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Ausgabe:

1908 Nr. 18

Spalte:

521-523

Autor/Hrsg.:

Bresler, Johannes

Titel/Untertitel:

Zeitschrift für Religionspsychologie. Grenzfragen der Theologie und Medizin. Band I. 12 Hefte 1908

Rezensent:

Ritschl, Otto

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 18.

522

Herrenworten begleitet ift. Das h. Abendmahl ift diejenige
Kultushandlung der chriftlichen Gemeinde, in der
fie fich den im Leiden und Sterben Jefu gefchehenen,
vollendeten Abfchluß feines perfönlichen Lebenswerks
finnbildlich vergegenwärtigt — finnbildlich, weil fie
den Inhalt diefer grundlegenden Heilstatfache des neuen
Bundes als unerfchöpflich, als unausfprechlich reich
und tief empfindet. — Die Taufe ift diejenige Kultushandlung
der chriftlichen Gemeinde, in welcher fie fich und
den neu Eintretenden die Ausgießung des heiligen Geiftes,
oder die Entftehung der geifterfüTlten, neutefta-
mentlichen Gemeinde, als fchöpferifchen, auch
ihnen zu gut kommenden Lebensanfang von unvergleichlicher
und unverfiegbarer Erneuerungskraft linnbildlich
vergegenwärtigt, — finnbildlich, weil fie auch
diefe zweite grundlegende Heilstatfache des neuen Bundes
als unausfprechlich reich und tief empfindet. Da das
Tauffakrament auf fo breiter gefchichtlicher Grundlage
ruht, fo ift es von untergeordneter Bedeutung, daß der
„Taufbefehl" der Gefchichtskritik nicht ftand hält. Jede
Auffaffung, nach der die Taufe kraft des korrekten
äußeren Vollzugs der Kultushandlung die Wiedergeburt
des Getauften magifch bewirkt oder vorbereitet, ift als
unevangelifch abzulehnen. Dennoch ift die Taufe das
Bad der Wiedergeburt, d. h. es wird durch die Taufe
im Gemeindegottesdienft die Wiedergeburt fymbo-
lifch dargeftellt, was dem Glauben neben der Predigt
des Wortes Bedürfnis ift und für den Glaubenden auch
feinen befondern Segen hat. Da die Taufe eine Handlung
der ganzen chriftlichen Gemeinde ift, fo entfcheidet
über den richtigen Zeitpunkt der Taufe das praktifch-
kirchliche Intereffe, und diefe fpricht da, wo Miffions-
gebiet und Miffionszeit ift, für die Taufe Erwachfener,
hingegen da, wo chriftliche Familien fchon eine organi-
fierte chriftliche Gemeinde bilden, für die Kindertaufe'.

Dies der Inhalt der im beften Sinne des Wortes populären
Vorträge. Sie bewegen fich auf der in der
trefflichen Schrift Gottfchicks über die Tauf lehre der
Reformatoren gezeichneten Linie (Th. Literaturzeitg.
1906, Num. 19) und vereinigen, wie diefe, pietätvolle
Treue gegen die kirchliche Tradition mit evangelifchem
Verftändnis des aus der chriftlichen Offenbarung geborenen
Heilsglaubens. Sie fei deshalb auch unfern gebildeten
Laien aufs befte empfohlen.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Zeitfchrift für Religionspfychologie. Grenzfragen der Theologie
und Medizin. Herausg. von Oberarzt Dr. Joh.
Bresler(undPaft.GuftavVorbrodt). Bandl. l2Hefte.
Halle, C. Marhold 1907.08. (VIII, 520S.) gr. 8° M. 10 —

Bei der Gründung diefer neuen Zeitfchrift fcheint
Vorbrodt, der feit anderthalb Jahrzehnten mit zäher Beharrlichkeit
für eine durchgreifende Pfychologifierung
der Theologie eingetreten ift und für diefes fein Programm
namentlich in den letzten Jahren wieder aufs rührigfte
gewirkt hat, hervorragend beteiligt gewefen zu fein.
Wenigftens müßte ich mich fehr täufchen, wenn nicht
aus feiner Feder die Worte ,Zur Einführung' herrührten,
mit denen das erfte Heft beginnt, und die auf S. 3 h den
dem ganzen Unternehmen zugrunde liegenden Arbeitsplan
feftlegen. Zu den erften drei Heften find auch vor
allem von ihm Beiträge beigefteuert, darunter eine fchon
vor Jahren von ihm in Ausficht geftellte Arbeit über
biblifche Religionspfychologie (S. 12—33. 110—125).
Diefe ihrer ganzen Anlage nach auf einen weit größern
Umfang zugefchnittene Arbeit fcheint aber doch nicht
vollftändig in der Zeitfchrift wiedergegeben zu fein, da
fich hier nur deren Abfchnitte I. A. 1 und 2 und I. B. 1
abgedruckt finden. Daß die ferneren Fortfetzungen
fehlen, hängt wohl irgendwie mit Vorbrodts Austritt
aus der Redaktion zufammen, der im 4. Heft auf S. 184
zugleich mit dem Ausdruck der Hoffnung mitgeteilt

wird, .alsbald einen anderen Herrn Theologen an feiner
Stelle zu gewinnen'. Bisher jedoch zeichnet noch nicht
wieder ein Theologe als Mitherausgeber, fondern allein
der Oberarzt Dr. Joh. Bresler zu Lublinitz in Schienen.

Überwiegen nun fchon unter den auf dem Titelblatt
aufgeführten Gelehrten, die ihre Mitwirkung in Ausficht
geftellt haben, die Mediziner und unter ihnen die Pfy-
chiater, fo rührt von diefer Seite her auch die große
Mehrzahl der Beiträge zu dem erften Jahrgange feit Vorbrodts
Ausfeheiden aus der Redaktion. Von bekannten
Theologen flehen in dem Verzeichnis der Mitarbeiter
überhaupt nur die Namen von Dorner, E. W. Mayer,
Niebergall, Rittelmeyer, Schian, Wobbermin, dazu die
von einigen Pfarrern, namentlich von Anftaltsgeiftlichen.
Theologifche Beiträge aber find, abgefehen von Vorbrodts
Artikeln und einigen Rezenfionen, nur erft von
Dorner über die Begrenzung der pfychologifchen Methode
der Religionsforfchung, von Katzer über Sozial- und In-
dividualfeelforge und von dem Anftaltsgeiftlichen E.
Kleemann in Leipzig über die Religion der Verbrecher
erfchienen. Noch gar nicht vernehmen laffen haben fich
dagegen die Juriften, von denen kein Geringerer als Lifzt
in Berlin und außerdem ein Staatsanwalt E. Wulften in
Dresden als Mitarbeiter aufgeführt find. Von bekannteren
Philofophen haben nur Elfenhans in Heidelberg und
Kowalewski in Königsberg ihre Mitwirkung verfprochen,
dasfelbe hat Th. Achelis in Bremen getan. Sonft fcheint
die Zeitfchrift, an der freilich auch noch einige prak-
tifche Pädagogen mitarbeiten wollen, ganz in den Händen
der Mediziner zu liegen, auf die ja bisher auch der
Löwenanteil der gekitteten Arbeit fällt.

In der Tat ift es eigentümlich und etwas ganz Neues,
daß fich in der Zeitfchrift vor allem Nerven- und Irrenärzte
und Theologen zu gemeinfamer Arbeit verbunden
haben. Aber wird diefer Bund wohl auch auf die Dauer
Beftand behalten? Ein günftiges Prognoftikon fcheint es
doch eben nicht zu fein, daß gleich nach wenigen Monaten
fchon der Vertreter der Theologie aus der Redaktion
wieder hat austreten müffen. Doch da mir die näheren
Umftände diefes Auseinandergehens unbekannt find, fleht
es mir auch nicht zu, darüber ein Urteil abzugeben.
Größer werden immerhin die fachlichen Schwierigkeiten
eines dauernden erfprießlichen Zufammenarbeitens beider
Teile fein. Wie heterogen die beiderfeitigen Standpunkte
find, verrät fich gelegentlich fchon in dem erften Bande.
Auf der einen Seite naturwiffenfehaftlicher Determinismus
, auf der andern vorwiegend indeterminiftifche Neigungen
! Hier immer auch irgendwie metaphyfifche An-
fprüche und Vorausfetzungen, dort lediglich Empirismus,
fo anerkennenswert es auch ift, wie fich manche der
Nerven- und Irrenärzte bemüht haben, der Religion auch
direkt eine pofitive Bedeutung und pofitiven Wert abzugewinnen
! Gleichwohl liegt es in der Natur des Faches,
das fie vertreten, und in dem ihr pfychologifches Sach-
verftändnis wurzelt, daß fie vorzugsweife doch über re-
ligiöfe Erfcheinungen pathologifcher Art handeln. Aber
gerade diefe pfychiatrifchen Arbeiten, wie namentlich die
insbesondere auch auf kirchengefchichtlichen Studien beruhende
.Pfychologie der Heiligkeit' von F. Mörchen
(S. 393 ff.) und die ,pfychiatrifch-theologifchen Grenzfragen
' von Arthur Muthmann (S. 49«". 125ff.) find auch
für Theologen teilweife lehrreich. So follten vor allem
die Geiftlichen, die es mit individueller Seelforge zu tun
haben, der beachtenswerten Theorie des ,Abreagierens'
von Freud, auf die Muthmann mehrfach hinweift, ihre
Aufmerkfamkeit zuwenden. Auch Freud felbft hat gleich
im 1. Hefte einen Artikel über ,Zwangshandlungen und
Religionsübung' (S. 4ff.) beigefteuert, der freilich an der
Religion nur einen ihrer alleräußerlichften und unwefent-
lichften Züge, das Zeremoniell, ins Auge faßt und durch
fcheinbare pfychiatrifche Analogien beleuchtet.

Andere Artikel find weniger erheblich. Bei einigen,
wie dem aus dem Dänifchen wiedergegebenen über ,die