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Ausgabe:

1908 Nr. 26

Spalte:

721-722

Titel/Untertitel:

Pseudo-Augustini. Quaestiones veteris et novi testamenti CXXVII 1908

Rezensent:

Souter, Alexander

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721

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 26.

722

durch ihn dem Volk fagen, daß das kollektive Unheil
und die kollektive Predigt ihre individuelle Geltung und
Anwendung haben. Für den Inhalt der Predigt Ez.s ift
charakteriftifch, daß die Unheilspredigt von der Zerftörung j
Jerufalems an die Gola ergeht, nicht an die Jerufalemer
felbft; wobei H. noch deutlicher betonen dürfte, wie
damals die Gola und die Jerufalemer mit der fofortigen
Reftitution rechneten. Über die eschatologifche Natur der
Weisfagungen Ez.s urteilt H. im ganzen richtig: Ez.
benütze die Tag-Jahwes-Vorftellung und Weltkataftro-
phenidee als Bild für die Zerftörung Jerufalems, für das
Gericht über die Völker und das darauffolgende Heil;
dabei fei ihm aber die univerfale eschatologifche Idee
nur abgegriffenes, altbekanntes Bild, nicht reale Erwartung.
Noch richtiger wäre wohl zu fagen, daß der altteftam.
Prophet (wie z. B. auch Jefus in Mark. 13) mit der nächft-
liegenden nationalen Kataftrophe (Untergang Jerufalems
ufw.) fofort auch die endgiltige Löfung der Welt-
gefchichte, den Übergang vom alten in den neuen Äon
realiter erwartet. Das fchroffe Urteil Ez.s über die
Verderbnis des früheren und jetzigen Israel fucht H. aus
dem Zeitbedürfnis, der Gottesvorftellung und dem inneren
Wefen des Propheten zu erklären; der vorzüglichfte Erklärungsgrund
ift das durchgängige apologetifche Bedürfnis
, das Bedürfnis der Theodizee bei Ez.; nicht übel
findet H. auch in Ez. felbft ein ftarkes Ehrgefühl, dem
dann das ftarke Ehrgefühl entfpricht, das Ez. Jahwe zu-
fchreibt. Die eigenartige Vergeltungslehre bezeichnet H.
richtig als rein praktifch in ihrem Ausgangspunkt und in
ihrer Verwendung. Kataleptifche Krankheit will H. bei
Ez. nicht annehmen. Die Vifionen, auch den Grundftock
der Tempelvifion, faßt er als wirkliche Erlebniffe.

Die Brofchüre ift tüchtig und anregend. Stil und
Methode haben zwar teilweife noch etwas Unentwickeltes,
auch ift zu bedauern, daß H. nicht gleich etwas Voll-
ftändiges gab, wodurch manches noch beffer begründet j
würde. Das Bewußtfein der Neuheit feiner Aufhellungen 1
führt den Verf. über die richtige Grenze hinaus. Um
diefe herzuftellen, muß der ganz wefentliche Unterfchied
zwifchen Jef.—Jer. und Ez. wieder betont werden. Das
Buch Ez., auch nach H. im wefentlichen von Ez. felbft
herausgegeben, im einzelnen zuweilen fogar chronologifch j
o-eordnet, ift doch eine ganz andre literarifche Erfcheinung
als z. B. das von Jef. I; der Mann Ez. hat, auch abgefehen
von der Verfchiedenheit des Charakters, doch in wefent-
lich anderem Berufgeftanden als feine großen Vorgänger: j
entfprechend der Zeitlage, der örtlichen Umgebung und J
feiner Naturgabe doch zugleich Schriftlteller und Prediger
im heutigen Sinn neben dem Unheilspropheten. Immerhin j
bleibt es ein Verdienft, daß H. die zwei Thefen zur
Debatte ftellt: Ez. ein Mann der öffentlichen Wirkfamkeit,
ein Unheilsverkünder; Ez.s Buch der Niederfchlag öffentlicher
Prophetenfprüche.

Tübingen. _Volz.

Pseudo-Augustini
Quaestiones veteris et novi testamenti CXXVII.

(cf. ThLZ. 1908, Sp. 595.)

For Prof. Jülicher's kind and important review of my
edition of the above in the Vienna Corpus I owe him
mv best thanks. A word of explanation seems, however, |
demanded in view of the last paragraph. Prof. Jülicher
complains that I have not exhibited both recensions in j
füll in parallel columns. I must take any blame that j
may attach to this. My original intention was to publish
only the 127, because they alone are well preserved.
It was at the Suggestion of the Academy that the Appendix
was added containing the text of the documents with-
drawn by the author in the second edition. I am con- I
firmed in my view of the badness of the text in the
MSS of the earlier recension by the discovery, made at
the eleventh hour, that in one short quaestio the oldest |

and best MS of the earlier recension contains 12 errors
(Proleg. p. XXVI). All important differences between
the two recensions are recorded in the Prolegomena, and
interesting matters of language are incorporated in the
Index uerborum. All these facts would be made per-
fectly clear to all, if the earlier recension were published.
We were of opinion that it would be a waste of paper
to publish it, but if the Vienna Academy agrees, I am
perfectly Willing to publish it either with them or elsewhere.

Oxford. Alex. Souter.

Richter, Dr. Max, Defiderius Erasmus und feine Stellung zu
Luther auf Grund .ihrer Schriften. Mit dem Fakfimile
eines Briefes von Erasmus. (Quellen und Darffeilungen
aus der Gefchichte des Reformationsjahrhunderts.
Herausgegeben von G. Berbig. III. Band.) Leipzig, M.
Heinfius Nachf. 1907. (VI, 69 S.) gr. 8° M. 2.50

Die vorliegende Schrift habe ich mit großer Spannung
in die Hand genommen und mit noch größerer Ent-
täufchung beifeite gelegt. .Erasmus und Luther' ift gegenwärtig
das reizvollfte, aber auch fchwierigfte Problem der
Reformationsgefchichte, jedoch feine Wucht fpürt Richter
gar nicht; ftatt in den braufenden Strudel lebhaftefter
Geiftesfpannungen hineingeriffen zu werden, fahren wir
hübfeh langfam und bedächtig in ftillem Fahrwaffer, in
altem Boote; die modernen Errungenfchaften der Technik,
um im Bilde zu bleiben, kennt diefer Fährmann nicht.
Richter begnügt fich mit einer Analyfe der Korrefpondenz
zwifchen Luther und Erasmus und ihrer Preßfehde, in
der Art, wie Berbig Spalatin und Luther behandelte.
Dabei ift Kalkoff ihm unbekannt, folglich die ganze Zeichnung
der Zeit bis 1521 völlig verfehlt, Allens, Günthers
und Nichols Ausgabe des Briefwechfels des Erasmus
kennt R. auch nicht, von Tröltfch und Kawerau noch
gar nicht zu reden. Ein ,klares Bild' von der Stellung,
die Luther und Erasmus zueinander eingenommen haben,
gibt R. entgegen feiner eigenen Meinung (S. 65) nicht.
Einzelnes lieft fich ja ganz nett, aber das war nicht eben neu.

Die Schrift erfcheint als 3. Heft der Berbigfchen
,Quellen und Darftellungen'. Über diefe Sammlung hat
die Fachkritik bisher ungünftig urteilen müffen. Leider
hebt diefe neuefte Nr. fie nicht, fie ift dilettantifch gehalten
, der Herausgeber hätte eingreifen müffen und dem
Verf., deffen Fleiß und redliches Bemühen gerne anerkannt
fei, die Ziele höher flecken follen. Im Intereffe feines
Unternehmens bitten wir dringend um eine Wertfteigerung
der folgenden Hefte.

Gießen. Köhler.

Pfleger, Dr. Luzian, Martin Eilengrein (1535—1578). Ein
Lebensbild aus der Zeit der katholifchen Reftauration
in Bayern. (Erläuterungen und Ergänzungen zu Janffens
Gefchichte des deutfehen Volkes. Herausgegeben von
Ludwig Paftor. VI. Band, 2. u. 3. Heft.) Freiburg i. B.,
Herder 1908. (XIII, 175 S.) gr. 8° M. 3.60

Das neuefte Heft der Erläuterungen und Ergänzungen
zu Janffen behandelt einen Konvertiten aus einer Stuttgarter
Familie, der im Jahre 1558 oder 1559 unter dem
Einfluß der Jefuiten und eines katholifchen Oheims, des
ofterreichifchen Vizekanzlers Jakob Jonas, in Wien feinen
Übertritt zur katholifchen Kirche vollzog, fpäter dann
hauptfächlich in Wien und in Ingolftadt tätig war, jedoch
fchon 1578 im Alter von 42 Jahren feine Tage befchloß.
Die perfönliche Bedeutung des Mannes beruht weniger
auf großer Gelehrfamkeit als auf einer unermüdlichen
Rührigkeit, die ihm zu lebhafter Polemik auf den ge-
fährdetften Punkten der katholifchen Lehre den Mut gab
und der die Mittel einer wirkfamen Kanzelberedfamkeit
zu Gebot ftanden. Die Darftellung Pflegers bemüht fich

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