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Ausgabe:

1908 Nr. 25

Spalte:

701-702

Autor/Hrsg.:

Sattel, Georg

Titel/Untertitel:

Martin Deutinger als Ethiker 1908

Rezensent:

Zillessen, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 25.

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H. einen andern ausführlicher zu Worte kommen zu laffen , hier nicht weiter nach. Der Verf. fetzt fich zugleich fort-
oder felbft fich in diefer Weife über ihn zu verbreiten, j laufend mit Gomperz (Lebensauffaffung der griechifchen
Kühn ift ein vortrefflicher Hamann kenn er. Er deutet 1 Philofophie) und Th. Ziegler auseinander. Von den
in der Vorrede an, daß H. ihn feit feiner Studentenzeit Jefuiten geht er gleich zu Kant, Hobbes, Spinoza über,
begleitet hat. Und fchon 1877 gab er durch Heraus- ; die Reformation wird nicht behandelt.— Der 3., pofitive
gäbe der ,Magi aus dem Morgenlande zu Bethlehem' 1 Teil (191—299): Die fittliche Betätigung der Religion
und der ,Sokrat. Denkwürdigkeiten' feinem Wunfche, H. ( gibt in den üblichen drei Abfchnitten (fittliches Handeln
Lefer und Schüler zu werben, Ausdruck (f. meine Anzeige im allgemeinen; Pflicht; Tugend) einen Abriß der philo-
in diefer Zeitfchrift 1878, Kol. 66). Das vorliegende j fophifchen Ethik D.s aus dem Prinzip der Liebe heraus,
kleine Buch ift in gewiffem Sinne die zweite Auflage zu i Hier kommt zum Ausdruck, wie fehr D. Voluntarift ift.
dem damaligen Heftchen. Die ,Magi' find nicht wieder j An D.s Gnadenlehre tadelt der Verf., daß fie die Gnade
abgedruckt, dagegen wohl die in der Tat befonders | faffe als eine Verftärkung in der Richtung der Natur

eigenartigen und, wenn man will, fchönen .Denkwürdigkeiten
'. Sie find die einzige Schrift H.s, die Kühn diesmal
vollftändig bringt, fonft bringt er nur einleitende
Skizzen und Auszüge, letztere mit guten Noten. Über
das Detail mögen Hamannkenner ftreiten, ich felbft rechne

felbft und der natürlichen Vervollkommnung, ftatt als
eine über die Natur wefentlich hinausgehende Erhebung.
Er verwirft es ferner, wenn D. fagt: mit dem Maßflab
objektiver Gefetzmäßigkeit ganz gute und ganz böfe
Handlungen unterfcheiden zu wollen, fei ein verkehrtes

mich nicht in dem Sinne zu ihnen, daß ich an folchem i Unternehmen, wie er auch D.s fcharfe Kritik der jefuiti-

Streite mich beteiligen möchte oder könnte. Ich habe fchen Kafuiftik und des Probabilismus lebhaft ablehnt

die mitgeteilten Stücke aus H. einfach unter dem Gefichts- j und nicht einverftanden ift mit feiner Beziehung der

punkt auf mich wirken laffen, ob fie wohl geeignet feien, j Todfünde auf das, was die Richtung zum moralifchen

für den ,Magus' zu intereffieren. Ich meine, daß das j Tode in fich trägt (nicht auf die beftimmte einzelne

durchaus der Fall ift. Wer viel lefen muß, kann nicht Handlung). In all diefen Fallen zeigt fich D. als der

gerade viel Hamann lefen. Denn wunderlich bleibt
mehr an ihm, als bequem ift. Aber wer Zeit hat, kann
bei H. ungewöhnlich reiche Anregung finden. Und es

frömmere Denker, der gegenüber dem verfteckten fitt-
lichen Dualismus der Kirchenlehre für eine ftrengere
und geiftigere Faffung des Sittlichen eintritt. Charak-

ift in der "Sache wahrlich nicht veraltet, was er bringt, j teriftifch ift auch D.s Satz: Nicht die mangelhafte Er-

p Kattenbufch. kenntnis erzeuge einen verkehrten Willen, fondern aus
nauc a. einem verkehrten Willen gehe der Irrtum in der Erkenntnis
hervor. Der Verf. verwirft D.s Trichotomie
Sattel, Dr. Georg, Martin Deutinger als Ethiker. Fun Bei- und bezeichnenderweife auch feine Ablehnung des Untertrag
zur Gefchichte der chriftlichen Ethik im 19. Jahr- fchieds zwifchen Pflicht und Rat. Er lobt D.s Freiheitshundert
. (Studien zur Philofophie und Religion, heraus- ! begnfl" und findet in feiner Ausführung der theonomen

t> C--1 1 t? n^ v^A^u^r, TT chriftlichen Ethik die berechtigten Forderungen von

crpcrehen von R Stolzle. Erltes Heu. Paderborn, r. A , , „ . .ö .... ^. ..

gegcucu vuii iv. uiu^iv.. 1 , Autonomie und Heteronomie in höherer Einheit ver-

Schöningh 1908. (VIII, 304 S.) gr. 8° M. 5.60 bunden.

Die vorliegende Schrift eröffnet eine Reihe von ,Stu- j Die Schrift hinterläßt den Eindruck, daß diefer ka-
dien zur Philofophie und Religion', die de£ katholifche ' tholifche Ethiker trotz fpekulativer Gewaltfamkeiten und

Philofoph Stölzle in Würzburg herausgibt. Der Verf. hat
bereits in feiner Differtation die Gotteslehre Deutingers,
diefes geiftvollen und energifchen fpekulativen Denkers
aus dem Kreife der Schüler Baaders, behandelt (Regensburg
1905) und gibt hier ein Bild des Ethikers, wefentlich
auf Grund der aus D.s Dillinger Zeit flammenden

gelegentlicher Sophismen (Freiheits-Beweife!) als reicher
und freier Geift auf Berückfichtigung auch durch unfere
theologifche Ethik Anfpruch habe. Methodifch und
denkgewandt enthält fie fich doch nicht genug des der
Scholaftik geläufigen panegyrifchen Tons und zeigt den
Verf. als kirchlich korrekten Kritiker, der an entfchei-

Moralphilofophie (18476".). In der Einleitung bemerkt denden Punkten gar nicht den Verfuch macht, mit eig-

er gegen Commer: weder fei Schell bei zahlreichen Über- nen Gedanken zu widerlegen, fondern einfach feinen

einftimmungen mit D. nicht original, noch berechtige Diffens ausfpricht und dann der Kirchenlehre wie felbft-

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deren Nachweis zu dem (übrigens dem bekannten Luther-
töter nachgeäfften) Ausruf: Schell, an deiner Lehre ift
nicht viel Katholifches mehr! — Im 1. fpekulativen
Teil (3—63) befpricht der Verf. Deutingers Freiheitslehre
. D. ift kein Anhänger des liberum arbitrium iu-
diffcrcntiae. Die Freiheit des Menfchen befteht nicht
darin, daß er alles kann, was er will, fondern daß er
will, was er kann und foll. D. fpricht von einer relativen
Willensfreiheit, die in ihrer Betätigung an natürliche
Urfachen gebunden, nur in der Wahl der Zwecke,
nicht in der der Mittel und Organe unferer Handlungen
frei ift. An Kant tadelt er, daß er die Vernunft zur
Gefetzgeberin mache. Das Vernunftgefetz fei ein von
Gott für die Natur des vernünftigen Denkens, nicht ein
von der denkenden Vernunft für die menfchliche Natur
und die fittliche Freiheit gegebenes Gefetz. Der fittliche
Wert liege nicht in der Unterwerfung des Willens unter
jenes Gefetz, nur in feiner freien Anwendung. — Ein
2., hiftorifcher Teil (64—190) behandelt die gefchicht-
liche Entwicklung des Zufammenhangs von Religion

verftändlich das letzte Wort gibt.

Lobberich. Alfred Zilleffen.

Braig, Prof. DD. Karl, Modernltes Chriltenium und moderne
Religionsplychologie. Zwei akademifche Arbeiten.
Zweite Ausgabe. Freiburg i. B., Herder 1907. (VI,
150 S.) 40 M. 4 —

Diefes Buch bietet zwei Abhandlungen, 1. die, wie

es fcheint, erweiterte Wiedergabe einer Rede, die der

Verf. bei der Prorektoratsübernahme an der Üniverfität

FYeiburg 1907 über ,Das Dogma des jüngften Chriften-

tums' gehalten hat; 2. die Reproduktion einer Feftfchrift

zum 80. (der Verf. fagt 81.) Geburtstag des jüngft ver-

ftorbenen Großherzogs Friedrich I. von Baden über ,den

Urfprung der religiöfen Vorftellungen und die Phantafie'.

In der erften kürzeren Arbeit gibt der Verf. eine Skizze

des neueften Chriftentums, als deffen Vertreter die ver-

fchiedenften Geifter erfcheinen; dann lehnt er als gläubiger

. ^ „ konftruier- ! Katholik das von ihm konfluierte .modernde Chriften-
und Sittlichkeit in einer fehr ltark lpeKuiauv ^ ^___I ^—( r_,Lfl _ „, ,,,.,_

ten Gefchichte der Ethik. In Griechenland fucht man | tum' felbftverftändlich gänzlich ab, billigt aber einen ,den
die Antwort auf das ethifche Problem bei der Natur; , tieferen Sinn wohltuend anfprechenden' Zug an der neuen
in Afien hat die Führung in der Entwicklung die Gottes- : Richtung, den .Hauch des Idealismus, den die meiften
idee- den notwendigen Faktor zur Löfung bringt erft die Arbeiten der negativen, liberalen Theologen atmen'
Offenbarung des Chriftentums. Ich gehe der Ausführung ; (S. 31 f.). Eine Auseinanderfetzung mit der Apologetik