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Ausgabe:

1908

Spalte:

505-509

Autor/Hrsg.:

Charles, R. H.

Titel/Untertitel:

The Greek Versions of the Testaments of the twelve Patriarchs 1908

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark

Nr. 18. 29. Auguft 1908. 33. Jahrgang.

Charles, The Greek Versions of the Testaments
of the twelve Patriarchs edited from nine MSS.
(Schiirer).

Charles, The Testaments of the twelve Patriarchs
, translated (Schürer).

Huck, Deutfche Evangelien-Synopfe (H. Holtz-
mann).

Die fünfte Ordnung des paläftinifchen Talmuds
und S. Friedländer (Strack).

Knieb, Gefchichte der katholifchen Kirche in
der freien Reichsftadt Mühlhaufen in Thüringen
von 1525—1629 (Boffert).

Friedrich, Die Entftehung der Reformatio
ecclesiarum Hassiae von 1526 (Cohrs).

Hundert Stimmen aus vier Jahrhunderten über
den Jefuitenorden, gefammelt von Eckart
(Bruckner).

Hilgers, Die Bücherverbote in Papftbriefen
(Bruckner).

Peters, Kirche und Bibellefen (Bruckner).
Ziegler, Die Sakramente der evangelifchen

Kirche (Lobflein).
Zeitfchrift für Religionspfychologie, herausgeg.

von Bresler Bd. I (Ritfehl).
Zur Ergänzung und Berichtigung (Wilhelm).

Charles, R. H., D.Litt., D.D., The Greek Versions of the
Testaments of the twelve Patriarchs. Edited from nine
MSS. together with the Variants of the Armenian
and Slavonic Versions and some Hebrew Fragments.
Oxford, Clarendon Press 1908. (LX, 324p.)gr. 8° s. 18 —
Eine Ausgabe des griechifchen Textes der Teftamente
der zwölf Patriarchen unter Heranziehung des gefamten
verfügbaren Materiales war längft ein fehnlicher Wunfeh
aller, welche mit diefem wichtigen Denkmal des fpäteren
Judentums fich zu befchäftigen Anlaß hatten. Durch
Sinker haben wir zwar im J. 1869 einen forgfältigen
Abdruck der Cambridger Handfchrift erhalten unter
Beigabe der abweichenden Lesarten der Oxforder; und
zehn Jahre fpäter lieferte Sinker dazu einen Nachtrag,
welcher außer bibliographifchen Nachweifungen eine
Kollation des ftark abweichenden, offenbar vielfach befferen
Textes einer römifchen Handfchrift ( Vaticanus Graec. 731)
und eine folche einer Handfchrift von Patmos bot (1879).
Aber diefes noch recht unvollftändige Rohmaterial erweckte
nur um fo dringender das Verlangen nach der
von Sinker in Ausficht geflellten kritifchen Ausgabe.
Nach beinahe dreißig Jahren des Wartens wird uns nun
eine folche geboten durch R. H. Charles, der, in Sinkers
Fußftapfen tretend, mit rüftiger Kraft das überaus mühevolle
Werk in verhältnismäßig kurzer Zeit bewältigt hat.
Wenn man den kritifchen Apparat betrachtet, flaunt man
über das Maß der Arbeit, das hier geleiftet ift. Schon
dies allein verpflichtet uns zum lebhaften Dank für das
Gebotene.

Während wir durch Sinker nur über den Text von
vier Handfchriften orientiert waren, hat Charles neun
griechifche Handfchriften und die armenifche und flavifche
Überfetzung benützt. Die griechifchen Handfchriften find
(nach der von Charles gewählten Bezifferung): a) die
Oxforder saec. XIV, b) die Cambridger saec. X, c) die
römifche, Vat. Graec. 731, saec. XIII, d) eine andere
römifche, Vat. Graec. 1238, ebenfalls saec. XIII, e) eine
Handfchrift vom Athos, saec. X, welche befonders dadurch
merkwürdig ift, daß in den Text der Teftamente
an drei Stellen größere Stücke eingefchoben find (bei
Levi 2, 3 ein Selbftlob und Gebet des Levi, bei Levi 18, 2
ein umfangreiches Stück über den Opferdienft, über
welches unten noch näher zu berichten fein wird, bei
Afer 7, 2 ein chriftlich.es Stück über Liebe und Trinität),
f) eine Parifer, saec. X, g) die Handfchrift von Patmos
saec. XVI, h) und i) zwei Handfchriften vom Sinai, beide
saec. XVII. Von fünf Handfchriften: den beiden
römifchen, der Handfchrift vom Athos, derParifer
und der zweiten finaitifchen (von letzterer größtenteils
) haben dem Herausgeber photographifc he
Nachbildungen zur Verfügung geftanden! Es ift

dies meines Wiffens im Bereiche der theologifchen Literatur
der erfte Beweis größeren Stiles dafür, wie fehr jetzt
textkritifche Arbeiten durch die Fortfehritte der photo-
graphifchen Technik erleichtert werden. Mit verhältnismäßig
geringen Korten kann man Handfchriften fo pho-
tographieren laffen, daß das Original faft erfetzt wird.
Von der erlten finaitifchen Handfchrift konnte Ch. eine
von Mrs. Gibfon angefertigte Kollation benützen.

Die neun Handfchriften ftellen zwei Text-Klaffen
dar. Die eine Klaffe (a) wird gebildet durch c h i, alfo
die erfte römifche und die beiden finaitifchen, die andere
(/?) durch die übrigen fechs Handfchriften. Aber die
beiden Klaffen find keineswegs fcharf von einander ge-
fchieden. In unzähligen Fällen gehen einzelne Vertreter
der einen Klaffe mit der andern. Innerhalb der Klaffe ß
bilden die Handfchriften a e f und b d g je eine Gruppe.
Signifikante Beifpiele für letzteres find" Sebulon 6, 4—6
und 7, 1—8, 3, welche Stücke nur durch b d g geboten
werden und wohl Interpolationen find; auch Sebulon 9, 8
haben b d g einen eigenartigen Text. Aber gerade die
Handfchriften diefer Gruppe weichen auch wieder ftark
von einander ab. Der Text der Klaffe a ift im großen
und ganzen wohl der beffere, wie ja die relative Güte
der erften römifchen Handfchrift (c) fchon bisher erkannt
worden ift. Aber man kann nur von einer fehr relativen
Güte fprechen. Ja die Klaffe « ift mehr als ß durch Aus-
laffungen entftellt. Charles verzeichnet als folche p. XX:
Rüben 2, 3b—4a, Levi 9, 2b, nb, 14b, 12, 5—7, 13, 2,
Jud. 3, 4. 6, 1—2. 12, 6-10. 21, yä, Naphtali 8, 4b, 6c. Der
Text ift eben fo verwildert, daß es in vielen Fällen nicht
mehr möglich ift, auch nur mit Wahrfcheinlichkeit zu
fagen, welches die richtige Lesart ift. Wenn die höhere
Kritik nachweifen kann, daß der urfprüngliche Text umfangreiche
Interpolationen erfahren hat, fo wird diefes Urteil
auch fchon durch die Vergleichung der Handfchriften
unterftützt, deren Abweichungen zahlreiche Gloffeme,
wenn auch meift geringeren Umfangs, erkennen laffen.

Ein wichtiger Text-Zeuge ift die armenifche Überfetzung
, die in zahlreichen Handfchriften erhalten ift.
Ihr Text leidet freilich an einer Menge kleiner Aus-
lalfungen. Andererfeits aber ift fie befonders dadurch
wertvoll, daß fie an manchen Stellen die chriftlichen
Einfchübe noch in geringerem Umfange wie der griechifche
Text bietet, fo daß man an ihr das allmähliche
Anwachfen der chriftlichen Einfchübe noch beobachten
kann. Auch fonft hat fie zuweilen allein das Richtige.
So find namentlich die bei allen griechifchen Zeugen
fehlenden Stücke Jofeph. 19, 3—7 und Benjamin 2, 6—8
als ursprünglich zu betrachten. Auch die armenifche
lext-Uberlieferung fpaltet fich wieder in zwei Klaffen
Im allgemeinen geht fie mehr mit der griechifchen Klaffe
ß als mit a.

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