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Ausgabe:

1909

Spalte:

239-240

Autor/Hrsg.:

Brommer, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Die Lehre von sakramentalen Charakter in der Scholastik bis Thomas von Aquin inklusive 1909

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Seite 1

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der Neftorianer beweift (cfr. Nilles, Kalendarium manualc,
II, pag. 665 f.), find die Freitage die Kommemorationstage
der Märtyrer und Heiligen. Der Freitag, d. i. der Tag
der Kreuzigung Chrifti, foll alfo nicht ,zur Erinnerung an
die Kreuzigung Chrifti', fondern zur Erinnerung an die
Märtyrer und Heiligen gefeiert werden. —Endlich: Warum
haben fich Verfaffer und Mitarbeiter nicht über die Orthographie
geeinigt? Der Eine fchreibt nach feinen grie-
chifchen, der Andere nach feinen fyrifchen Vorlagen, der
Eine Symeon, der Andere Simeon, der Eine Periodeut, der
Andere Perihodeut ufw.

Arbeiten, wie die vorliegende, befriedigen in erfter
Linie ein Bedürfnis der Gefchichtswiffenfchaft. In dem-
felben Maße aber, als fie den modernen Menfchen zwingen,
zu Askefe, Vifionen, Wundern u. dergl. Stellung zu
nehmen, kommen fie auch einem Bedürfnis der Kirche
entgegen, die, in gewiffen Kreifen jedenfalls, gegenwärtig
mehr denn je von diefen Dingen bewegt wird. L. hat
etwas von diefem Zwange gefühlt, wie feine Bemerkungen
auf pag. 245, Z. 18 ff. und im Vorwort verraten. Möchte
er felber derjenige fein, der diefem Zwange nachgibt
und damit feinem Werke die Krone auffetzt.

Berlin. Diettrich.

Brommer, Dr. Ferdinand, Die Lehre vom fakramentalen
Charakter in der Scholattik bis Thomas von Aquin inkluiive.

Nach gedruckten und ungedruckten Quellen dargeftellt.
(Forfchungen zur chriftlichen Literatur- und Dogmen-
gefchichte. Herausgegeben von A. Ehrhard und
J. P. Kirfch. Achter Band, zweites Heft.) Paderborn,
F. Schöningh 1908. (XV, 176 S.) gr. 8° M. 5.80

Die Lehre vom fakramentalen Charakter in der
Scholaftik hat auf den erften Blick mit den Intereffen
der Gegenwart wenig zu tun; felbft lebhafteftes Verftänd-
nis für den Reiz jeder dogmengefchichtlichen Unterfuchung
wird gegenüber den Problemen, die hier auftauchen, nicht
gleich Feuer fangen. Dies Buch verdient aber mehr
Aufmerkfamkeit, als der Titel zunächft vermuten läßt.
Selbft der Stoff liegt den modernen Intereffen nicht fo
fern, wie es fcheint. Es ift religionsgefchichtlich
lehrreich, zu beobachten, wie eine formal hochentwickelte
,Wiffenfchaft' mit den tragenden Vorausfetzungen einer
inferioren Sakramentsmagie fich abmüht, als feien fie eben-
fo zweifellofe Wirklichkeiten des Lebens wie andere Gegebenheiten
. — Sodann ift das Buch in feiner Art vortrefflich
: es ruht auf folider Gelehrfamkeit, verwertet ein
umfangreiches und vielfach erft aus Handfchriften gewonnenes
Quellenmaterial, fieht unbefangen die Fragen,
ift klar und überfichtlich gefchrieben und fehr forgfältig
gedruckt. Eine Inhaltsangabe muß ich mir fparen; denn
es wäre gleich unrichtig, des Verfaffers klare eigene
Zufammenftellung feiner Refultate(S. 169-172; S. 173—176
geben ein Autorenverzeichnis und ein Sachregifter) dabei zu
benutzen, wie fie unbenutzt zu laffen. Am intereffanteften
ift, daß der Verf. die Anficht des Duns: patet quod cha-
racter sccundum intentionem Hominis qua modo ittimur
eo, est recentior quam Uber scntentiarum (S. 19 Anm. 1),
betätigen zu müffen geglaubt hat. ,Aus dem 12. und
Anfang des 13. Jahrhunderts', fo refümiert er fich felbft
(S. 169), ,laffen fich nur fpärliche Andeutungen über unfer
Lehrftück finden. Das Wort character wird vielfach in
andrer Beziehung gebraucht. Ausdrücklich erwähnt wird
der Charakter von Alanus, Innocenz III., Petrus Cantor,
Robert von Courgon, Stephan Langton, Gaufried von Poi-
tiers, Jakob von Vitry, Gregor IX. Sonfl ift in den Ausführungen
der bisher bekannten Autoren diefer Zeit über
die NichtWiederholbarkeit .. . von Taufe, Firmung und
Weihe, fowie über den Unterfchied zwifchen sacramentum
und res, foweit fich bis jetzt feftftellen läßt, vom fakramentalen
Charakter nirgends ausdrücklich die Rede'.

Bei dem Lombarden würde ich vor der Lektüre des
Brommerfchen Buches nicht fo zurückhaltend geurteilt
haben: ich hätte in IV, 6, 2 das ,servato charactere Christi'
nicht im Sinne von ,si servatur forma a Christo tradito'
als Angabe der Bedingung verftanden, an welche die
Anerkennung der Ketzertaufe gebunden ift (S. 6), fondern
hätte es nach Auguftins Wort: consuetudo firmata est. ...
characterem dominicum agnosci potius quam improbari
(de bapt. c. Donat. 6, 1,1) gedeutet als Hinweis auf den
Realgrund der Unterlaffung der Wiedertaufe. Auch bei
dem sacramentum ordinis (IV, 24, 13) hätte ich den
,character spiritualis' gemäß den dem Lombarden doch
gewiß bekannten Gedanken Auguftins zu faffen verfucht.
Auch jetzt bin ich, fo frappant das fonft nachgewiefene
Zurücktreten des ,Charakters' vor 1200 ift, von Brommer
noch nicht ganz überzeugt worden. Ja der erft durch
ihn (S. 14 und 16) mir bekannt gewordene Gebrauch des
Ausdrucks ,signaculum quoddam' in der Summa des Prae-
pofitinus (deren Ausgabe B. vorbereitet, S. 14 Anm. 6)
und des ,character sive signaculum quoddam' bei Robert
von Courgon hat in bezug auf die zweite Sentenzen-
ftelle meine Zweifel an der Richtigkeit der B.fchen Interpretation
noch beftärkt. — Endlich verdient das B.fche
Buch deshalb Beachtung, weil es an einer Einzelfrage
wieder einmal zeigt, wie nötig für ein wirkliches Ver-
ftändnis der fcholaftifchen Entwicklung die Erfchließung
weiterer Quellen für die Frühfcholaftik ift. B. hat felbft
die Anflehten einer Reihe der von ihm behandelten
Theologen nur aus Handfchriften kennen gelernt und
hat dem Handfchriftenftudium eifrige und forgfältige
Arbeit gewidmet; und doch fchließt er mit den Sätzen:
,Es ift überhaupt fchwer, die Verbindung zwifchen den
umfangreichen Ausführungen des 13. Jahrhunderts über
den Charakter und der Sakramentslehre der Vorzeit genauer
feftzuftellen. Unumgängliche Vorausfetzung dafür

I ... ift eine weitere gründliche Durchforfchung der noch
ungedruckten Werke des 12. und des anfangenden
13. Jahrhunderts' (S. 172; vgl. S. 109 a. E.). Und nicht
um bloße Drucklegung nur handelt fichs. Von einem

1 fcholaftifchen Werke des Stephan Langton (summa oder
quaestionest oder find das zwei verfchiedene Werke?)
hat B. zwei Parifer Handfchriften gehabt; und doch

i konnte er über die Lehre Stephan Langtons ,nichts Ge-

! naueres ermitteln' (S. 18). Denn ,die beiden Parifer Handfchriften
haben, wenige Kapitel abgerechnet, einen ganz

! verfchiedenen Inhalt' (S. 17 Anm. 2). Die ,diefem Einzelfalle
gegenüber von B. ausgefprochene Erkenntnis: (Hier
hat die Kritik noch viel zu tun' (a. a. O.) wird er felbft
nicht auf diefen Einzelfall befchränken.

Wenn noch bei mehreren katholifchen Theologen

: Denifles Drängen auf handfehriftliche Studien über die
fcholaftifche Theologie (Ouellenbelege zu Luther und

! Luthertum p. XI) auf fo fruchtbaren und bereiteten

j Boden fällt, wie bei dem Verf. diefer Arbeit über den
fakramentalen Charakter, fo wird das auch wichtigeren
Fragen zugute kommen. Und proteftantifche Wiffenfchaft
wird, fo gewiß fie das Recht hat, den katholifchen Gelehrten
hier die Hauptarbeit zuzufchieben, dankbar zu

; lernen gewiß nicht unterlaffen.

Halle a. S. Friedrich Loofs.

Schriften des Vereins für fchleswig-hollteinifche Kirchen-

Gefchichte.

I. Reihe (Größere Publikationen).

3. Heft; Schubert, Hans von, Kirchengefchichte Schleswig-Hoirteins

auf Grund von Vorlefungen an der Kieler L'niverfität. I. Kiel,
R. Cordes in Kommiffion 1907. (XVI, 419 u. 17 S. m. 1 Stammtafel.)
gr. 8° M. 7.50

4. Heft: Claus Harms' Leben in Briefen, meift von ihm felber. Mit

Harms' Bildnis. Herausgegeben von Paft. Heinrich Zillen. Ebd.
1909. (VIII, 425 S.) M. 6 —