Ztfchr. f. kath.
Theologie 1909 S. 38). Die erften Abiäffe waren Plenar-

! abiäffe. Die Frage nach der Möglichkeit des Ablaffes

' und ihre Löfung durch die Annahme eines thesaurus
meritorum Christi seu sanctorum trat anfänglich nicht

j hervor; folange es fich um den Erlaß von der Kirche verhängter
Strafen handelte, war ein Rechtsgrund dafür
weiter nicht zu fuchen, wohl aber war ein folcher für
den Nachlaß der zuvörderft von Gott verhängten zeitlichen
Strafen erforderlich. Warum aber ftellt die Kirche

! eine Bedingung für die Ablaßerteilung d. h. warum
fordert fie eine Leiftung, die je länger defto mehr zur

i) Vgl. auch Dr Paulus in Heft 2 der ,Zeitfchrift für kathol. Theu-
logie', das nach Abfchluß diefer Anzeige erfchien.