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Ausgabe:

1908 Nr. 21

Spalte:

581-583

Autor/Hrsg.:

Davidson, William L.

Titel/Untertitel:

The Stoic Creed 1908

Rezensent:

Pohlenz, Max

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 21.

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und 76, S. 132 fr. aus dem früher jakobitifchen, jetzt katholischen
Klofter St. Behnam in der Umgegend von Mofful,
die erfte 12. Jh.; die zweite, 13. Jh., bezieht fich auf einen
Überfall der Mongolen. —Nr. 77—8o, S. 139fr. einefyrifche
Infchrift mit arabifchem Schluß, zwei arabifche Infchriften
und eine türkifche in uigurifchen Lettern, aus dem Grabe
des St. Behnam bei feinem Klofter. Sie beziehen fich auf
das Grab und feine Ausftattung; die fyrifche 14. Jh. —
Nr. 81 und 82, S. 143fr. Bauinfchriften, vermutlich ein
Klofter betreffend, aus den Ruinen Khirbet-Haffan bei
Dehhes, nicht weit vonTell-Ade, die zweite 6. Jh. —Nr. 83,
S. 146h aus Aleppo, vom Deckel des Sarkophags eines
Kindes, chriftlicher Herkunft, vielleicht 4. Jh. — Nr. 84,
S. 148 fr. aus Ehnefch in der Umgegend von Samofata,
an einer Kirche, mit chronikartigen Angaben über 7. und
8. Jh. — Nr. 85, S. 152 fr. an einem Baptifterium zu Dehhes
in der Nähe von Tell-Ade; P. denkt an marcionitifchen
Urfprung. — Nr. 87—90, S. 179fr. aus einer Gräbergrotte
bei Kara-Keupru in der Nähe von Urfa, ohne Spuren des
Chriftentums, vielleicht 3. oder 4. Jh. Die intereffante
Stelle aus Theodor Bar-Koni über Balti und Tammuz, die
P. S. l8off. zur Erläuterung eines Wortes mitteilt, hat
im wefentlichen die Angaben der fyrifchen Apologie
des Pfeudo-Melito, bringt aber dazu noch einiges Andere
. — Nr. 91, S. 185 aus El-Hemer bei Dfcherablus,
anfcheinend ein Epitaph, ohne Spuren des Chriftentums,
vielleicht 4. oder 5. Jh. — Nr. 92—94, S. 186ff. Bauinfchriften
aus den Ruinen des jakobitifchen Klofters St.
Abai bei Kelleth in der Umgegend von Mardin, 13. Jh.
— Nr. 95—116, S. 191 ff. Grabinfchriften aus den Ruinen
einer Kirche zu Hafchtarak bei Kafar-Ze, 8. bis 13. Jh. —
Nr. 117, S. 203 aus der Kirche des Klofters St. Julian zu
Kariatain bei Horns, 13. Jh. — Nr. 118, S. 204ff. von einer
Säule in der Zitadelle von Urfa, anfcheinend aus einem
alten Tempel, zu Ehren einer unbekannten Königin Schel-
mat, nicht jünger als 3. Jh.

Berlin. Wolf Baudiffin.

Davidson, William L., M. A., LL.D., The Stoic Creed.

Edinburgh, T. & T. Clark 1907. (XXIII, 274 p.) gr. 8°

In England herrfcht in weiteren Kreifen als bei uns
ein reges Intereffe für die Stoa. Die Auffaffung, daß der
Menfch ein fittliches Individuum ift, und die ftrengen
ethifchen Normen find dem Sinne des Engländers ebenfo
fympathifch wie der Zufammenhang der Ethik mit der
Metaphyfik, die rationelle Zurückführung des altruiftifchen
Handelns auf die Stellung der Menfchen innerhalb einer
vernünftigen Weltordnung, und fo ftark wie in den Tagen
des Neilos empfindet man noch die Verwandtfchaft
Zwilchen Epiktets Gedanken und der Bergpredigt. Mark
Aurels Selbftbetrachtungen find deshalb in zahlreichen
Überfetzungen verbreitet. Als Lord Avebury für das
Londoner College 0/ Working Men die beften 100 Bücher
empfahl, wählte er fie und Epiktets Handbüchlein mit
aus, und fo mancher Engländer wird Farrars Satz über
den Stoizismus beiftimmen ,to this day the best Christian
may study it, not with interest only, but with real ad-
vantage' {Seckers after God, S. 222, vgl. den Verf. S. 252.)

Das muß man fich gegenwärtig halten, wenn man
Davidfons Buch in die Hand nimmt. Der Verfaffer ift
Profeffor der Logik und Metaphyfik an der Univerfität
Edinburgh und fchreibt nicht aus hiftorifchem Intereffe,
fondern er will die ftoifche Weltanfchauung Lefern darlegen
, die fie um ihres bleibenden Wertes willen kennen
lernen wollen, und will den Weg zu ihrer richtigen Schätzung
zeigen. Ausdrücklich behandelt freilich nur das
letzte Kapitel ,tl/e present-day value of Stoicism', tatfäch-
lich beherrfcht diefer Gefichtspunkt das ganze Buch.

Von vornherein dürfen wir alfo keine hiftorifche Dar-
ftellung erwarten. Aber auch wenn wir des Verfaffers
Standpunkt würdigen, werden wir fo manches in dem
Buche vermiffen. In der Vorrede fpricht er davon, daß

der Stoizismus ,was a System of lofty principles, illustrated
in the lives of many noble men'. Aber wie fich die Lehre
bei den einzelnen Vertretern der Schule und in weiteren
Kreifen als Lebensmacht bewährt hat, davon erfährt man
im Buche nichts. Nur ein paar kurze allgemeine Bemerkungen
werden gemacht, für alles Biographifche verweift
er einfach auf Zeller (S. 33). Für die Entwicklung
der Schule hat D. fehr wenig Intereffe. Kurz wird wohl
erwähnt, daß es eine alte, mittlere und römifche Stoa
gegeben hat. Aber feine Ausführungen auf S. 56—61
genügen zu deren Charakterifierung in keiner Weife.
Namentlich was er über die mittlere Stoa fagt, kann nur
irre führen. Denn Panaitios' Abweichungen von Chryfipps
Lehre kann der Lefer diefer Darftellung nur als willkürlichen
Eklektizismus auffaffen, und daß es einen Mann
wie Pofeidonios gegeben hat, erfährt er hier überhaupt
nicht. Nur ganz gelegentlich wird deffen Name einmal
für Anekdoten erwähnt.

Zu eigenen Studien will D. offenbar nicht anleiten
und verzichtet deshalb auf eine Orientierung über die
Quellen der ftoifchen Philofophie. Daß wir über eine unentbehrliche
Fragmentfammlung für die ältern Stoiker
verfügen, teilt er nicht mit. Von Arnims Name fällt
allerdings einmal (S. 27), aber wenn man fieht, daß Pear-
fons durch ihn überholte Sammlung doch mehrfach genannt
wird und daß nirgends eine Benützung der Stoi-
corum veterum fragmenta eine Spur hinterlaffen hat, fo
darf man fich wohl fagen, daß der Verf. diefes Werk
entweder überhaupt nicht oder nur vom Hörenfagen kennt.
Auch daß Abhandlungen wie die des Mufonius oder
Hierokles für die Kenntnis der Stoa in Betracht kommen,
ift D. unbekannt. Befcheid weiß er dagegen mit Seneca,
Epiktet und Mark Aurel. Dies hat aber den Nachteil,
daß er bei feiner Darftellung des Syftems leicht durch
diefe letzte Phafe beeinflußt wird (z. B. wenn er bei der
Ethik mit Mark Aurels Trichotomie des Menfchen beginnt
S. 140).

Die Darfteilung felbft zeigt die Vorzüge der englifchen
Bücher, Hervorhebung des Wefentlichen, Klarheit in der
Form und eine praktische Auswahl der Belegftellen, die
ausführlich in guter Überfetzung wiedergegeben werden.
Wo die Stoiker der Kaiferzeit genügenden Auffchluß über
die Lehre bieten oder die modernen Bücher gut benützt
find, befriedigt auch der Inhalt. Aber das ift leider nicht
überall der Fall. Der Verf. fpricht viel von Pfycho-
logie, aber ganz abgefehen von falfchen Einzelheiten
bringt er nirgends klar ans Licht, was das Charakteri-
ftifche der ftoifchen Auffaffung ift. Daß Chryfipp alle
Vorgänge des rjysuovixöv (das keineswegs, wie D. S. 142
meint, mit der Gefamtfeele identifch ift, wohl aber alle
höheren Regungen umfaßt), alfo auch alles Begehren, alle
komplizierteren Gefühle, alle Affekte auf Werturteile zurückführt
, ift D. offenbar nicht deutlich, und wenn er dann
über die ästä&Eia fpricht (S. 149) oder den Gegenfatz
von Stoa und Epikureismus in der Luftlehre behandelt,
kann er natürlich über unklare Wendungen nicht hinauskommen
. Er rühmt S. 177 die ftoifche Auffaffung, daß
der Menfch als Vernunftwefen die Fähigkeit zum freien
Anfchluß an den Weltlauf habe, aber welche Schwierigkeiten
die Stoiker gehabt haben, um die Willensfreiheit,
die ihnen ethifches Poftulat war, mit ihrer Lehre vom
Fatum zu vereinigen (man fehe das reiche Material bei
Arnim S. 282—298), davon weiß er nichts (S. 222).

Auch wo der Verf. eine hiftorifche Entwicklung zu
zeichnen verflicht, befriedigt er nicht. Ich fehe auch
hier von Einzelheiten ab, wie der merkwürdigen Notiz
auf S. 65, wo er aus dem Umftand, daß Johannes fein
Evangelium nach der Tradition in Ephefus, der Heimat
Heraklits, fchrieb, einen Zufammenhang in der Logoslehre
konfluieren möchte. Ich denke vielmehr an den
einleitenden Abfchnitt über die Anregungen, die Zenon
von Sokrates her empfangen hat. D. urteilt über die
! Stellung der Sophiftik im ganzen durchaus richtig, aber