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Ausgabe:

1909 Nr. 8

Spalte:

236-239

Autor/Hrsg.:

Lietzmann, Hans

Titel/Untertitel:

Das Leben des heiligen Symeon Stylites 1909

Rezensent:

Diettrich, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 8.

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zu antiquieren, fondern auch einen jeder Zeit wertvollen
und fehr beachtenswerten Beitrag zum Verftändnis
Auguftins zu liefern. Mit Adam's Unterfuchung ift der
VIII. Band der von Ehrhard und Kirfch herausgegebenen
,Forfchungen' trefflich eröffnet.

Adam unterfucht zunächst die Euchariftielehre der
afrikanifchen Kirche bis zum Auftreten Auguftins. Nachdem
er fodann in einem zweiten Teil der Abendmahlslehre
der von Auguftin gelefenen und zitierten zeitge-
nöffifchen kirchlichen Schriftfteller feine Aufmerkfamkeit
gewidmet hat, unternimmt er es, aus Auguftins Werken
die Kirchenlehre jener Zeit feftzuftellen und fchließlich
der Frage fich zuzuwenden, was Auguftin mit dem
überkommenen Glaubensgut angefangen hat. Schon aus
diefem Aufriß ift zu erkennen, daß Adam fich bemüht,
das Problem fowohl im großen gefchichtlichen Zufammen-
hang wie im befonderen Zufammenhang der auguftinifchen
Entwicklung zu erörtern. Die vorangegangene Entwicklung
gab nach Adam Auguftin keinen Anlaß, über die Art
und Weife der vorausgefetzten Gegenwart des Leibes
und Blutes Chrifti nachzufinnen, alfo das Verhältnis des
gegenwärtigen Fleifches und Blutes zu den Elementen
von Brot und Wein eingehender zu unterfuchen. Im
heften Fall konnten, da die Erörterungen eines Gregor
von Nyffa und des Ambrofius in der Schrift de mysteriis
ihm unbekannt waren, die von Tertullian und Cyprian
gebrauchten Wendungen zu jenem Problem hinführen,
aber nicht in der Linie des Metabolismus, fondern in der
Richtung eines die Natur der Elemente wahrenden
Dynamismus. Seine Chriftologie hätte die Anfätze zu
einer entfchiedenen Identifizierung des hiftorifchen und
euchariftifchen Chriftus geboten, aber die Rückficht auf
die Möglichkeit monophyfitifcher und manichäifcher
Mißdeutung hielt ihn davon ab. Er geht wie Tertullian
und Cyprian in feiner euchariftifchen Betrachtung von
den Naturelementen des Weines und Brotes aus, ohne
deren Verhältnis zur gegenwärtigen caro näher ins Auge
zu faffen. Brot und Wein find Erfcheinungsweifen
(figurae) von Fleifch und Blut Chrifti im Gegenfatz zur
linnenfälligen Erfcheinungsweife des hiftorifchen Chriftus.
Andererfeits ftellt er im Anfchluß an die griechifche
Betrachtung als das Wirkliche {res) des fakramentalen
Apparats den Spiritus hin, die euchariftifche caro erfcheint
nur als Vehikel zum Spiritus und erlangt als Gegenbild
der res einen nicht zwar fymbolifchen, aber doch nur
einen vermittelnden, vergänglichen, nicht in fich felbft
ruhenden Wert, nach Analogie der platonifchen Auf-
faffung vom Sichtbaren überhaupt. Die ihm hier von der
Tradition dargebotenen Grundgedanken fügt er feinem
fakramentalen Syftem derartig ein, daß die caro fowohl
als heilsnotwendiges, dingliches Gut, wie als vermittelndes
signum (sacramentum) der durch perfönliche Heilsbemühung
zu erlangenden res gilt. Erft durch den Kampf
gegen die Pelagianer und die Lektüre des Chryfoftomus
wurde er vom Piatonismus befreit, die caro erhielt einen
selbftändigen, von der Beziehung auf den Spiritus bzw.
die res unabhängigen Wert. Damit war die Annäherung
an Ambrofius und Gregor von Nyffa vollzogen und auch
von Auguftin die Grundlage für den kirchlichen Metabolismus
gefchaffen.

Die Gefamttendenz der Unterfuchung Adam's ift m.E.
richtig. Daß Augufiin mehrfach Äußerungen hat fallen
laffen, die einer ,fymbolifchen' Deutung Rückhalt geben,
hat Adam nicht überfehen. Aber er macht mit Recht
darauf aufmerkfam, daß man den Gegenfatz gegen einen
groben ,Kapernaitismusf nicht überfehen darf: In der
Hauptfache aber hat Auguftin nicht den ,Symbolismus'
vertreten. Vollends ift es nicht feine Abficht gewefen, der
Euchariftie eine von der gemeinkirchlichen abweichende
Würdigung zu geben. Trotzdem bedarf, wenn ich recht
fehe, Ädam's Unterfuchung einer Korrektur. Es foll hier
nicht auf Einzelheiten eingegangen werden. An anderer
Stelle gedenke ich demnächft eingehender mit der ganzen

Frage mich zu befaffen. Ich möchte hier nur auf einen
Punkt hinweifen. Adam fpricht von einer Wandlung, die
Auguftins Anfchauung vom Abendmahl im Kampf gegen
die Pelagianer erfahren habe. Um dem Beweis für diefe
Thefe eine größere Kraft zu geben, weift er auf eine
analoge Wandlung in der Anfchauung von der Taufe hin.
In diefen Kämpfen fei das Vertrauen auf das fubjektive
Heilsftreben und das Vermögen der eigenen Kraft er-
fchüttert worden; es werde nun die abfolute Heilsbedeutung
des Sakraments (Taufe, Euchariftie) behauptet, unter
Ausfchaltung des perfönlichen Faktors, fo daß fchließlich
auch Auguftin in der Euchariftielehre dem Transfubftan-
tiationsdogma nahe gekommen ift (S. I22ff., 156fr.). Aber
diefe Wandlung infolge der pelagianifchen Kämpfe hat
Adam doch nicht zu beweifen vermocht. Kein einziges
der Zitate, die Adam z. B. für die Wandlung in der Tauflehre
anführt, beweift, was es nach Adam beweifen foll.
Ich darf hier vielleicht auf meine eigenen, Adam offenbar
unbekannt gebliebenen Unterfuchungen in den Theol.
Studien und Kritiken 1904 verweifen, die mir durch Adam's
Ausführungen noch nicht entkräftet fcheinen. Adam beachtet
nicht die Gegenfätzlichkeit des fakramentalen und
prädeftinatianifchen Motivs und die auflöfende Wirkung
gerade auf eine ,objektive' Sakramentslehre. Die durchgreifende
Wandlung in der theologifchen Anfchauung
Auguftins fällt nicht in die Zeit des pelagianifchen
Kampfes, fondern fchon in das letzte Jahrfünft des vierten
Jahrhunderts. Sie fuhrt aber nicht zu einer theologifchen
Verftärkung des Sakramentalismus, fondern zu einer Gefährdung
. Gerade der Prädeftinatianismus hat, was Adam
unberücksichtigt läßt, den Sakramentalen1 Wert des Sakraments
bedroht. Denn die Gnade ift nicht an äußere
Mittel gebunden. Deswegen wird man von einer die
Anfchauung vor den pelagianifchen Kämpfen modifizierenden
Annäherung an den Transfubftantionsgedanken
in den fpäteren Jahren nicht fprechen dürfen. Darauf
kann aber im einzelnen nicht eingegangen werden. Man
wird eine fymbol-realiftifche Anfchauung bei Auguftin
annehmen dürfen; aber die den pelagianifchen Kämpfen
Auguftins fo große Bedeutung zuweifende Konftruktion
Adam's fcheint mir nicht geglückt zu fein.

Tübingen. Otto Scheel.

Lietzmann, Hans, Das Leben des heiligen Symeon Stylites.

In Gemeinfchaft mit den Mitgliedern des kirchen-
hiftorifchen Seminars der Universität Jena bearbeitet.
Mit einer deutfchen Überfetzung der fyrifchen Lebens-
befchreibung und der Briefe von Heinrich Hilgenfeld
. (Texte und Unterfuchungen zur Gefchichte der
AltchriftlichenLiteratur, herausgegeben von A. Harnack
und C. Schmidt. Dritte Reihe, zweiter Band, Heft 4.)
Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1908. (VIII,
257 S.) gr. 8« M. 9-

Sonderdruck: Antonius, Leben des hl. Symeon Stylites.
Für Unterrichtszwecke herausgegeben. M. — 60

Eine dankenswerte Arbeit. Ein fehr intereffantes
Heiligenleben der alten Kirche wird hier unter Vorlegung
einer textkritifchen Bearbeitung der Quellen auf feine
wichtigsten hiftorifchen Tatfachen unterfucht. Das Buch
zerfällt in zwei Teile.

Im erften Teile {pag. 1 —196) finden wir die Texte,
welche für das Leben des heiligen Symeon Stylites in
Betracht kommen: i.Theodoret, historiareligiosa Kap. 26.
2. Antonius, Leben des heil. Symeon. 3. Simeon bar
Apollon und Bar Chatar, fyrifche Lebensbefchreibung
des heil. Symeon. 4. Vorfchriften und Ermahnungen des
feiigen Herrn Simeon. 5. Brief des Presbyters Cosmas
an Herrn Simeon. 6. Briefe des heil. Herrn S. 7. Briefe
des Kaifers Theodofius II. an S. 8. Brief S.s an Bafilius
von Antiochien. 9. Aus der Vita Danielis Stylitae.