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Ausgabe:

1908 Nr. 21

Spalte:

595-597

Autor/Hrsg.:

Souter, Alexander (Ed.)

Titel/Untertitel:

Pseudo-Augustini Quaestiones veteris et novi testamenti CXXVII 1908

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 21.

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Vorftellungsmaterial vorhanden ift, kann er ebenfalls nicht
leugnen. So fleht er wiederum nahe vor der Frage-
ftellung feiner Gegner. Aber im entfcheidenden Moment
wird üe der dogmatifchen Theorie zu Liebe abgelehnt.
Und das wiederholt fich immer wieder. Es bleibt zu
bedauern, daß D. fo viel Kraft auf eine Aufgabe verwendet
hat, die unlösbar ift. So fchwankend und unklar feine
methodifchen Ausführungen find, fo fchwankend und
unklar find auch die konkreten gefchichtlichen Unter-
fuchungen. D. befitzt die Fähigkeit zur Analyfe und er
würde wohl auch mit Erfolg hiftorifche Unterfuchungen
vornehmen können. Aber die dogmatifche Brille hat ihn
geblendet. Der hiflorifchen Forfchung ift durch D.s Buch
kein wirklicher Gewinn zugewachfen. Die Fortführung
feiner Methode würde verwirren ftatt zu klären. ,Der
Hiftoriker foll nicht dogmatifieren, fondern die verfchie-
denartigen Elemente aufzeigen, aus denen das Ganze fich
zufammenfetzt, und die Wurzeln, aus denen fie flammen'
(Bd. I Teil 2 S. 139). Diefen Satz hätte D. nicht bloß auf-
ftellen, fondern auch beherzigen follen.

Tübingen. Otto Scheel.

Psevdo-Avgvstini Qvaestiones veteris et novi testamenti

CXXVII. Accedit appendix continens alterivs editionis
qvaestiones selectas. Recensvit Alexander Souter.
(Corpvs Scriptorvm Ecclesiasticorvm Latinorvm.
Vol. L.) Vindobonae, F. Tempsky MDCCCCVIII.
(XXXV, 579 p.) gr. 8° Kr. 19.50

Die neue Ausgabe der dem Auguftin nur irrtümlich
zugefchobenen Quaestiones jenes römifchen Theologen,
der um 375 auch den berühmteren Kommentar zu den
13 Paulusbriefen, den fogen. ,Ambrosiaster' verfaßt hat,
beweift, daß der Verfaffer von A Study of Ambrosiaster
1905 (f. ThLZ. 1905 Nr. 25, 674—6) der Mann ift, um
die Hoffnungen, die er erregte, auch zu erfüllen. Prole-
gomena, Text, Regifter diefes Bandes enthalten reiche
Schätze, und find vorzüglich geeignet zu illuftrieren, wieviel
die großen Patriftiker früherer Jahrhunderte unferer
Generation zu tun übrig gelaffen haben.

In jenem Vorbericht referiert Souter mit möglichfler
Kürze über den Inhalt, die theologifche Eigenart, Ab-
faffungszeit und-Ort, Verfaffer der, Quaestiones' Ansbaiondve
natürlich über ihre Überlieferung. Einige öfterreichifche
und deutfche Handfchriften mit 116 Quäftionen enthalten
die wenig gewiffenhafte Arbeit eines mittelalterlichen
Rezenfenten, der aus 2 wirklich alten, aber uns noch
gut erhaltenen Sammlungen eine dritte herftellte. Diefer
Zweig fcheidet für die Textkonftitution aus. Es bleiben
die Zeugen für zwei verfchiedene Ausgaben des Quä-
ftionen-Werks aus der Hand des Autors, eine ältere mit
151 Stücken (das letzte ift aber verloren), eine jüngere
mit 127, manche bis auf den Buchftaben in beiden gleich,
aber einzelne aus der 1. Edition erheblich verbeffert,
viele ganz fortgelaffen, dafür neue, meift viel umfaffender
angelegte Unterfuchungen hinzugefügt. Für beide Re-
zenfionen, die auch den Maurinern bekannt waren, flehen
gute Zeugen zu Gebote. Souter hat die letzte der
beiden Ausgaben zugrunde gelegt, alfo auf S. 1—416
den Uber quaestionum CXXVII in zuverläffigem Text mit
reichhaltigem Apparat gedruckt; ein Anhang (S.419—480)
bringt diejenigen Stücke (zufammen 61), die aus der
älteren Ausgabe gar nicht in die jüngere übernommen
worden waren.

Die Solidität von Souters Arbeit fleht über allem
Zweifel. Daß er kein Freund entbehrlicher Konjekturen
ift, verrät fich an vielen Stellen feines Apparats, wo er
Emendationsvorfchläge, insbefondere von Engelbrecht
und Turner, notiert, doch ohne fie in den Text aufzunehmen
; er ift fo anhänglich an feine Manufkripte, daß,
wo fie z. B. in der Schreibung neclegens, ecus, antestes,
praesumtor, allofyli übereinftimmen, er diefe im Text

ftatt des fonft gewählten neglegens, equus, antistes, prae-
sumptor, allofili fefthält. Die Interpunktion ift wohlüberlegt
, eine Kapiteleinteilung, die S. als Erfter vorgenommen

1 hat; wird u. a. auch das Verftändnis des Gedankenganges
erleichtern. Als unheilbar verdorben brauchten nur
wenige Stellen bezeichnet zu werden; aber S. verzeiht
feinem Autor auch recht viel Wunderlichkeiten; ich meine,
er hätte den Handfchriften gegenüber doch etwas freier
verfahren dürfen. 101, 23 follte er Turners Vorfchlag
gemäß fchlankweg 8 Worte in den Text einfchieben, das
vultum intolerabile 32, 6 würde ich doch lieber einem

I Abfchreiber (ftatt -bile) zutrauen; perditores 15, 18 ift
unerträglich. Wenn laut S. 579 in 261, 19 exercitia in
exitia verbeffert werden muß, fcheint mir doch auch das
exercitium 261, 5 gegen exitium von CNX unhaltbar geworden
; praesumptum a sublimi auctoritate viris (= von
Männern höchfter Autorität) auf S. 109, 14 kann der

j consensus der Manufkripte nicht glaublich machen. 109, 18

| verlangt übrigens der Sinn, daß ,triumpharunt. Et' ftatt
,triumpharunt et' gedruckt wird, denn die Priefter mit
ihrem Tempeldienft auch an den Sabbaten find fo gut
ein neues Beifpiel hinter den Makkabäern wie diefe hinter
Jofua. Die fchlechte Interpunktion 81, 13 ift auf S. 577
noch nicht genügend verbeffert; der Sinn erfordert einen
Punkt hinter loquentis, weil mit sed discrepat nicht ein
weiteres Stück des quia- Satzes folgt, fondern der Ein-
fpruch gegen den Schein der Analogie beginnt; hinter
simile est ift Komma oder Semikolon das Richtige. ,Eine
Ähnlichkeit zwifchen Gen. 1,26 und 11,7 ift nur, fofern man
aufs Oberflächliche blickt, vorhanden; beidemal nämlich
fpricht ein Einzelner von fich wie von einer Mehrheit'.

Erklärende Notizen im Apparat fehlen leider; S. hat
offenbar gefürchtet, ohnehin fchon zu viel Raum zu ver-

j brauchen; fonft würde er, der Morels Elements de critique

I fo dankbar rühmt, zu p. 432, 13 nicht verfchweigen, daß
Morel das pausatn aller Hdfch. ftatt causam fchon durch
Konjektur entdeckt hatte. Und zu 375, 1 impleant ad

, id quod sunt facta, wo der Lefer zunächft an einen Druckfehler
glaubt (nämlich ftatt impleant id ad quod s. f.),

| würde er erftens auf die Mauriner verweifen, die i. id ad
qu. lefen, aber zugleich auch auf 375, 3. 27 k und 376, 4. 17 —
an letzterer Stelle nimmt er felber in den Text implent
enim id ad quod facta sunt, obwohl fein codex N auch
hier das fchwierigere ad id quod beftätigt. Ein Text
wie 230, 8 propter quod rixa magis bellum imminebat,

j deffen Geheimnis er im Index III durch ,magis pro magis

j quam' deutet, darf nicht ohne jedes Geleitswort gegeben
werden, wie denn auch die bei unferem Autor fo beliebten
Rück- und Vorausverweifungen (wie z. B. 230, 10 quod
suo loco dicetur am Schluß einer Quaestid) lieber zu oft
als zu feiten identifiziert werden follten. Parallelftellen
innerhalb des Werkes fordern aus verfchiedenen Gründen
genaue Notierung; 14, 2 semina Iiis legis inesse decrevit
naturaliter verdient einen Vermerk bei 355, 18 und umgekehrt
, auch 19, 21 und 321, I, erft recht 63, 19 dei enim
imaginem habet rex neben 243, 19 quia omnis rex dei
habet imaginem.

Sehr forgfältig find die Bibelftellen gefammelt: Joh.
3, 31 follte zu 13, 8 wegfallen, wiederholt wäre Joh. 1, 3
durch I Cor. 8, 6 zu erfetzen, z. B. 147, 20f. Zu 350, 27fr.
ift Rom. 5,12ff. zu vergleichen, zu io8,2if. Gal. 2,4. 5.,
Gal. 2, 5 auch bei cedere 454, 25 und Gal. 2, 18 bei 454, 22.
In den Indices find Fehler äußerft feiten und dann leicht
zu verbeffern; daß hie und da Belegftellen überfehen
find, vielleicht öfters nur die Notiz ausgelaffen, es fei
kein vollftändiges Verzeichnis beabfichtigt, bedarf kaum
einer Entfchuldigung. Im Index nominum et rerum wäre
für dies noch fo wenig ausgenutzte Werk größere Ausführlichkeit
geboten; Artikel wie daemoniacus, immorta-
titas, ordinatio, pignus fehlen, in anderen wie angelus,
diabolus, Stella, lex, traditio waren mehr Rubriken zu
machen, um die eignen Gedanken des Autors herauszuheben
aus der Fülle des Gleichgültigen: mit welchen