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Ausgabe:

1908 Nr. 24

Spalte:

679

Autor/Hrsg.:

Voigt, Heinrich Gisbert

Titel/Untertitel:

Brun von Querfurt als Missionar des römischen Ostens 1908

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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679

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 24.

680

Voigt, H. G., Brun von Querfurt als Millionär des römilchen
Olfens. Mit einer Karte. Prag, F. Rivnäc 1908. (39 S.)
Lex.-8° M. —80

Nachdem ich in Nr. 11 diefes Jahres die große Monographie
Voigt's über Brun hier angezeigt habe, möchte
ich nicht unterlaffen, auf die oben bezeichnete Nachtrags-
ftudie des Verf.s auch hinzuweifen. Am 9. März 1909
werden 900 Jahre vergangen fein, feit Brun als Nachfolger
Adalberos von Prag unter den Preußen den Tod
als Märtyrer erlitt. Voigt geht noch einmal auf die Frage
nach der Örtlichkeit, wo Brun fein Ende fand, ein und
glaubt fie jetzt genauer und einigermaßen anders als in [
dem Hauptwerke beftimmen zu können, nämlich als ,die
nähere oder fernere Umgebung von Johannisburg'. Die
fehr exakte, eindringliche Unterfuchung wird den Lokal-
hiftorikern von Oftpreußen willkommen fein. Sie bildet
in obiger Abhandlung doch nur den Schluß. Den Hauptteil
bildet dagegen eine Wiederaufnahme der Frage nach
den ,fchwarzen Ungarn', denen Brun, ehe er nach Preußen
ging (gehen konnte), wie in einer Epifode das Evangelium
verkündete. Voigt identifiziert fie jetzt, einer Anregung v.
Schubert's folgend, mit den Szeklern. Die fubtilen Erwägungen
verfchiedenfter Art, die fcharffinnigen gelehrten
Kombinationen verfprengter Quellennotizen, die V. vorbringt
, gewinnen das Intereffe eines jeden, der methodifch j
betriebene Kleinarbeit zu fchätzen weiß. V.'s Studie
gewinnt aber dadurch noch ein höheres Intereffe, daß fie
wahrfcheinlich einen großen, recht eigentlich von den
politifchen Gedanken Otto's III. getragenen Plan Brun's
erkennbar macht. Brun's gedachte ,Erzdiözefe' würde
fich auf der ganzen Linie örtlich der Erzdiözefe Gnefen
der Kirche von Kiew vorgelagert haben und hätte, wenn
fie zuftande gekommen, gewiß den Sieg der Kirche von
Byzanz in diefen Strichen, vielleicht überhaupt die dauernde
Hineinbeziehung der Kuffen in diefe Kirche verhindert.
Brun's kühner Vorftoß bis zu den Petfchenegen gewinnt
dabei vollends einen bedeutfamen Hintergrund; Brun
war auch trotz Otto's Tod, wie es fcheint, ein Pionier des
Gedankens von der Wiederherftellung des einen, unter
dem Kaifer und dem Papfte flehenden alten römifchen
Reichs.

Halle a. S. F. Kattenbufch.

Baumgarten, Paul Maria, Aus Kanzlei und Kammer. Er- ;

örterungen zur kurialen Hof- und Verwaltungsgefchichte [
im XIII., XIV. und XV. Jahrhundert. Builatores. Taxa- j
tores domorum. Cursores. Freiburg i. B., Herder, 1907.
(XVIII, 412 S.) gr. 8« M. 20 —

Ein jeder, der fich mit päpftlicher Diplomatik oder
kurialer Verwaltungsgefchichte befchäftigt, wird die neue
Publikation Baumgarten's mit dankbarer Freude begrüßen.
Jahrelang in Rom anfäffig, hat B. in unausgefetzter Arbeit
das gewaltige Material, das die Beftände des vatikanifchen
Archivs und befonders die Verwaltungsakten der Camera
apostolica für die innere Gefchichte der Kurie bieten,
kennen gelernt wie kaum ein anderer. So ift es ihm
gelungen, auf Grund einer Unzahl fleißig gefammelter
Notizen und Einzelbeobachtungen unfere Kenntnis vom
inneren Leben des päpftlichen Hofes in fchätzenswertefter
Weife zu vertiefen und anfchauliche Bilder von dem
Wirken des größten mittelalterlichen Verwaltungsapparates
zu entwerfen.

Die Tätigkeit beflimmter Ämter und Beamtengruppen
an der Kurie bildet den Gegenfland der in diefem Bande
vereinigten Unterfuchungen. Der Hauptanteil entfällt auf
das päpftliche Siegelamt, die builatores oder ,/ratres
barbati', jene Zifterzienferkonverfen, denen das wichtige
Gefchäft der Befiegelung aller von der Kurie ausgehenden
Schreiben oblag. B. gibt zunächft (Kap. 1) eine mit
iographifchen und Amtsdaten reich ausgeftattete Lifte i

diefer Beamten vom Anfang des 14. bis zum Ende des
15. Jahrhunderts; ihr Privatleben und ihre dienftliche
Tätigkeit find in den folgenden Abfchnitten in eingehender
Detailfchilderung dargeftellt. Man erfährt, wie die Bulla-
toren, obwohl Subalterne, entfprechend der Wichtigkeit
des ihnen anvertrauten Amtes, urfprünglich vom Papfte
perfönlich vereidigt wurden; wie fie den Familiaren-Titel
und Privilegien verfchiedener Art erwarben; wie fie nach
dem Tode des Papftes beim Einbalfamieren des Leichnams
Handreichungen zu leiften hatten; wie fie, die bekanntlich
Analphabeten fein mußten — eine Vorfichts-
maßregel, die einen Mißbrauch der ihnen zur Befiegelung
übergebenen Urkunden ausfchließen follte — durch Aufteilung
fchreibkundiger Kleriker die Wirkung diefer Maßregel
zu verhüten wußten. So konnten fie zu den ohnehin
hohen Einnahmen ihres Amtes noch allerhand unredlichen
Gewinn erwerben und find oft, wie ihre Teftamente
zeigen, zu hohem Wohlftande gelangt. — Mit was für
Werkzeugen und Material (Stempel, Bullenfchnüre, Blei ufw.)
die Bullarie arbeitete, wird im 5. Abfchnitt anfchaulich
gezeigt; fehr willkommen find die Auffchlüffe über die
Preife der einzelnen Gegenftände und die ausführlichen
Angaben über die Pergamentanfchaffungen der Kanzlei.
Als befonders wichtig möchte ich von den technifchen
Kapiteln des Buches noch das 9. hervorheben: ,Die Befiegelung
der Urkunden', in dem B. der übrigens fchon
von Tangl erfolgreich bekämpften Diekamp-Kaindl'fchen
Hypothefe, nach welcher die gewöhnlichen Papfturkunden
durch die Bullenfchnüre verfchloffen gewefen wären, überzeugend
widerfpricht. Diekamp hatte feinen Beweis hauptfächlich
auf die Durchfägung einer Bleibulle geftützt; B.
hat das Experiment wiederholt und fein Befund war
gerade der entgegengefetzte. —

Die Tätigkeit einer anderen kurialen Behörde, der
taxatores domorum, des Händigen Wohnungsausfchuffes,
fchildert Kap. 2. Befondere Beachtung verdient hier ein
auch für die römifche Topographie wertvolles Aktenftück:
ein Plan zur Befchaffung von Wohnungen für die Kardinäle
bei der Rückkehr Gregor/s XI., 1378, fowie eine etwa
aus gleicher Zeit flammende Überficht über das erflaun-
lieh ausgedehnte Anwefen eines einzelnen Kardinals in Rom.

Kap. 9 befchäftigt fich mit einer dritten Beamtengruppe
, den Cursores, den päpftlichen Boten. Die hier
zufammengeftellten Zeugniffe beweifen, daß diefe cursores
ihre Berufspflichten zwar fchnell und gewiffenhaft zu
erledigen pflegten, daß aber Disziplinlofigkeit und Unbot-
mäßigkeit gerade in diefem collegium zur jahrhundertelang
geübten Tradition wurden.

Ein reichhaltiger Urkundenanhang, darunter mehrere
intereffante Teftamente und Vermögensinventare, ift beigegeben
. Lob verdienen die forgfältig gearbeiteten Re-
gifter, die für ein folches Buch doppelt wichtig lind. —

B. hat eine eigentümliche Technik der Darftellung.
Er liebt es, die Quellenzeugniffe für fich reden zu laffen,
den Wortlaut der Quelle in den Text einzureihen, um fo
,die Unmittelbarkeit des Eindrucks zu erhöhen' und dem
Lefer zugleich eine Handhabe der Kritik zu bieten. Für
Publikationen von der Art der vorliegenden ift diefes
Verfahren wohl angemeflen, nur möchte man hier und
da einige Einfchränkung wünfehen; fo war es kaum nötig,
den von einer deutfehen Archivverwaltung erteilten Be-
fcheid auf eine Anfrage in extenso mit den Unterfchriften
in die Darftellung einzufügen (S. 206). — Daß B. in feiner
Neigung zur Gründlichkeit bisweilen etwas zu weit geht
— fo z. B. S. 121 ff. in der wohl entbehrlichen Zufammen-
ftellung über Farbe und Dicke der Bullenfchnüre — ift
kein fchwerwiegender Vorwurf. Bei Arbeiten diefer Art,
die nur einmal gemacht werden können, kann in dem
Beftreben, das einmal Gefundene nicht wieder verloren
gehen zu laffen, wohl gelegentlich des Guten zuviel ge-
fchehen.

Alles in Allem: ein gründliches und lehrreiches Buch,
das nicht bloß für Diplomatik und Verwaltungsgefchichte,