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Ausgabe:

1908

Spalte:

633-635

Autor/Hrsg.:

Sellin, Ernst

Titel/Untertitel:

Das Rätsel des deuterojesajanischen Buches 1908

Rezensent:

Zillessen, Alfred

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark

Nr. 23. 7- November 1908. 33. Jahrgang.

Sellin, Das Rätfei des deuterojefajanifchen
Buches (Zilleflen).

Helbing, Grammatik der Septuaginta (Wackernagel
).

Müller, Beiträge zur Erklärung und Kritik des

Buches Tobit (Schürer).
S m e n d, Alter und Herkunft des Achikar-Romans

und fein Verhältnis zu Aefop (Derf.).
H e n 1 e, Der Ephefierbrief des hl. Apoüels Paulus

(H. Holtzmann).
Barth, Einleitung in das Neue Teftament

(Schürer).

Pott, Der Text des Neuen Teflaments nach
feiner gefchichtlichen Entwickelung (Bouffet).

Prince, The ancestry of our english Bible
(Bouffet).

Zeitfchrift für fchweizerifche Kirchengefchichte,
herausg. von Büchi und Kirfch, I. Jahrg.

(BolTert).

Lang, Der Heidelberger Katechismus und vier

verwandte Katechismen (Gohrs).
Mnakavov, 7/ Aovxägeioq 6/ioloyla (Ph.

Meyer).

BeXaviöicazov, 0 7ioXitpr]fioqxcd7ioXvoo(poq
KvyMoq 6 Aoixapiq (Derf.).

Mnal.avov, 7f neyl Sixaaoaswq öiöaoxaXla

(Ph. Meyer).
--Elvai f/ 9soXoyla imozt/f/ij (Derf.).

LAszQaxaxoq, Ol fiovayixol &eofiol (Ph.
Meyer).

Ernft, Aufgabe und Arbeitsmethode der Apologetik
für die Gegenwart (Zilleffen).

Brunn er, Die religiöfe Frage im Lichte der vergleichenden
Religionsgefchichte (E. W. Mayer).

Richert, Philofophie, Einführung in die Wilfen-
fchaft (Elfenhans).

Lipps, Mythenbildung und Erkenntnis (Ritfehl).

Sellin, Prof. D. Ernft, Das Rätfei des deuterojefajanifchen
Buches. Leipzig, A. Deichen, Nachf. 1908. (IV, 150 S.)
gr. 8° M. 3 _

Der Verfaffer, der durch feinen Serubbabel 1898 die
Ebed-Jahve-Frage zuverfichtlich geklärt glaubte, dann
aber diefe Deutung in feinen Studien I. 1901 zugunften
der auf Jojachin zurückgenommen, meint in diefer neuften
Schrift das Rätfei definitiv (145) befriedigend für alle
Zeit (130) gelöft zu haben. Wefentlich in Auseinander-
fetzung mit Giefebrecht, Roy und Greßmann (Eschato-
logie) gelangt er zu dem Doppelergebnis: 1. Die E.-J.-
Lieder, wahrfcheinlich einem größeren Liederkranz entflammend
, den der junge Prophet um 561 (Regierungsantritt
Amel Marduks und .Erhöhung' Jojachins) gedichtet
hat, find älter als das Buch und befingen unter der Ge-
ftalt des E.-J. eine einzelne Perfönlichkeit, einen im
meffianifchen Licht betrachteten zeitgenöffifchen Davi-
diden, Jojachin, deffen meffianifche Zukunft als Israels
Fürft und Weltherrfcher erwartet wird. 2. Nach dem
Fehlfchlagen diefer Hoffnung fteigt in Cyrus ein neuer
Stern auf, den der Prophet bereits 545 begrüßt (,Cyrus-
zitate'). 539 tritt er mit feiner großen Schrift auf, in die
er die E.-J.-Lieder einfetzt, und bezieht, ohne alle ihre
Einzelheiten aufs Volk zu deuten, das Ganze auf Israel.
(521 find fie wiederum als Ganzes auf Serubbabel übertragen
worden.)

Ich geftehe, daß mich diefes Ergebnis überrafcht hat.
Noch in Studien I. bezog S. auch die E.-J.-Lieder im
Buch auf Jojachin. Und nach dem lebhaften Strauß mit
Giefebrecht — deffen auch von mir f. Z. bedauerte Schärfen
trotz S.s Verficherung ein nicht minder fcharfes
Echo hervorrufen — erwartet man hier alle und jede
Annäherung an das kollektive Verftändnis des Ebed J.
für immer perhorrefziert zu fehen. Statt deffen vollzieht
S., nachdem er fozufagen den Sieg auf der ganzen Linie
konftatiert, zum Schluß aus freien Stücken eine halbe
Kapitulation, deren Tragweite gegen feine Deutung 1. er
nicht verfolgt hat. Die Vertreter der kollektiven Deutung
können fich diefer Konzefdon nur freuen. Denn was
S. dabei ausdrücklich vorbehält: daß eine Übertragung
aller Einzelzüge der Stücke auf das Volk nicht angehe,
wird doch auch gerade von denen auf jener Seite behauptet
, die im Ebed der Stücke die ftrengft durchgeführte
Perfonifikation im ganzen Buche fehen, in deren

Bild des E. betont (wie auch ich getan ThLZ 1903 Sp
133), fo liegt eben hier ein Bild vor. Und S. giebt ferner
dann doch das zu, was er vorher fo heftig bekämpft
(z. B. 61): die Vereinbarkeit beider Betrachtungsweifen:
das fündige Israel — der gerechte Ebed auf eine Größe,
das Volk, ja er kann auch der Wirkfamkeit des Ebed =
Israel am Volk nicht mehr aus dem Wege gehen. Es
ift nicht erlaubt, mit S. namentlich in K. 53 die einzelnen
Züge hier unbildlich und dort bildlich aufzufaffen; der
Einzelzug kann im E.-J.-Stück nicht vom Ganzen gelöft
werden; nur das Ganze läßt fich übertragen. Damit
fällt S.s Behauptung, K. 53 rede nicht von Tod und Auf-
erftehung des Knechts, die er Studien 1. durch folche
Einzeldeutung gewinnt ("Dp — Kerker). — Die Geftalt Jojachins
foll in 42. 49. 53. ,mit Händen zu greifen' fein
(140): ich meine, daß es dazu erft der phantafievollen
Rekonftruktion diefer Perfönlichkeit bedurfte, wie fie
Sellin und Rothftein gefchickt verfucht. Es ift doch etwas
ganz anderes (trotz S. S. 93), wenn Dtjef.s pro-
phetifche Phantafie göttliche Wunder in Natur und Völkerwelt
erwartet oder auf den fernen Cyrus kühne Hoffnungen
fetzt, als eine Schilderung und Erwartung, wie
die der E.-J.-Stücke auf eine langgewohnte Perfon der
Gegenwart zu übertragen, fei es im Exil Jojachin, fei es
nach dem Exil Serubbabel (übrigens, wenn J. im Kerker,
wie kann dann 52,14 von ihm gefagt werden?) Nero,
Kaifer Friedrich I. oder II. wachfen erft ins fagenhaft
Große, nachdem fie der Tod oder längere Entfernung
bezw. Entfremdung der Anfchauung eine Weile entrückt
hat. Solange uns die Einzelheiten der exilifchen und
nachexilifchen Gefchichte noch fo in der Dämmerung
liegen, ift und bleibt der feile Boden, auf dem wir zu
allererft flehen, das Buch Dtjef.s, in dem überall Israel
der Ebed ift. Jeder weitere Regreffus in die Vorge-
fchichte der E.-J.-Lieder ift und bleibt ein unficherer Ver-
fuch, auf Grund deffen keine Gefchichte ,für alle Zeit'
konftruiert werden darf, auch trotz Jofephus.

Der Ablehnung der Royfchen Ergänzungshypothefe
ftimme ich zu. Ebenfo halte ich mit S. Giefebrechts
Textänderungen und Deutungen zu 49,5 50,4fr. 51,5 k
nicht für glücklich und beziehe die Infinitive mit b auf
den Ebed (cf. ThLZ a. a. O. Anm.), während ich in K. 53
meift Giefebrecht beitrete. TO by 53,1 = ,über was für
einem' wird m. E. fchon durch I Sani 14, 8 ausgefchloffen
und als = i£ bs beftimmt (fo auch Feldmann). Der Salto

Schilderung die Einzelzüge immer nur im Zufammenhang mortale zur kollektiven Deutung, den S. meiner Ausfuhrung
des ganzen Bildes verftanden werden können. Auch wenn ZAW 24, 293 vorwirft, kommt dort nur dadurch zuftande,
S. 66 u. o. ganz richtig die Züge des Herrfchers im | daß ich meine ganze Meinung von den E.-J.-Stücken nicht

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