Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1908 Nr. 23

Spalte:

648

Autor/Hrsg.:

Prince, J. Maurice

Titel/Untertitel:

The Ancestry of our English Bible, an account of the bible versions, texts and manuscripts 1908

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

647

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 23.

648

Worte für fich und die Lefer zu finden, wobei es doch
nicht ganz ohne Konzeffionen abgeht. Bei den Pafioral-
briefen find vielleicht ,mündliche Äußerungen des Paulus
dem Wortlaut der Briefe von den Empfängern als
Randbemerkungen einverleibt worden' (S. 102). Der Jakobusbrief
ftammt zwar inhaltlich von Jakobus, ift aber
nur ,eine Sammlung von Anfprachen des Jakobus an
die Gemeinde zu Jerufalem, welche von einem Zuhörer
aufgefchrieben und als ein Gruß des ehrwürdigen Vor-
ftehers an die Judenchriften der Diafpora gefandt worden
find'(S. 140). Im 2. Petrusbrief kann zwar petrinifches
Gut verarbeitet fein, aber fo wie er ift, ftammt er nicht
von Petrus (S. 163). Auch beim Apofteldekret Act.
15 ift vielleicht die freundfchaftliche Verabredung wegen
der vier Enthaltungen zu fehr als ,Apofteldekret' gefaßt
(S. 247 f.). Mit folchcn Mittelchen wird hier das kritifche
Gewiffen befchwichtigt. — Nur nebenbei fei noch bemerkt
, daß nach S. 147 ,durch den Fund der Mrs. Lewis
1896 ein Teil des hebräifchen Jefus Sirach ans Licht
gekommen iß'. Daß zu dem einen Blatt, welches Mrs.
Lewis 1896 gefunden hat, bald darauf (bis 1900) durch
Andere noch 29 hinzugekommen find, fcheint dem Verf.
nicht bekannt geworden zu fein.

Alles in allem können wir nicht wünfchen, daß
unfere Studierenden aus diefem Buche ihre Kenntniffe über
,Einleitung in das N. T.' fchöpfen.

Göttingen E. Schürer.

Pott, Divif.-Pfr. Auguß, Der Text des Neuen Teltamentes nach
feiner gefchichtlichen Entwickelung. Mit 8 Tafeln. (Aus
Natur und Geißeswelt. 134. Bändchen.) Leipzig, B. G.
Teubner 1906. (IV, 108 S.) 8° M. 1 —; geb. M. 1.25

Das Werk will eine populäre Darßellung der Ergeb- j
niffe der neuteßamentlichen Textkritik geben. Anzu- ;
erkennen iß die frifche und flotte Art der Darßellung.
Weniger zu loben iß die fachliche Haltung. Man möchte
bei einer populären Einführung in diefe fchwierige Materie
mehr und vor allem beffer geordnetes Material wünfchen
und weniger Räfonnement. Das Büchlein iß zum Teil
eher ein Plaidoyer für m. E. meiß recht unglückliche
unhaltbare Auffiellungen (Refchs hebräifches Urevange-
lium und Blaß' textkiitifche Hypothefen) als eine whk-
liche, befonnene und vorurteilslofe Einführung in die
Textkritik. — Eine Reihe überaus kühner, z. T. direkt
falfcher Urteile dürfte auch gerade in einem Werk, wie
der Verfaffer es liefein will, nicht vorkommen. So finden
wir S. 20 die Behauptung, der Hirt des Hermas zitiere
aus der Verklärungsgefchichte in wörtlicher Überein-
ßimmung mit Cod. D. Tatfache iß doch nur, daß es im
Hirten Visio V 4 bei der Schilderung der Erfcheinung
des Poimen heißt: T]lXoi<a&ri fj löta avrov, und diefelben I
Worte Lk. 9, 29 D fich finden. Pott hat hier feinen
Gewährsmann Refch in der Sicherheit der Behauptung
noch übertrumpft. Woher weiß ferner Pott (S. 25), daß
Tatian fchon um 150 in Rom fein Diateffaron verfaßt
hat? Daß der vorkanonifche Text (ü) im zweiten Jahrhundert
in Kleinafien, Rom, Nordafrika und Frankreich
bekannt gewefen fei (S. 31), iß eine Übertreibung. Vom
Text des 2. Jahrhunderts in Kleinafien und Nordafrika
wiffen wir nichts. Jußin, Marcion (Irenaus) find Zeugen
für den römifchen Text. Der /vorkanonifche Text' iß
aller Wahrfcheinlichkeit nach der Text von Rom. Woher
weiß Pott, daß die lateinifche Überfetzung c. 150 in Nordafrika
entßanden fei, und woher das übrige, das er S. 47 |
über die Entßehung diefer Überfetzung mitteilt? Daß
die Kindheitsgefchichte bei Tatian fehlt, iß ein Irrtum;
er follte wohl heißen ,die Gefchlechtsregißer'. S. 55 wird
die Hypothefe von Neftle aufgewärmt, wonach die Va-
rianten Apg. 3, 14 ?]Qv?jöao&t: sßaQvvavE (D) auf hebr.
kepartem refp. kebartem zurückzuführen feien. Aber die
Annahme einer hebräifchen Quelle für den erflen Teil

der Apg., die D noch zugänglich gewefen fein foll, iß
überhaupt kaum diskutierbar. Die Erklärung liegt näher.
Im Griechifchen wurde aus rjQvrjöaaB-s nach dem folgenden
Wort 7)TT]Oaö9-£. Der Lateiner las dann ßatt des
unverßändlichen TjrijaaGd-s: rjriaöaa&s und überfetzte
! aggravistis (grabastis); daraus entßand durch Rück-
j überfetzung in D eßctQVvctTE. — Das Intereffe des Ver-
I faffers iß übrigens fo fehr auf den vorkanonifchen Text
gerichtet, daß er unter den ägyptifchen Jberfetzungen
! nur die fahidifche, nicht die koptifch-memphitifche, diefe
für die Textgefchichte wegen ihrer Übereinßimmung mit
Bn fo überaus wichtige Rezenfion erwähnt.

Göttingen. Bouffet.

Prince, J. Maurice, Ph. D., The Ancestry of our English Bible,

an aecount of the bible versions, texts and manuscripts.
Philadelphia, The Sunday-School Times Company
1907. (XXIV, 330 p.) gr. 8» $ 1.50

Das Buch iß aus populären Vorträgen, die 1904 in
Sonntagsfchul-Stunden gehalten wurden, entßanden. Der
Verfaffer beablichtigt offenbar, gebildete Bibellefer in die
Gefchichte der Entßehung ihrer Bibel einzuführen. Und
er tut das in einer außerordentlich gründlichen Weife.
Was er giebt, iß eigentlich eine ganze Gefchichte des
Textes des neuen und des alten Teßaments unter be-
fonderer Berückfichtigung der Gefchichte der englifchen
Bibel. Der Lefer erfahrt fo das Wefentliche über die
hebräifche Sprache des alten Teßaments, Einteilung des
hebräifchen Textes, Vokalifation, Manufkripte, alte Drucke,
über den famaritanifchen Pentateuch, die Septuaginta und
die mit ihr rivalifierenden Überfetzungen, über die übrigen
Überfetzungen, die Apokryphen und ihre Entfernung aus
der englifchen Bibel (Kap. 3—12). Es folgt eine ebenfo
gründliche Unterweifung über das neue Teßament, über
Ünzialen und Kurfive, die wichtigßen Plandfchriften, die
lateinifchen, fynfchen und die übrigen Überfetzungen, über
die einzelnen Textklaffen und Gruppen (im Anfchluß an
Weßcott-Hort), über Regeln der Textkritik. Befonders
reich iß endlich die Gefchichte der englifchen Bibel; von
Wycliffes Überfetzung an und der grundlegenden kühnen
Arbeit Tyndales über Coverdales Bibel, the Great Bible,
die Bifchofsbibel, die autorifierte Überfetzung von 1611
bis zu den revidierten Ausgaben in England (1884—1885)
und Nordamerika (1901) mit ihrem ungeheuren Erfolg
iß die Entwicklung klar und gut gezeichnet. Das Ganze
kann als Mußer einer populären Darßellung gelten, die
doch außerordentlich gründlich zu Werk geht und den
Lefern ein reichliches Maß von Mitarbeit zumutet. Das
Geficherte und Wiffenswerte iß überall mit richtigem
Blick erkannt, nirgends werden vorübergehende Hypothefen
und Einfülle, die kommen, um wieder zu verfchwinden,
vorgetragen; und alles Einzelne ßeht an feinem richtigen
Platz.

Göttingen. Bouffet.

Zeitfchrift für Schweizerifche Kirchengefchichte. Revue d'Hi-
stoire Ecclesiastique Suisse. Herausgegeben von Proff.
Albert Büchi und Joh. Peter Kirfch, Redaktions-
fekretär: Dr. Marius Beffon. I. Jahrgang. 4 Hefte,
gr. 8° Stans, H. von Matt & Cie. fr. 6 —

Lebhaft iß es zu begrüßen, daß die Katholiken der
Schweiz unter Führung der Freiburger Univerfitätspro-
fefforen, Alb. Büchi, Joh. Peter Kirfch und Marius Beffon
fich ein Organ für Kirchengefchichte der Schweiz ge-
fehaffen haben, von dem jetzt der erße Jahrgang unter
der Redaktion von Beffon in 4 Heften vollßändig vorliegt.
Was hier geboten iß, beweiß den Ernß des Forfchens,
der angeßrebten Objektivität in der Darßellung und das
maßvolle Urteil. Gemäß der Zufammenfetzung der Schweiz