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Ausgabe:

1908

Spalte:

585-587

Autor/Hrsg.:

Mülinen, E. Graf von

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Kenntnis des Karmels 1908

Rezensent:

Köhler, Ludwig

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 21.

586

einnehmende Verzeichnis der benützten Zeitfchriften und
Sammelwerke überblickt, oder durch die Numerierung
erfährt, daß in diefer Bibliographie 2915 Werke und
Auffätze verzeichnet find. Angefichts des gebotenen
Reichtums erfcheint es undankbar, wenn doch auf einige
Lücken aufmerkfam gemacht wird. Solche find nämlich
allerdings vorhanden. Sie find namentlich dadurch
entftanden, daß der Verf. zwar die Zeitfchriften mit
außerordentlichem Fleiße exzerpiert hat, dagegen einige
enzyklopädifche Werke überfehen hat. Am meiften hat
mich überrafcht, daß die gehaltvollen Artikel von Guthe
in der neuen Auflage von Herzog-Haucks Real-Enz.
nirgends erwähnt find, während fie doch fämtlich in der
Zeit von 1895—1904 erfchienen find (Bd. VI, 1899: j
Galiläa, IX, 1901: Ituräa, Judäa, XIV, 1904: Paläftina, |
XV, 1904: Peräa). Auch die forgfältigen und eingehen- |
den Artikel in Vigouroux, Dictionnaire de la Bible
(Bd. I, A—B, 1895, II, C—F 1899, III, G—K 1903) hätten j
aufgeführt werden müffen. Die Artikel in den englifchen
Bibelwörterbüchern (Haftings and Selbie, Dictionary
0/ the Bible 4 Bde. 1898—1902, und Cheyne and Black, j
Encyclopaedia Biblica, 4 Bde. 1899—1903) find allerdings j
meift kürzer gehalten. Da aber Thomlen felbft die unbe-
deutendften Zeitfchriften-Artikel nennt, hätten auch fie
nicht übergangen werden dürfen. Endlich hätte auch j
auf die Artikel über die paläflinenfifchen Städte in Pauly-
Wiffowas Real-Enzyklopädie der klaffifchen Altertums- J
wiffenfchaft (1894 fr.) verwiefen werden müffen. — Von
neueren Zeitfchriften ift die feit 1903 erfcheinende ,Bib- <
lifche Zeitfchrift' zwar in dem Verzeichnis S. XI genannt;
fie hätte aber wegen ihrer Bibliographien auch S. 3 be- j
rückfichtigt werden müffen. Zu der Literatur über die
Münzen S. 115 f. wäre noch nachzutragen: Journal international
d'arcluologic numismatique IV 1901, wo die
Münzen von Dora und von Ptolemais vollfländiger als
irgend fonftwo befchrieben find. — Schließlich noch
eine oratio pro domo. Der Verf. verzeichnet mit der
peinlichften Sorgfalt alle meine Rezenfionen in der Theol.
Litztg. Dagegen von meiner Gefchichte des jüdifchen
Volkes, die in ihrem zweiten Bande alle bedeutenderen
Städte Paläftinas eingehend behandelt, ift nirgends die
Rede. Sie wäre auch bei der Literatur über die Gefchichte
S. 12 ff., wo die kleinften Auffätzchen genannt
werden, zu erwähnen gewefen. Ebendort dürfte auch
Oskar Holtzmanns Neuteft. Zeitgefch. (1895) nicht fehlen.

Göttingen. E. Schürer.

Mülinen, Dr.E. Graf von, Beiträge zur Kenntnis des Karmels.

Mit 2 Tafeln und 122 Abbildungen. Separatabdruck
aus der ZDPV Bd. XXX und XXXI. Leipzig, K. Baedeker
in Komm. 1908. (IV, 349 S.) gr. 8°
Das Buch ift ein Separatabdruck (aus ZDPV 07,

Ujr_207; 08, I—258), für den man fehr dankbar fein muß.

Sein Verdienft befteht in einer fehr wertvollen Um-
fchreibung des Begriffs Karmelgebiet und in einer nahezu
vollftändigen Aufzählung der dort fleh findenden Baudenkmäler
und Baurefte.

Bisher war die Abgrenzung des Karmels außer nach
Norden hin unficher und fchwankend. Nach v. Mül. nimmt
der Karmel die Fläche ungefähr eines rechtwinkligen
Dreiecks ein, deffen Hypotenufe von haifa bis zur Ge-
birgsnafe (el-huschm) am nalir ez-zerba reicht, wahrend
der Scheitel da liegt, wo die Linie 32 0 40' die Straße liaifa-
geiinin fchneidet. Die füdöftlich fleh ziehende Kathede
hat in der Mitte eine ftarke Einkrümmung und ift nicht
ohne weiteres feftzulegen. Man wird dem Verfaffer recht
geben, wenn er fie mit dem Sprachgebrauch der Mehrheit
der Eingebornen nicht nach ftreng geologifchen Ge-
fichtspunkten zieht, fondern der Übergangslinie von der
rötlichen ard l/amrä des Karmels zur weißlichen ard
beda der füdöftlich fleh anfchließenden rnhä folgt.

Das Buch fcheint nach und nach entftanden zu fein
und hat offenbar vor dem erften Abdruck keine Super-
revifion erhalten. So erklärt fich die beträchtliche Zahl
von Berichtigungen und Ergänzungen zum 1. Teil'
(344—349). So erklärt fich auch, daß zu diefem erften
Teil, welcher Sprachliches, Geographifches, Geologifches,
Klimatologifches, Flora, Fauna, Ethnologifches und Folklo-
riftifches zufammenfaßt (S. I—96), fpäter noch dies und
das Wertvolle zufällig und wo es fich gerade giebt, nachfolgt
. So ift nur S. 328 ,der fonft auf dem Karmel nicht
vorkommende Zürgelbaum (Celtis australis L.J erwähnt,
S. 320 erfährt man Genaueres über das im nahr ez-zerka
fich noch findende Krokodil: noch 1904 oder 1905 ift
eins erlegt worden. Die ethnologifch fo intereffanten
ghäwarni (S. 332 f.) find im Abfchnitt über die Raffe
(S. 29—31) gar nicht erwähnt, über die Drufen erfährt
man anläßlich der Schilderung von ed-dälie (S. 245 ff.)
mancherlei, was man S. 32 f. bei der Befprechung der
Drufen erwarten möchte.

Angemerkt fei hier (zu S. 23), daß ich einen Wolf
am 27. 2 08 auf den Karmelhängen zwifchen beled esch-
schech und Ijaifa gefehn habe, ebenfo Wildfehweine am
26. 2. 08 in der Düne nördlich von haifa. Die Malve
(chubbezi, auch chibbezi) wird auch von den Europäern
als Gemüfe bereitet und gefchätzt (zu S. 48). Gerfte
dient nicht ,manchmal' (S. 22), fondern meift als Pferdefutter
. Da S. 48 auch Eier als Speife genannt werden,
hätte man dort gern gelefen, daß ftrenge Muslim Eier
nicht effen, wenn fie von Hühnern der Chriften (und
Juden?) Mammen, weil diefe die Hühner ihre Nahrung im
Straßenkot fuchen laffen.

Die Abwandrung des ganzen Karmelgebiets, wie es
oben umfehrieben ift, trägt außer den guten Abbildungen
und den zwei forgfältigen Karten (M 10 lies amud er-
randa wie S. 211) eine überaus forgfältige und reichhaltige
topographifche Nomenklatur ein. Wo fie nicht
vollftändig fein kann, fagt es der Verfaffer felber. Alle
Namen lind erklärt, nur vermißt man dazu um fo fchmerz-
licher ein Regifter, je vollfländiger die Aufnahme der
Flur-, Waffer-, Berg- und Ba unamen ift und je mehr fie
allgemeinen Dank verdient. Der S. 178 genannte Brunnen
heißt, wie fchon Baedeker angibt, bir mirjam.

Den Hauptwert legt v. Mülinen auf die Aufnahme
der Baurefte, mit welcher er den Anftoß zu gründlichen
Grabungen und Forfchungen geben möchte. Diefe
wären allerdings zu wünfehen und follten rafch an die
Hand genommen werden, da jedes Jahr Verfchleppung
und Neuverwendung von altem Material mit fich bringt.
Man wird immer auf v. M.s Arbeit fußen, wenn fchon
die Weiterarbeit manches Einzelne genauer und wohl
auch anders darftellen wird. Insbefondere werden Grabungen
hinzutreten müffen. Der Verfaffer hat fie unter-
laffen, aber überall, wo fie ihm empfehlenswert erfchienen,
fie gefordert, und das Viele, was er zur Beftimmung und
! Würdigung der über dem Boden befindlichen Baurefte
getan hat, welche erftaunlich reichhaltig find und Auf-
fchlüffe mannigfacher Art verfprechen, fichert ihm unfern
; Dank. Er hat den Grund gelegt, auf welchem andre leicht
und vertrauensvoll bauen können, zumal wenn fie forg-
fältigere Beftimmungsbegriffe anwenden, wie fie fchon
von Mülinen in dem von ihm felber zitierten Buche von
Vincent, Canaan hätte finden können.

Einen kleinen Gewinn für die Bibel unmittelbar bringt
das Buch vielleicht an zwei Stellen. S. 48 wird berichtet,
daß in der Erntezeit vormittags ein Frühftück die Regel
bilde, welches den befonderen Namen sabah elhassadin
,Morgenbrot der Schnitter' trägt, vgl. dazu Ruth 2,14.
S. 246 wird über eine bei den Drufen fich noch haltende
< primitivfte Art, Töpferwaren herzuftellen, berichtet: fie
| weichen eine beftimmte Tonerde mit Waffer auf und
mengen dann tibn na im .feines Häckfel' hinein, offenbar
zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit. Das erinnert an
Ex. 5,7 ff.

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