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Ausgabe:

1908 Nr. 21

Spalte:

583-584

Autor/Hrsg.:

Lehmann, Alfred

Titel/Untertitel:

Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart. Zweite umgearbeitete und erweiterte Auflage 1908

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 21.

584

ftatt zuerft darzulegen, wie die Aufklärung des 5. Jahrhunderts
überall die anthropologifchen und fozialen Probleme
aufwirft und diefe in individualiftifchem Sinne zu
lö'fen fucht, und dann zu zeigen, wie Sokrates mit der
vollen Wucht innerer Überzeugung fich diefer Löfung
entgegenwirft und die Entwicklung in andre Bahnen lenkt,
fucht er Sokrates zunächft von fich aus zu charakterifieren
und kommt dann erft auf die Sophiften zu fprechen.
Nach Sokrates mußte dann gezeigt werden, wie der Individualismus
in der Zufpitzung der Philofophie auf die
Frage der Glückfeligkeit der Einzelnen in verfchiedenen
philofophifchen Richtungen nachwirkt und in den gewaltigen
Erfchütterungen der Diadochenzeit Zenon wie
Epikur zur Gründung neuer Syfteme führte, die zugleich
dem durch Plato und Ariffoteles geweckten Bedürfnis
nach einer umfaffenden Weltanfchauung Rechnung tragen
follten. D. fagt darüber Einiges in einem fpäteren Ab-
fchnitt, der die Vorläufer der Stoa in der Ethik behandelt,
aber ein klares Bild der Entwicklung zeichnet er auch
da nicht.

Wirklich wertvoll find dagegen die Abfchnitte des
Buches, die an die Darftellung der Lehre Reflexionen
anknüpfen und das Bleibende aus den Gedanken der
Stoiker herauszufchälen fuchen. Hier ift der Verf. in
feinem Element, und wenn man auch manche Parallelen
ablehnen muß, fo z. B. den Vergleich der Deklination
der Atome, die bei Epikur als deus ex machina erfcheint,
mit dem allesbeherrfchenden Willen Schopenhauers, fo
wird man Abfchnitte wie die Beurteilung der floifchen
Erkenntnistheorie (S. 73 ff.) und ihres Monismus (S. 99 fr.),
die Ausführungen über die Ethik und Religion fowie die
Schlußbetrachtungen gern und mit Nutzen lefen und
die fonftigen Schwächen des Buches entfchuldigen. Ift doch
der Verf. nicht der einzige, der glaubt, ohne wirkliches ]
Quellenftudium über griechifche Philofophie fchreiben
zu können.

Göttingen. Max Pohlenz.

Lehmann, Dir. Dr. Alfred, Aberglaube und Zauberei von

den älteften Zeiten an bis in die Gegenwart. Deutfche
autorifierte Überfetzung von Nervenarzt Dr. Peterfen I.
Zweite umgearbeitete und erweiterte Auflage. Mit
2 Tafeln und 67 Textabbildungen. Stuttgart, F. Enke
1908. (XII, 665 S.) gr. 8° M. 14 —

Das dänifche Original diefes gehaltvollen Werkes
ift 1893 erfchienen, die deutfche Überfetzung 1898 (vgl.
die Anz. in der Theol. Ltztg. 1899, 106). Während das
dänifche Original, wie es fcheint, keine neue Auflage
erlebt hat, liegt jetzt von der deutfchen Überfetzung
eine folche vor. Der Verf. hat darum Anlaß genommen,
den Text durchgängig zu revidieren, zu berichtigen und
zu ergänzen, fo daß der Umfang, allerdings bei etwas
größerem Druck, um reichlich hundert Seiten gewachfen
ift. Die Anlage ift aber unverändert geblieben; auch
die kleineren Unterabteilungen find diefelben wie in der
früheren Auflage. Nur an zwei Stellen find neue Abfchnitte
eingefügt. S. 355—379: Spiritismus und Okkultismus
feit 1880' (ftatt deffen in der vorigen Auflage
S. 305—312: Der Spiritismus im letzten Dezennium),
und S. 596—606: ,Die Natur der Mediumität' (früher nur
S. 502—504, nicht als befonderer Abfchnitt).

Das Intereffe des Verf. (Direktor des pfychophyfi-
fchen Laboratoriums an der Univerfität Kopenhagen) ift
überwiegend ein theoretifches: die Erforfchung der ,ma-
gifchen Geifteszuftände' (Traum, Nachtwandeln, Halluzination
, Suggeftion, Hypnofe, Hyfterie u. dgl.). Diefen
theoretifchen Unterfuchungen ift die zweite kleinere
Hälfte des Buches gewidmet (S. 3806".). Die vorhergehende
größere Hälfte gibt eine Gefchichte des Aberglaubens
und der Zauberei in ihren mannigfaltigen Formen
von der älteften Zeit bis zur Gegenwart. Als die drei

Hauptformen betrachtet der Verfaffer: Die Weisheit der
Chaldäer, die Geheimwiffenfchaften des Mittelalters, den
modernen Spiritismus. Auch die Aftrologie und Mantik
ift mit hereingezogen. Bei dem Umfang des Stoffes muß
die Darftellung fich felbftverftändlich auf Heraushebung
der charakterifiifchen Haupterfcheinungen befchränken.
Sie gibt aber doch auch eine Fülle intereffanten Details
und bietet in ihrer Gefamtheit eine treffliche Orientierung
über diefes dunkle Gebiet, welchem jetzt mit Recht in
weiten Kreifen der Wiffenfchaft ein fo lebhaftes Intereffe
entgegengebracht wird.

Göttingen. E. Schürer.

Syltematifche Bibliographie der Palältina-Literatur. Auf Ver-
anlaffung des Deutfchen Vereins zur Erforfchung
Paläftinas bearbeitet von Dr. Peter Thomfen. I.Band.
1895—1904. Leipzig, R. Haupt 1908. (XVI, 204 S.)
gr. 8° M. 5 —

In den Jahren 1878—1895 hat die Zeitfchrift des
deutfchen Paläftina-Vereins regelmäßig erfchöpfende
Jahresberichte über die neu erfcheinende Paläftina-Litera-
tur gebracht (zuerft von Socin, dann von Jacob, zu-
ietzt von Benzinger). Wer fich für den Gegenstand
intereffiert, weiß, wie wertvoll, ja unentbehrlich diefe
Berichte waren. Seitdem wir fie nicht mehr haben, läuft
man auch bei forgfamer Verfolgung der neueren
Erfcheinungen Gefahr, diefes und jenes zu überfehen.
Der ,Theologifche Jahresbericht', fo dankenswert er ift,
erreicht für diefes Spezialgebiet nicht die wünschenswerte
Vollfländigkeit; und das Gleiche gilt von anderen
bibliographifchen Unternehmungen. Es ift daher mit
lebhaftem Dank zu begrüßen, daß Thomfen fich ent-
fchloffen hat, einigermaßen Erfatz dafür zu fchaffen. Freilich
— ein Referat, das den Inhalt der Erfcheinungen kurz
fkizziert, gibt er nicht, fondern nur die Titel der Bücher
und Auffätze. Aber auch das ift hochwillkommen. Und
nach einer Andeutung im Vorwort dürfen wir vielleicht
hoffen, daß er künftig da und dort auch durch kurze
Inhaltsangaben dem Benützer zu Hülfe kommen wird.

Der vorliegende I. Band fetzt da ein, wo die Paläftina-
Zeitfchrift aufgehört hat, und verzeichnet die Literatur
von zehn Jahren (1895—1904). Künftig follen alle fünf
Jahre Fortfetzungen erfcheinen. Bezüglich der Art der
Anordnung fagt der Verfaffer, er habe fich an die früheren
Überfichten angefchloffen. Das ift aber nicht ganz der
Fall. Jedenfalls hat die Art der Ausführung hier zu
Inkonvenienzen geführt. Ich habe dabei namentlich die
Trennung der drei Rubriken: III. Hiftorifche Geographie
und Topographie, IV. Archäologie, VII. Geographie,
im Auge. Sofern es fich um einzelne Orte handelt, ift
der Gedanke dabei der, daß Arbeiten über ihre Gefchichte
unter Nr. III gehören, über Rette aus dem Altertum
unter Nr. IV und Befchreibungen ihrer Lage unter Nr. VII.
Das führt aber zur Trennung von Zufammengehörigem,
mindeftens zu einer großen Unficherheit, wohin diefe
oder jene Arbeit zu ftellen und wo fie zu fuchen ift.
So flehen denn in der Tat Arbeiten über ganz dasfelbe
Thema an verfchiedenen Orten: Benzinger, Die Ruinen
von amwas S. 47 n. 600, Vincent, Les ruines d'Amwas
S. 88 n. 1235, oder: Schick, Kubeibeh-Emmaus S. 47 n.
598, ein anonymer Auffatz über dasfelbe Thema S. 149
n. 2276. Beifpiele diefer Art ließen fich recht zahlreiche
anführen. Ich möchte demgegenüber engeren
Anfchluß an die von Socin eingeführte Dispofition empfehlen
. Jedenfalls müßten die Arbeiten über einzelne
Lokalitäten unter einer Rubrik vereinigt werden; oder
es müßte durch einen Index der Ortsnamen das Auf-
fuchen der betreffenden Literatur erleichtert werden.

Von der ungeheuren Stoffmaffe, welche der Verfaffer
zu bewältigen hatte, kann man fich eine Vorftellung
machen, wenn man das beinahe fünf Seiten (S. XI—XV)