Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1909 Nr. 8

Spalte:

249-253

Autor/Hrsg.:

Gottschick, Johannes

Titel/Untertitel:

Homiletik und Katechetik 1909

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

249

Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 8. 250

Gottlchick, Prof. D.Johannes, Homiletik und Katechetik. einheitlichen Zweck der Anbetung, freilich ebenfowenig

Herausgegeben von Stadtpfr. R.Geiges. Tübingen, der Forderung des .Urteils' und des Imperativs', fügen.

T „ „ », i_ o /7txt 7: cn qo /t T Die Erkenntnis lft ja richtig, daß die Wirkung jeder

J. C. B. Mohr 1908. (VIII, 196 S.) gr. 8« M. 5 —; Predigt eine religiöfe oder fittliche Willensbewegung der

geb. M. 6.20 pj5rer fejn muß. Allein diefe Wirkung wird nicht erzielt,
Das ungünhige Vorurteil gegen pofthume Werke, die wenn der beherrfchende Gedanke jeder Predigt nur ein
von der Pietät dankbarer Schüler der verdorbenen Lehrer Imperativ id, die Hörer felbd müden die Willensbewegung
ans Licht gezogen werden, id nach den Erfahrungen der frei produzieren. Die Motive dazu, welche die Predigt
letzten Jahrzehnte befonders auf dem Gebiete der Prak- darreicht, find nicht nur Imperative, wie in der protrep-
tifchenTheologie fehr berechtigt. GegenüberderHomiletik tifchen Predigt, fondern in gleicher, vielleicht noch höherer,
und Katechetik des unlängd uns entriffenen und fchmerz- Dignität .Feierliche Dardellung' und .Didaskalie'. Durch
lieh beklagten Johannes Gottfchick wird jedoch folches ausfchließliche oder auch nur vorwiegende Verwendung
Vorurteil Lügen gediaft. Die Herausgabe des Werkes des Imperativs wird auch der Prediger in ein fchiefes
entfpricht einem bis zuletzt öfter geäußerten Wunfche Verhältnis zur Gemeinde gerückt, feine Predigt empfängt
des Entfchlafenen; der Herausgeber, durch feine Stellung ein rein pädagogifches Gepräge. Deshalb ift es auch
zu dem Verfaffer — er war bis zum Tode G.s Repetent nicht ein .legitimes Mittel zur Erweckung der Willigkeit
am evangelifch-theologifchen Seminar in Tübingen und der Gemeinde, fich vom Prediger führen zu laffen, wenn
Affiftent an der Predigeranftalt — zu der Arbeit be- diefer fich mit ihr unter das Schriftwort ftellt' (S. 23),
rufen und ausgerüftet, hat mit Hingebung und Gefchick es ift vielmehr ein notwendiges Requifit jeder Predigt,
fich der Drucklegung unterzogen. Die letzte Nieder- Die §§ 9 und 10 handeln von der erwecklichen
fchrift Gottfchick's liegt dem Buche zu Grunde; ältere, und der apologetifchen Aufgabe der Predigt. Die
oft ausführlichere, Konzepte find möglichft berückfichtigt Ausführung ift reich und treffend. Um fo weniger aber
und eine Anzahl von Kollegheften aus verfchiedenften ift es verftändlich, daß nach S. IO neben und außerhalb
Jahren find zur Vergleichung herbeigezogen. So haben der gottesdienftlichen Predigt auch apologetifche und
wir ein Werk erhalten, das als ein ,echter Gottfchick' erweckliche Anfprachen nötig fein follen, da fie in den
anzufehen ift. Dialektifche Schärfe und Virtuofität, befeelt Rahmen der Gemeindefeier nicht hineinpaffen. Vielleicht
von dem nicht erfolglofen Bemühen, den Stoff und die liegt dem das richtige Gefühl zugrunde, daß das apolo-
Art feiner Behandlung für die Praxis des kirchlichen getifche Moment nicht als folches in der Predigt hervor-
Lebens fruchtbar zu genalten, ift das Charakteriftikum treten darf, daß die gründliche und überzeugende Apologie
auch diefes Werkes. Daß feine dialektifche Meifterfchaft in der Gemeindefeier keine Stätte haben kann, und daß
den Verfaffer mitunter zu Schwerverftändlichkeit verführt, die befte Apologie, welche die Predigt bieten kann, in
hat er felbft bei mancher Gelegenheit beklagt. Ein Bei- der pofitiven Bezeugung der evangelifchen Wahrheit
fpiel davon ift § 25 der Homiletik: ,die Auffindung der befteht. Hinfichtlich der erwecklichen Aufgabe der
Partition vom Thema aus (Topik)'. Wir empfangen da Predigt ift es nicht zu beanftanden, ,daß fie bei dem
eine Häufung abftrakter Regeln, die, ohne verdeutlichende , Verlangen einzufetzen habe, durch Gott fchon jetzt
Beifpiele, auch dem Fachgenoffen ebenfo viele Rätfei eine Erhöhung des Lebensgefühls zu gewinnen'. Allein
aufgeben, zu deren doch nur annähernder Löfung es bei dem Nachweis, daß folche Erhöhung in der Tat
anftrengender Geiftesarbeit bedarf. Das Verftändnis ander- dargeboten wird, darf der Prediger nicht flehen bleiben,
feits für die praktifche Aufgabe der Predigt macht in wenn die Gotteskindfchaft nicht als ein lediglich dies-
reicher Weife fich geltend in den Abfchnitten: .Befondere feitiges Gut erfcheinen foll. Die große Hauptfache, das
Anforderungen der Gegenwart an die Predigt des Evan- Evangelium sub specie aeternitatis zu verkünden und die
geliums' und: ,Die Predigt und das konkrete Leben'. Hörer von der Welt zu befreien, indem fie vor das An-
Die Homiletik wird in vier fehr ungleichen Ab- geficht Gottes und die Ewigkeit gehellt werden, wird in
fchnitten gegliedert. Der erfle Abfchnitt (S. 1—5) be- den Hintergrund treten. In dem 4. Kapitel des dritten
handelt die Prinzipien des chriftlichen Gottesdienfles, der Abfchnitts verbreitet fich der Verfaffer über ,die Predigt
zweite (S. 6—14) die Prinzipienlehre der Homiletik (die und die hl. Schrift'. Unter unferen heutigen theologifchen
allgemeine Bedeutung der Predigt im Gottesdienft, die Verhältniffen ein wertvolles, aber auch fchwieriges Thema.
Predigt und die Gemeinde, die Predigt und der Prediger, S. 44 hellt der Verfaffer den unantahbaren Grundfatz auf,
die Arten der Predigt), der dritte (S. 15—77) die erbau- daß die unverrückbare Grundlage der praktifchen Ausliche
Behandlung des Predigthoffes, der vierte (S. 78—109) legung die hihorifche fein müffe. Diefem Grundfatz
die formelle Homiletik. Auf eine gefchichtliche Grund- widerhreitet jedoch die Regel (S. 48), daß die Wunderlegung
verzichtet der Verfaffer: Namen von Vorgängern taten Chrihi als Allegorien oder Symbole feiner
und Erwähnung ihrer Arbeiten findet man nicht, nur in geihlichen Wunderwirkungen aufzufaffen und zu behandeln
Beifpielen werden einige wenige Prediger namhaft ge- find. Im weiteren Verlauf der Darlegung weih G. felbh
macht. In dem zweiten Abfchnitt ih befonders der darauf hin, daß fie als Beifpiele der Erfahrung fpezieller,
tiefgründende § 6, der über die Predigt und den Prediger göttlicher Fürforge, als Beweife von Chrihi tatkräftigem
(feine perfönliche Überzeugung, Beruf, Gabe und Bildung) Mitgefühl ufw. zu verwenden find. Damit ih der richtige
handelt, hervorzuheben. Allerdings befremdet es, daß Weg betreten, der hets auf Hervorhebung der in den
(S. 11) als Zweck der Predigt die Anbetung (als Ein- Wundertaten fich offenbarenden Gefinnung Jefu hinzu-
leitung zu einem neuen Anfatz des aktivenChrifientums) ge- führen hat. Bei der Erörterung über die Predigt über
nanntwird. Die Anfchauung des Verfaffers, daß,ganz nach Lehrtexte hätten wir gern gerade vom Verfaffer eine
der Formula Missae Luthers und dem .Königlich Preu- prinzipielle Antwort auf die für die fyhematifche und
ßifchen Publicandum' vom 14. September 1814, die Predigt für die praktifche Theologie brennenden Fragen ver-
der Liturgie vorangehen müffe, und daß erh in der Liturgie nommen: inwiefern die theologifche Lehrfaffung der
die Gemeinde ihren eigentlichen Gottesdienft feiere, macht Apohel für den Prediger des Evangeliums maßgebend
darin fich geltend. Zu vereinen ih die Anbetung als fein kann und fein darf, infonderheit wie der Schriftbeweis,
Zweck der Predigt wohl kaum mit der anderweitigen oft der ja bei Paulus eine fo große Rolle fpielt, in der Predigt
hervortretenden Zweckangabe: das Thema müffe ein Ur- zu behandeln ih. Wer felbh in feiner Jugend die Nöte
teil fein, das durch die Darheilung bewiefen werde, der des exegetifchen Gewiffens gegenüber dem Schriftbeweife
beherrfchende Gedanke der Rede müffe ein Imperativ des Apohels, der dem, was wir Exegefe nennen, fich abfein
(§ 23). Auch die drei Predigtarten, die G. (S. 14) folut nicht fügt, durchgekohet hat, möchte gern die
aufhellt: die feierlich darhellende, die didaktifche und Lernenden vor ähnlichen Qualen und auch Irrwegen
die protreptifche Predigt, werden fich wohl nicht dem bewahren. Das bedeutet nicht Vernachläffigung der