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Ausgabe:

1908 Nr. 17

Spalte:

491

Autor/Hrsg.:

Brandt, Samuel

Titel/Untertitel:

Eine Handschrift der Homilien des Johannes Chrysostomus zu dem Epheser- und den Thessalonicherbriefen auf der Insel Thera 1908

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 17.

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der Tat zu denken, daß die ,variantes lectiones' eines I und franzöfifcher Überfetzung zum erften Male einen
Chriftophorfon, Scaliger oder Caftellanus verlorengegan- j ganzen Monat des äthiopifchen Synaxars, nämlich den
gene Hff. darftellen. Eine neue Ausgabe wird fomit, 1 Monat Sani (26. Mai—24. Juni). Das äthiopifche Synaxar
fagt Bidez, nicht bloß den Vorteil haben, daß man die ift der Heiligenkalender der abeffinifchen Kirche. In

Herkunft des Textes kennen lernt, fondern vielmehr wird
fie, und zwar in erfter Linie, deffen Herftellung felbft um-
gehalten. Da find die beiden Teile des Marcianus 344,
die einer neuen Vergleichung des Cod. Marc. 337 (M)
und Cod.Barocc. 142 (B), des Cassiodorus, des Cod.Ambros.
des Pf.-Polydeukes und felbft des Niketas gegenüberzu-
ftellen find; dazu endlich der Rückgang auf die Quellen
des Sozomenos: alle diefe Auskunfts- und Prüfungsmittel
werden uns in den Stand fetzen, vom einen bis zum
andern Ende der 9 Bücher des Sozomenos eine große
Anzahl von ungerechtfertigten Lesarten und Textver-
derbniffen zu befeitigen. — Möge die neue, auf fo breiter,
geficherter Grundlage fich aufbauende Ausgabe des Sozomenos
recht bald erfcheinen.

Wandsbeck. Johannes Dräfeke.

feinem urfprünglichen Beftande ift er aber nicht von
diefer Kirche felbft gefchaffen, fondern aus der koptifchen
Kirche übernommen worden. Die Überfetzung aus dem
Arabifchen in das Äthiopifche wird im 15. Jahrhundert
erfolgt fein. Die bislang bekannten und unterfuchten
Exemplare des äthiopifchen Synaxars weifen nun aber
gegenüber dem arabifchen Original ein erhebliches Plus
auf Nur einen Teil diefes Überfchuffes konnte man bisher
mit Beftimmtheit der Tätigkeit der abeffinifchen
Gelehrten zufchreiben, nämlich die Erwähnungen und
Erzählungen, die abeflinifche Perfonen betreffen, fowie
die fämtlichen den überfetzten Artikeln angehängten
oder fonft frei eingefügten Salame, d. h. die fünfzehigen
poetifchen Eulogien, Vermutungsweife auch noch die Einfügung
von Geftalten aus der Bibel und den Apokryphen.
Alle anderen im äthiopifchen Synaxar mehr enthaltenen
Artikel behandeln nichtabeffinifche Heilige. Da nun diefe
Eine Handfchnft der Hom.lien des Johannes Chryfoftomus zu Artikel nachweislich aus dem Arabifchen überfetzt find,
dem Epheter- und den Thelfalonicherbriefen auf der Infel Thera. { zudem hin und wieder einmal einer davon in einem
Adolf Deißmann erwähnt kurz in dem fchönen Buche Exemplar des arabifchen Synaxars vorkommt, fo mußte
,Licht vom Offen' S. 201 Anm. 6 ,eine ganze Anzahl) man aus diefen wie auch^ noch andern Gründen es für
feines Wiffens noch nicht bekannter griechifcher Bibel-

und Väterhandfchriften' im Klofter des Heil. Elias auf
Thera. Als Teilnehmer an der unter Führung von Prof.
v. Duhn im Frühjahr 1906 veranftalteten Studienreife
badifcher Philologen nach Kleinafien und Griechenland
konnten wir beide, Prof. Deißmann und ich, am 18. Mai

wahrfcheinlich halten, daß das äthiopifche Synaxar aus
einer uns bislang nicht bekannt gewordenen entwickelteren
Form des arabifchen Synaxars überfetzt fei. Diefe
literarkritifche Anfchauung, zu der man bisher neigen
mußte, wird durch die vorliegende Ausgabe endgültig
widerlegt, vgl. fchon die Mitteilung Guidis im Orlens

die meiner Erinnerung nach die Zahl zehn nicht über- christianus 1904 S. 433 f. Wohl feiten wird eine einfache
neigenden, nicht hervorragend alten Handfchriften des Textausgabe für die Literarkritik folche weittragenden

Kloffers rafch durchmuftern, die mit einer mäßigen Zahl
gedruckter Bücher fich in einem Schranke des großen
Speifefaales befanden. Ich möchte die Angabe meines

Folgen haben wie die vorliegende. Diefer Fortfehritt
beruht auf einer einzigen, erft feit 1904 in Unterfuchung
gezogenen älteren Handfchrift, nämlich der No. 66 der

verehrten Reifegenoffen aus meinen Aufzeichnungen feit 1902 in der Parifer Nationalbibliothek befindlichen
dahin ergänzen, daß dort nur eine patriftifche Handfchrift j d'Abbadie'fchen Handfchriftenfammlung. Aus paläo-
mir zu Geficht gekommen ift. Der ffattliche Band, ! graphifchen Gründen kann diefe Hdfchr. noch dem Ende
31x26 cm, ohne Blatt- oder Seitenzählung, auch ohne des 1S- Jahrhunderts zugewiefen werden, fie ift alfo der
Belitz- oder Provenienzvermerk, enthält in fchöner Schrift ! überfetzung des Werkes aus dem Arabifchen beinahe
jedenfalls noch des XII. Jahrh. die Homilien des Chry- ! gleichzeitig und deckt fich in ihrem Stoffbeftande völlig
foftomus zum Ephefer- und den beiden Theffalonicher- 1 mit dem arabifchen Synaxar, wie es in zwei vatikanifchen
briefen. Auf Bl. 1 fleht nach einer faft unleferlich ge- Mff. (arab. 63 und 65) vorliegt, wenn auch die Textwordenen
, daher bei der knappen Zeit nicht zu entziffern- geffalt Abweichungen enthält. Diefe bislang anfeheinend
den Überfchrift die aus den Ausgaben bekannte Hypo- allein daftehende Hf. repräfentiert alfo die urfprüngliche
thefis zum Epheferbrief, dann folgen die Homilien mit Form diefer überfetzung, während alle andern mehr
der Überfchrift (mit AuflÖfung der Kompendien): Tov J bietenden äthiopifchen Synaxare einer fpäteren, vielleicht
hv äyloiq xaxQoq rjucöv 'imävvov tov vqvöootÖiiov ' egfin- zu Anfang des 17. Jahrhunderts hergeffellten Rezenfion
veia etg xrpv xoog kpeoiovg inuSxoX^v ' tov aytov axo- I angehören. Bei der Textherftellung war alfo diefe Hf.
otÖXov xavlov. Am Schluß: eQfttjvsla slg ttjv xgbg I zugrunde zu legen, andrerfeits aber doch auch die fpätere,
kpeolovg kxiöxoZrjv tov aytov xavXov. Die Homilien zu j durcn wertvolles Gut bereicherte Rezenfion zu berück-
den Theffalonicherbriefen haben weder befondere Über- 1 fichtigen. Guidi hat in gefchickter Weife beides fo mit-
noch Unterfchrift. Aus dem Schluffe der letzten Homilie, I einander vereinigt, daß er zu dem Beftande des Abbaten
ich abgefchrieben habe, wäre die Variante xaxa§ia>- dianus (A) das Plus der fpäteren Rezenfion, wie es die
dvjVM für das bei Montfaucon (XI p. 545 C) flehende beiden von ihm noch verwerteten Mff. O (= Oxford, Bod-
ä&m&rjvai hervorzuheben. Die Handfchrift endigt mit leian Library n° XXV) und P (= Paris, Bibhothique
einer Gebetsanrufung, ohne Namen des Schreibers und nationale, Fonds ethiopien n0 128) bieten, in Klammern

hinzugefügt hat. Aber nicht nur feines urfprünglicheren
Stoffbeftandes wegen ift A zugrunde zu legen, fondern in
den ihm mit O und P gemeinfamen Partien auch feiner
urfprünglicheren Textgeftalt und Orthographie wegen.
Abgefehen von Fehlern und offenbaren Auslaffungen,
die er korrigiert hat, druckt Guidi mit Recht A einfach
Patrologia orientalis. Tome I. Fascicule 5: Le synaxaire ab und fügt alle einigermaßen wichtigen der O und P

ohne Datierung. — Handfchriften von Profanautoren befitzt
das Klofter neben diefer und den neuteftamentlichen
(und ritualen?) nicht.

Heidelberg, Samuel Brandt.

ethiopien I le mois de Sane. Texte ethiopien inedit,
publie et traduit par J. Guidi avec le concours de
L. Desnoyers. Paris, Firmin-Didot et Cie 1907.
(188 p.) Lex.-8° fr. 11.20

Diefer Faszikel, mit dem der erfte Band der von
Graffin und Hau herausgegebenen Patrologia orientalis
feinen Abfchluß erreicht hat, bringt in äthiopifchem Text

gemeinfamen Varianten hinzu. In den Partien, die O
und P mehr haben als A, folgt er der Orthographie von
P. Übrigens kommt es auch vor, daß O oder P einmal
einen Salam allein bietet.

Die unter dem Text hinzugefügte franzöfifche Überfetzung
ift beinahe ausfchließlich das Werk des Herrn
Desnoyers. Sie zeugt von tüchtigem Können und feinem
Verftändnis.