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Ausgabe:

1908 Nr. 23

Spalte:

635-642

Autor/Hrsg.:

Helbing, Robert

Titel/Untertitel:

Grammatik der Septuaginta 1908

Rezensent:

Wackernagel, Jakob

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 23.

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dargelegt, fondern nur angedeutet habe. Auch meine j
dortige Gruppierung in den Israel-Jakob- und Zion-Jeru- |
falem-Kreis darf S. nicht gegen mich wenden; die E.-J.- I
Per fonifikation darf nicht mit der Israel-Jakob-Figur
konfundiert werden, fie fleht für fich. Auch 44, 21 f. handelt
es fich um Sünden Israels, nicht des Ebed; ,Ebed' ift da
ein Neues, Zweites. Feldmanns Behauptung, die Ebed-
Bezeichnung, dem Volk bekannt, habe einen von felbft
einleuchtenden Inhalt, hat er felber S. 80 nicht bewiefen.
— Der Verfuch S.s, die prophetifchen Züge zu befeitigen,
ift gewaltfam, folange der J|27T 50, 4 nicht erwiefen und j
die D'HTab daftehen und auch fonft Stellen genug an
1 R 19, S Jer 15. 20 u. a. erinnern. — In der Ablehnung j
der Greßmannichen Mythologifierung des E. hat S. unbedingt
recht (53, 2inS13, 53- 1°, 42, 7 49, 5.6.8). Dagegen
machen mir die Hymnenparallelen fehr wenig Eindruck:
nicht in den E.-J.-Stücken, in den Pfalmen finden fie ihre !
Pendants. Daß 51, 1642, 1949, 16b 61, 1—3a Bruchftücke j
aus dem weiteren E.-J.-Zyklus feien, fcheint mir höchftens
bei letzteren beiden als vage Vermutung gewagt werden
zu können. JT-iK -joi = das Land giünden (51, 16) ift durch
den fonftigen Gebrauch von "ID"1 ausgefchloffen, gerade
bei Dtjef. (D^pn); wir haben hier nur einen Nachklang
der Phrafe V. 13, der V. ift Geröll. Doch ich muß vieles
andere unbefprochen laffen und verweife zur Begründung
meiner Urteile auf meine teils ZAW 24, teils ThLZ 1903
Nr. 5 bei der Befprechung von Giefebrechts Knecht
Gottes fkizzierte Gefamtanfchauung.

Die Schrift ift mit der Sellin eignen Beherrfchung j
des AT.Materials und kombinatorifchen Lebhaftigkeit
gefchrieben; auch wer feine Konftruktion ablehnt, verdankt
ihm immer wieder neue, anregende Gefichtspunkte. Sie
würde aber m. E. für die Arbeit am Problem wertvoller
fein, wenn fie Sicheres, kritifch Erhobenes und hypothetifch
Kombiniertes ftrenger gefchieden und, ftatt fukzeffiv
glatter zu harmonifieren, vielmehr felbftverleugnender die j
auch auf ihrem Rücken bleibenden cruces hätte fehen laffen.

Lobberich. Alfred Zilleffen.

Helbing, Mädchengymn.-Prof. Dr. Robert, Grammatik der
Septuaginta. Laut-und Wortlehre. Göttingen, Vanden-
hoeck & Ruprecht 1907. (XVIII, 149 S.) gr. 8°

M. 6—; geb. M. 6.60

Der Verf. des vorliegenden Buches genießt den Vorzug
, einem Bedürfnis entgegenzukommen, das heute ftärker
als je empfunden wird. So bequem zu überfehen der
Wortfehatz der Septuaginta durch die bekannten Sammelwerke
ift, eine fyftematifche Darfteilung der Sprache nach
Lauten, Worten und Sätzen wurde bis jetzt vermißt.
Unter den vom Verf. S. III aufgeführten Vorarbeiten
greifen die in ihrer Art ausgezeichneten Werke von Sturz
und Thier fch nur Einzelnes heraus. Was aber Conybeare
und Stokes ihren 1905 erfchienenen Selections from the
Septuagint vorausfehicken, heißt zwar Grammar of the
Septuagint und ift an fich verdienftlich und praktifch.
Aber eine fo fkizzenhafte fummarifche Darfteilung auf
hundert kleinen Oktavfeiten kann bloß dem Anfänger
genügen. Helbing hat fich fein Ziel höher gefleckt: er
will eine vollftändige Grammatik großen Stils liefern, wo
der ganze Stoff (vorläufig unter Befchränkung auf Laut- und
Wortlehre) beigebracht und wiffenfchaftlich gewürdigt ift.
Hat er fein Ziel erreicht?

Helbing ift auf dem Felde fprachlicher Forfchung
kein Neuling. Seine 1904 erfchienene Schrift ,die Prä-
pofitionen bei Herodot und andern Hiftorikern' (Beiträge
zur Hiftor. Syntax von Schanz, Heft 16) zeigt ihn mit
der Methode fprachftatiflifcher Forfchung vertraut. Und
wie für jenes Werk, hat er es auch für diefes neue an
Fleiß nicht fehlen laffen. Die ganze Reihe der Septua-
gintatexte mit Finfchluß der hexaplarifchen Fragmente der
andern alten Überfetzungen hat er felbfttätig durchgearbeitet
und hat fich außerdem nach den Parallelerfchei-
nungen in den chriülichen und in den profanen Texten,
vor allen in den mit der griechifchen Bibel gleichzeitigen,
fleißig umgefehen. Eine ftupende Fülle bibliographifcher
Nachweife wird vor dem Lefer ausgebreitet, fo daß man
leicht den Eindruck bekommt, einer hervorragend gelehrten
Leiflung gegenüber zu flehen. Daraus mögen fich die
bisherigen günftigen Urteile über das Buch erklären.

Ob die eigentliche Septuagintaphilologie mit Helbing
zufrieden fein daif, darüber kann ich nicht maßgebend
urteilen. Vielleicht wird man es befremdend finden, daß
er die ganze Minuskelüberlieferung beifeite gelaffen hat,
daß Text und Varianten der Swete'fchen Ausgabe die
einzige Grundlage feiner Durchforfchung der Septuaginta
gebildet haben. Als Laie muß ich diefe Befchränkung
willkommen heißen. Nur durch fie war beim gegenwärtigen
Stande der Septuagintaforfchung überhaupt zu einem
Ziele zu gelangen; und der wertvollfte und beft bekannte
Teil der Überlieferung ift jedenfalls verwertet. Ift er
richtig verwertet?

Die Methode der Berichterftattung über fprachliche
Dinge ift heute fo ausgebildet und durch zahlreiche vorzügliche
Werke fo exemplifiziert, daß man hohe Anforderungen
ftellen darf. Vor allem kommt es auf Präzifion
und abfolute Sachlichkeit an. Davon hat der Verf. nur
eine fchwache Ahnung. Beftändig wird man mit ,ufw.'
,in der Regel' ,immer' abgefpeift, ftatt daß die Beispiele
felbft vorgeführt oder wenigftens ihre genaue Zahl genannt
würde. Und wo eine beftimmte Form gebracht
wird, bekommt man zumeift nicht zu lefen, was im Texte
felbft fleht, fondern die erfte Form des betr. Paradigmas.
Das erfchwert oft die richtige Würdigung einer Erfchei-
nung. S. 34 mußte bei aÖ£X(piö6g gefagt werden, daß
auch üöelipiööv und aöeX<pidi vorkommen. S. 89 wird
aus Höh. 1,4 dyaueö zitiert: in Wirklichkeit fleht ÖQa/iovfisv
da, und das könnte trotzJofeph Bell. lud. I, 18 IxiÖQajiöjQ)
aus ÖQajiovfiai oder ÖQa/iov/iE&a entftellt fein. S.90 ill für II
Ma. 15,7 ereugß behauptet: aber man lieft dort rcvgaod-cu
im Sinne von revgtöO-cu, woraus es wohl entftellt ift. Oft
wird nur das Abnorme erwähnt, nicht aber für das Normale
die Gegenbeifpiele gegeben, fo daß man vom Umfang der
betr. Erfcheinung keine Vorftellung erhält. So S. 41 beim
Gen. pl. der Neutra auf -05 und S. 63 beim Aorift elXa(ir)v:
dXÖfirjv. S. 68 wird für die III. pl. opt. aor. I. -aaisv
gelehrt, aber nur -ßaioav belegt. Daß nur vorkommt
und gfi gar nicht (S. 70), muß man erraten. Störend,
wenn auch nicht gerade irreleitend, ift die den heutigen
Gepflogenheiten fremd gewordene Unfitte, Wortftücke,
bef. Wortausgänge, ganz wie fertige Wörter zu fchreiben,
ftatt fie durch Bindeftriche als das, was fie find, zu kennzeichnen
.

Das find Fehler der Methode. Aber der Verf. läßt
fich auch fehr viel Flüchtigkeiten zufchulden kommen.
Überaus oft find Angaben, die auf Vollftändigkeit An-
fpruch machen, unvollftändig: S. 34 ift auch aus

Jud. 16,28 zu belegen; oOttoig S. 36 auch aus Sprü. 3,8;
eXetj S. 47 auch aus Pf. 16,7; S. 43 wird <povtaq (Weish.
12, 1) als einziger Akk. plur. auf -sag ft. -elg eines ,Di-
gammaüamms' [sie!] bezeichnet, ift alfo das IV Kö. 7,6
einftimmig bezeugte ßaöiXiag überfehen; S. 63 oben fehlt
el-evsyxE Rieht. 6,30. 19,22; S. 68 unten xaxarpäyoioav
Spr. 24, 52 (= 30, 17); S. 80 wird der Aorift e^ExxXrfiiaßa
aus zwei Stellen belegt, während er fich nebft feinem
Paffiv über zwanzig Mal findet; S. 81 med. fehlt exqe-
Qi/jpEvtjv Rieht. 15,15; S. 83 Z. 13 v. u. öiaQQtjößmv III
Kö. 11, Ii; S. 94 söpaXsv Arnos 5,2 ufw. ufw. Dazu
kommt, daß viele Zitate falfch find1. Nicht zu fcharf

1) Bei nur ganz gelegentlichen Stichproben find mir aufgefallen:
S. 6 Z. 2 [ft. II Ma. 4, 26 lies 4, 19]. — S. 20 Z. 28 [ft. Sprü. I, 11
lies 1,21]. — S. 23 Z. 7 v. u. [ft. Rieht. 11,32 in A lies 11,33 in 1!]. —
1 S. 34 Z. 7 [ft. Ez. 3,4 lies 4, 14]. — S. 34 Z. 28 [ft. Gen. 14,4 lies
l 14, 14]. — S. 35 Z. 9 [ft. Hi. 4, 6 lies 41, 6]. — S. 35 Z. 12 [ft. Si. 28, 28
lies 28,20]. — S. 37 Z. 17 ft. II Kö. 18,35 lies IV Kö. 18,35]. —