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Ausgabe:

1909

Spalte:

233-236

Autor/Hrsg.:

Adam, Karl

Titel/Untertitel:

Die Eucharistielehre dse heiligen Augustin 1909

Rezensent:

Scheel, Otto

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Theologifche Literaturzeitung 1909 Nr. 8.

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gäbe beigefeilt, durch die Harteis mit unzulänglichem j
handschriftlichen Material gearbeitete Ausgabe (CSEL
III, 3, 152—173) antiquiert wird. In der Vorbemerkung
meint er, daß die Geftaltung des Textes gefchicktere
Hände erfordert hätte, als die feinen; auch ift er fich
bewußt, daß feine Anmerkungen über Urfprung und
Gefchichte des Traktats auf unficherem Grunde ruhen.
Er urteilt damit über feine Leiftung fehr befcheidcn.
Freilich bedarf es zur Nachprüfung befferen Sachver- I
ftändniffes als es der Referent zu befitzen fich rühmen
darf. Die Rechtfertigung, daß er fich darüber hat vernehmen
laffen, liegt — abgefehen davon, daß die offenbare
Zuverläffigkeit der Untersuchung das Referat fehr

erleichtert — nur in dem äußerenUmfland, daß Hellmanns
Arbeit mit der Sickenbergers im gleichen Heft vereinigt
ift.

Sickenberger bringt neue Späne aus feiner Katenen-
Werkftatt, in die er uns des öfteren (vgl. Titus von Bofira,
1901; Niketas von Herakleia, 1902) hat Einblicke tun
laffen. Diesmal handelt es fich um Vervollfländigung
des vom Kardinal Mai im 10. Bande feiner Auetores
classici (1838) und vollftändiger im 2. Band der Nova
Bibliotheca (1844; danach Migne 72,475—950) gebotenen
Materials zu den Lukashomilien Cyrills von Alexandrien.
Die hier hauptfächlich nach der Niketashandfchrift, Cod.
Vat. 1611, abgedruckten Scholien weifen zu Luk. 9,23—IO,
21 eine lange Lücke auf, zu deren Ergänzung Mais fonftige
vatikanifche Quellen nur wenig boten. In der fyrifchen
Überfetzung (R. Paine Smith, 1858; Ergänzungen bei
W. VVright, 1874) ift die Lücke ausgefüllt. Auf Grund
der griechifchen und fyrifchen Überrefte hat fich feft-
ftellen laffen, daß uns noch drei Lukashomilien Cyrills
im Original erhalten geblieben und fchon in Auberts
Cyrillausgabe (Tom. V, P. II, 1638) unter den Homiliae
diversae gedruckt find. Von zweien, die Aubert als eine
(Horn. XII) gedruckt hat, erkannte fchon Smith die Zugehörigkeit
zu den Lukashomilien, von der dritten (Nr. IX)
hat erft Sickenberger fie feftgeftellt. Der in ihr behandelte
Lukastext gehört nun zu den Lücken der Maifchen
Ausgabe. Sie ganz auszufüllen haben Sickenberger die
vollftändigen Codices des zweiten Buches der Niketas-
katene, die er in den Bibliotheken Angelica und Casana-
tensis in Rom hat auffinden können, die Möglichkeit geboten
. Seine Ausgabe bietet nun den Text der ganz
oder teilweife von Mai übergangenen Scholien nach dem
Wortlaut der Niketaskatene, zu deffen Konftituierung
jene römifchen Handfchriften und folche aus Florenz,
Paris und München herbeigezogen wurden. Da Niketas
die Originaltexte genauer als alle übrigen Katenenfchreiber
zum Lukasevangelium wiedergibt, ift man durch eine
Herftellung des Niketastextes dem eigentlichen Cyrilltext
fehr nahe gerückt. Eine inhaltliche Würdigung der
Homilien bietet Sickenberger nicht, da diefe fich auf
ein fo befchränktes Material allein nicht würde nützen
dürfen, vor allem auch die fyrifchen Texte würde heranziehen
müffen. Er gibt aber bekannt, daß er einen tüchtigen
Kenner des Syrifchen, Dr. Adolf Rücker in Breslau,
zu diefer Arbeit angeregt habe.

Gießen. G. Krüger.

Adam, Dr. Karl, Die Eucharistielehre des hl. Augustin.

(Forfchungen zur Chriftlichen Literatur- und Dog-
mengefchichte. VIII. Band. 1. Heft.) Paderborn,
F. Schöningh 1908. (V, 163 S.) gr. 8° M. 5.40

Ein viel verhandeltes dogmengefchichtliches Problem
ift die Anfchauung Auguftins vom Sakrament des Abendmahls
. Während man auf katholifcher Seite auch neuerdings
beftrebt gewefen ift, Auguftin zu einem Wortführer
des katholifchen Abendmahlsdogmas zu machen, alfo
den Transfubftantiationsgedanken in feinen Schriften
ausgefprochen zu finden, ift auf proteftantifcher Seite

namentlich durch die Forfchungen von Dorner, Harnack
und Loofs die Meinung verbreitet worden, daß man in
Auguftin einen Vertreter einer ,fymbolifchen' Betrachtung
zu erblicken habe. Freilich hat es nicht an vermittelnden
Theorien gefehlt, an Theorien, die irgendwie eineDoppel-
ftrömung bei Auguftin meinten konftatieren zu dürfen,
ein Schwanken zwifchen kirchlichem, realiftifchem Glau-
benund individueller, fymbolifcher lehrhafter Begründung.
Aber die vermittelnden Theorien haben fich doch keinen
weiteren Einfluß verfchaffen können. Es hatte bis vor
kurzem den Anfchein, als ob in den Unterfuchungen über
die Abendmahlslehre Auguftins die beiden extremen Deutungen
, die ,fymbolifche' uud die möglichft transfubftan-

tianifche, einander gegenüber flehen, und derartig auf
die beiden Konfeffionen verteilen follten, daß die fymboli-
fche von der proteftantifchen, die realiftifche von der
katholifchen Forfchung vertreten würde. Die katholifche
Forfchung fchien um fo leichter dem Verdikt der konfeffio-
nellen Befangenheit zu verfallen, als für eine fymbolifche
Deutung beachtenswerte Äußerungen Auguftin's geltend
gemacht werden konnten und eine transfubftantianifche
Auslegung fowohl durch Auguftin felbft wie die vorangehende
und nachfolgende Gefchichte unmöglich gemacht
wurde. Denn trotz mehreren katholifchen dogmenge-
fchichtliche Unterfuchungen der jüngften Vergangenheit
kann davon keine Rede fein, daß die alte Kirche die
maffive Frageftellung des mittelalterlichen Abendmahlsdogmas
gekannt habe. Andererfeits erweckt es doch
große Bedenken, Auguftin zu ftark aus der gefchichtlichen
Bewegung feiner Zeit herauszuheben und dem entfprechend
feine Anfchauung vom Abendmahl gewiffermaßen zu
ifolieren oder .moderne' Frageftellungen vorzufinden.
Denn daß er nicht bloß katholifcher Chrift fein wollte,
fondern auch von dem kirchlichen Katholizismus feiner
Zeit ftark abhängig gewefen ift, dürfte heute kaum mehr
beanftandet werden. Der ,evangelifche' Auguftin ift eine
Legende. Dann wäre es aber auffallend, wenn Auguftin
in der Abendmahlslehre zu den Symbolikern gezählt
werden müßte, alfo in einem Lehrftück, das bis dahin
keine unbedingt fymbolifche Deutung gefunden, das mit
dem Kultus und dem damals an vielen Orten täglich
gefeierten Abendmahlsgottesdienft eng zufammenhing
und das mit dem Katholizismus der Spendeformel die
dynamifche Auffaffung des griechifchen Myfterienglau-
bens kombiniert hatte. Man wird um fo weniger geneigt
fein, Auguftin eine rein fymbolifche Auffaffung vom
Abendmahl unterzufchieben, als zu feiner Zeit das Abendland
ftark unter dem Einfluß des griechifchen Geiftcs
geftellt wurde und Auguftin felbft vor anderen griechifchen
Geift dem Abendland wifkfam vermittelt hat, in der
Polemik gegen feine Gegner anf den Zufammenhang mit
den anerkannten Theologen des Morgenlands Wert legt
und gerade bei Abendmahlsfragen folche morgenländifche
Theologen anführt, die zum minderten eine ,dynamifche'
Auffaffung vertreten. Unter diefen Umftänden erfcheint
es doch recht prekär, Auguftin eine rein fymbolifche
Anfchauung vom Abendmahl zu vindizieren. So haben
denn auch fchon E. Michaud, P. Batiffol und F. Kattenbufch
fich gegen eine fymbolifche Interpretation der Abendmahlslehre
Auguftins gewandt. Ihnen tritt jetzt Adams
Arbeit zur Seite, der allem Anfchein nach die Bedenken
von Kattenbufch unbekannt geblieben find.

Adam hat in vortrefflicher Weife in die Diskuffion
eingegriffen. Obwohl er keinen Zweifel über fein Bekenntnis
zum katholifchen Transfubftantiationsdogma
zurückläßt, hat er es doch vermieden, feine dogmatifche
Überzeugung auf den Gang der hiftorifchen Unterfuchung
Einfluß gewinnen zu laffen. Nüchtern und objektiv tritt
er an die Quellen heran und will wenigftens nicht mehr aus
ihnen machen als hiftorifch möglich ift. So ift es Adam
geglückt, nicht bloß die gefamte bisherige katholifche
Literatur über die Entwicklung der Abendmahlslehre in
der alten Kirche und über die Euchariftielehre Auguftins