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Ausgabe:

1908 Nr. 4

Spalte:

111-113

Autor/Hrsg.:

Di Pauli, Andreas Freiherr von

Titel/Untertitel:

Die Irrisio des Hermias 1908

Rezensent:

Dräseke, Johannes

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III

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 4.

112

Di Pauli, Andreas Freiherr von, Die Irrisio des Hermias. ; tatfächlich in fo vielen ähnlichen Schriften der Fall ge-
(Forfchungen zur chriftlichen Literatur- und Dogmen- j wefen ift. Julians KaiöaQsq, und nach ihm eine ganze
gefchichte. VII. Band. 2. Heft.) Paderborn, F. Schö- I Reihe von Schriften, 10-12, aus naheliegender.Gründen

ohne Veriallernamen überliefert, von den Abfchreibern
irrtümlich unter Lucians Schriften eingefchoben und mit
feinem Namen verfehen, ja noch im fpäteren byzantinifchen
Mittelalter find fatirifche Schriften, wie der Dialog ,Tima-
rion' und Mazaris' Hadesfahrt, unter unmittelbarer Nachwirkung
und in bewußter Nachahmung Lucians entftan-
den. Von (6.) ,Hermiasfpuren bei Nemefius von Emefa,
Theodoret von Cyrus und Äneas von Gaza' (S. 46—49)
kann im Ernft gar nicht geredet werden. Wenn, wie
der Verf. hervorhebt (S. 48), Wendland fich durch des
letzteren Dialog ,Theophraftus' ,fehr lebhaft' an die Irr.
erinnert gefühlt hat, fo geben die von ihm ausgehobenen
Parallelen Wendland entfchieden recht, aber, wie ich
meine, in dem Sinne, daß die kürzere Darftellung der
Irr. aus der längeren des Äneas geflohen ift, was ja
immer als das natürlichere erfcheint, daß alfo Hermias
fpäter als diefer (c. 500) oder gleichzeitig mit ihm geschrieben
hat. Gegen das Fefthalten des 3. bezw. 2. Jahrhunderts
als Abfaffungszeit der Irr. aus dem Grunde, daß
der Neuplatonismus (7. ,Die Irrifio und der Neuplatonis-
mus', S. 5°/50 m'f keinem Worte erwähnt wird, fpricht
der von Harnack (Chronol. II, 196) mit Recht hervorgehobene
Umftand, daß ,auch noch in den fpäteften
Zeiten Wert oder Unwert der griech. Philofophie lediglich
an den älteren Philofophenfchulen nachgewiefen worden
ift (daher mit Ausfchluß der neuplatonifchen), und
eine Fülle kleiner Handbücher, die man benutzte, nicht
über die Placita der Stoiker und Epikureer hinausgingen'.

ningh 1907. (III, 53 S.) gr. 8» M. 1.80

Die Frage nach Herkunft und Abfaffungszeit der
Irrifio des Hermias ift gleich einer Reihe von patriftifchen
Fragen eine von denjenigen, welche durch die Forfchung
je dann und wann neu aufgenommen und mit allerlei
Erwägungen hin- und hergefchoben werden, ohne daß
irgend etwas Erfprießliches dabei herauskommt. Mußte
die in Heft 1/2 des VI. Bandes diefer ,Forfchungen' veröffentlichte
Unterfuchung Brewers über Kommodian von
Gaza als eine glänzende Löfung der um jenen Namen
feit langen Jahren fchwebenden Streitfrage bezeichnet
werden (Theol. Lit.-Ztg. 1907, 3, Sp. 80—82), fo kann
ein Gleiches von der oben genannten in keiner Weife
behauptet werden. Nach meiner Überzeugung bezeichnet
fie einen entfehiedenen Rückfehritt. Obwohl fich, wie
der Verf. ehrlich bekennt (9. ,Schluß', S. 53J, ,direkte
Anhaltspunkte für eine genauere Datierung nicht ermitteln
' laffen, und ,das wenige, das hierbei in Betracht
kommen kann', ,erft mühfam gefammelt und für den
Beweis zurechtgefchnitten werden' muß, fo hat er fich
doch an die ,fehr undankbare' und .ganz außerordentliche
Schwierigkeiten' bietende Aufgabe gemacht. Warum
nur bloß? Theologifches kommt doch fo herzlich wenig
dabei in Frage. Daß der Verfaffer Chrift war, zeigt ,die
Auffchrift der Irrifio' (2. S. 24—32). Aus der ganz
kurzen Erwähnung des Apoftels Paulus und der Stelle
1. Kor. 319 — der Zufatz rufe xrv 'Elläöa xrjv Aaxco-

vixrjv Jtagoixovai] KoQiv&ioig natürlich eine müßige Ein- ,Der Schwerpunkt der Beweisführung' liegt dem Verf.
fchwärzung, aus der, wie auch der Verf. einräumt, ein aber in der von ihm gleich im 1. Abfchnitt (S. 5—24)
Schluß auf den ,Ort der Abfaffung' (8. S. 51/52) nicht in Angriff genommenen ,Ermittelung des Verhältniffes
möglich ift — fowie dem ebendort kurz hingeworfenen der Irrifio zur Cohortatio ad gentiles Diefer ganze AbGedanken
des Eingelfalls als.Urfache, daß die Philofophen j fchnitt ift, da der Verf. im Anfchluß an Widmann, Gaul,
in der Aufftellung ihrer Lehrlatze weder in den Aus- | Knoffalla die Abfaffung der Coh. in den Zeitraum von
drücken noch in deren Inhalt mit einander übereinftimmen', ! 180—220 verlegt und es für ausgemacht hält, daß die

eine Frage, der gleichwohl der Verf. einen befonderen
Abfchnitt widmet (3. ,Das jüdifche Märchen vom Engelfall
in der Irrifio', S. 32—37), ift Beftimmtes nicht zu
erfchließen, aus letzterem jedenfalls nicht der Anfang
des 3. Jahrhunderts als Abfaffungszeit. Mit Recht fragt
Harnack (Chronol. II, 197): ,Fiel man im chriftlichen
Altertum fo plump mit der Tür ins Haus hinein mit
dem feiigen Apoftel Paulus und dem Engelfalle? Diefe
Stelle ift die einzige, die unferer farblofen Schrift P"arbe
gibt'. Aber ,diefe Farbe erinnert nicht an die Apologetik

Irr., von der jene abhängig, noch vor 220 verfaßt fei,
vollftändig verfehlt. Gerade das umgekehrte Verhältnis
ift das Richtige. Eine Benutzung der Irr. feitens des
Verfaffers der Coh. kann, wie Knoffalla gezeigt hat, nicht
bewiefen werden. Und der Zeitanfatz für die Coh. ift
ein unhaltbarer. Schon 1885 habe ich in der ZfKG.
(VII, 257—303) den Nachweis geführt — der Verf. kennt
ihn f. S. 5, Anm. 3 —, daß Apollinaris von Laodicea
die Coh. im J. 362 fchrieb, und habe diefen Nachweis,
befonders auch den fprachlichen (a. a. O. 283—287), in

der vorkonftantinifchen Zeit'. Zu dem eben erwähnten | der ZfwTh. 1900 (XLIII, 227—236) und 1903 (XLVI,
Parergon (3 ) kommen nun aber noch 5 andre, die, aller- i 407—433) im Hinblick auf Gauls verfehlten Verfuch, ,Die
dings ,mühfam gefammelt und für den Beweis zurecht- i Äbfaffungsverhältniffe der pf.-juft. Coh. ad Gr.1 anders

gefchnitten', fämtlich überflüffig find, weil fie zur Ent
fcheidung der Fragen, auf die es ankommt, nicht das
geringfte beitragen. Der vom Verf. (4.) zwifchen ,Tatian
und Hermias' gezogene Vergleich, der ,die Stilähnlichkeit

(f. o.) zu erklären, erheblich verftärkt. Um ihn, der bisher
von niemand, am wenigften von Gaul widerlegt ift,
hat der Verf. fich nicht gekümmert, obwohl Diels und
Asmus, zwei anerkannte, in dem Schrifttum jener Zeit

beider Schriftftücke illuftrieren'will (S. 38), obwohl,weder gründlich bewanderte Philologen, und — was mir 1900

wörtliche noch fachliche Übereinftimmungen zu ermitteln'
find, ift ein Schlag ins Waffer. Was Diels {Doxogr. Gr.
260) betreffs des Hermias längft als das Richtige erkannte,
,ipsum iocandi genus quam non cultissimae, quam isti
volunt, aetati [d. h. dem 2. Jhdt. bezw. Afg. des 3.] re-
spondeat', ließ er in das Urteil ausmünden: ,summa ingenii
artisque inopia in qua insulsissimus ille baro tarn quam
gloriatur labentis aetatis testimonium videtur'. Aber der
Verf. geht (5. ,Lucianus von Samofata und Hermias',
S. 40—45) noch einen Schritt weiter. ,Lucians Schriften',
behauptet er, ,haben ihm direkt die Vorlage gegeben'.
Das kann der Verf. gar nicht beweifen, er befcheidet
fich felbft fchließlich, nur zu behaupten, daß feine Aus

und 1903 entgangen — auch Harnack in feiner Altchriftl.
Litt. I, 782 (anders Chronol. II, 151—158) mir beigeftimmt
haben. Damit find alle vermeintlichen Ergebniffe des
Verfaffers hinfällig. Nur wenige Bemerkungen mögen
noch hinzugefügt werden. Es zeugt von geringer Urteilsfähigkeit
, wenn Di Pauli den Verf. der Coh. als einen
Mann hinftellt, der nur gewohnt fei, ,nach Vorlage zu
arbeiten', ,der mit Schere und Kleifter arbeitet' (S. 7), der
(c. 3) ,die Placita geiftlos ausgefchrieben'. Aber nicht
jede Auslaffung (xal "istxaooq) berechtigt, auf eine be-
ftimmte Abficht oder gar Flüchtigkeit zu fchließen. Wenn
an der eben berührten Stelle im Anfchluß an Anaximenes,
wie bei Eufebios (Praep. ev. XIV, 14, 4. Dind. S. 289, 20)

führungen ,immerhin die Geiftesverwandtfchaft Lucians I Herakleitos fleht, während der plutarchifche Auszug aus
und Hermias' konftatieren' werden. Gewiß, das läßt fich ! Aetios nach Anaximenes erft Anaxagoras, Archelaos,
hören. Eine folche Beeinfluffung kann aber auch noch I Pythagoras, dann erft Herakleitos behandelt, und Eufe-
Jahrhunderte nach Lucian ftattgefunden haben, wie es ja ! bios, der ausdrücklich (XIV, 13, 9. Dind. S. 288, 2—4) feine