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Ausgabe:

1908 Nr. 16

Spalte:

470-472

Autor/Hrsg.:

Clemen, Otto

Titel/Untertitel:

Briefe von Hieronymus Emser, Johann Cochläus, Johann Mensing und Petrus Rauch an die Fürstin Margarete und die Fürsten Johann und Georg von Anhalt 1908

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 16.

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tiefen Erklärungsgründen zu fuchen. Sie bieten fich von
felbft, wenn man bedenkt, daßdasGros der eigenchriftlichen
Grabanlagen auf Sizilien dem vierten und fünften Jahrhundert
, d.h. der begonnenen Friedensepoche, entftammt;
nachweisbar älter find die Katakombe der Vigna Caffia
und S. Maria di Gefü bei Syrakus (mit Lokulireihen nach
Art der römifchen S. 30; von Schultze S. 58 f. noch
früher datiert als von Führer) fowie die von Palazzolo-
Acreide (S. 155). Die Südoftecke Siziliens liefert überhaupt
das reichfte Material an Grabanlagen aller Art,
woneben hauptfächlich nur noch Girgenti, Palermo, Mar-
fala in Frage kommen. Die durchgeführte Ortslifte war
durch .Forfchungen' S. 678—680 vorbereitet; doch ver-
miffe ich nunmehr eine Erwähnung der Katakomben
weltlich von Ragusa superiore (ebenda S. 679 sub 16. 17)
fowie der von N. Müller in feinem umfaffenden Artikel
der Prot. Realenzykl. X 806 5» angeführten Nekropole
von Selinunt. Abgefehen davon hat man fich gegenwärtig
zu halten, daß noch zahlreiche Grabftätten im
Dunkel der Erde verborgen fein werden (S. 9).

Den einzelnen Ortsgruppen hat der Bearbeiter, wo
es angängig war, eine hiftorifche Einführung beigegeben
und dem Ganzen eine Einleitung vorangefchickt, die gut
in die lokalen Verhältniffe fowie in die Gefchichte der
Erforfchung einführt; eine eigens unternommene Reife
(1906) fetzte ihn zu den verfchiedenen kleinen Ergänzungen
in den Stand. Verfucht der Lefer, den Umfang
der beiderfeitigen Beiträge feßzußellen, fo gerät er freilich
, wiewohl durch eingeklammerte Anfangsbuchftaben
unterftützt, in Schwierigkeiten. Die Endabfchnitte über
,das architektonifche Gefamtbild; die innere Ausftattung
des Grabes; die Malerei; die Sarkophagfkulptur; die ge-
fchichtliche Stellung' flammen von Schultzes Hand. Naturgemäß
überwiegt in dem ganzen Buche das Architektonifche
. Hier verdient die Frage nach der Beein-
fluffung der fizilifchen Grabformen durch das chriftliche
Ausland, fpeziell den Orient, noch eine umfaffendere
Behandlung. Der gebliebene Infchriftenbeftand ift verhältnismäßig
gering oder unergiebig. Auch die Malerei
tritt gegenüber der an den römifchen Monumenten gefundenen
recht in den Hintergrund. Nur Syrakus und
Marfala kommen hier in Frage. Für jenes ift die genaue
Lifte in Führers ,Forfchungen' unentbehrlich. Schultze
fchränkt in feiner Erklärung der Malerei feine fymbolifche
Deutung zugunften der lediglich dekorativen unter
Belobigung v. Sybels (S. 286, vgl. 1907 Nr. 2 dfr. Ztg.)
mit Recht ein, ohne doch von feinem fepulkral-fymbo-
lifchen Standpunkt, trotz der von mir in diefer Ztg. 1898
Sp. 246 k geltend gemachten Wünfche, in der Hauptfache
nachzulaffen (S. 296 vgl. 309). Sehr zu bedauern ift, daß
von den Fresken nur eins farbig veröffentlicht iß (Taf. 3),
dazu — nach Führer, Forfchungen S. 775 Taf. X 1 zu urteilen
— (vgl. die Mundlinien der dargeßellten Perfonen
und die Augen des Heilandes) offenbar ungenau. Gleiches
gilt von der Abb. auf S. 293 (gegenüber Führer Taf. X 2).
Wäre es nicht möglich gewefen, etwa mit Hülfe eines
Zeichners Wilperts, hier Befferes und mehr zu liefern,
ehe die Fresken noch weiter dem Verfalle unterliegen?
Mindeßens durfte auch das religionsgefchichtlich hoch-
intereffante Bild mit der an den fitzenden Buddha erinnernden
Figur S. 291 f. (Führer S. 782) nicht fehlen
Auch die Wiedergabe des Adelphia-Sarkophags auf
Taf. 4 ßeht gegenüber der größeren und deutlicheren
bei Führer Taf. XII 1 entfchieden zurück.

Das an aufopferungsvoller Arbeit reiche Werk iß
um feiner übrigen Ausßattung und des gediegenen Inhalts
willen zu begrüßen.

Betheln (Hann.). E. Hennecke.

Höhne, Prof. Paß. a. D. Lic. Dr. Emil, Kailer Heinrich IV.

Sein Leben und feine Kämpfe (1050—1106), nach dem
Urteile feiner deutfchen Zeitgenoffen dargeßellt.
Gütersloh, C. Bertelsmann 1906. (VIII, 347 S.) gr. 8°

M. 5—, geb. M. 6 —

Einer der vielen Verbuche, uns diefe Kaifertragödie
,reich an hochdramatifchen Zügen' menfchlich näher zu
bringen. Der Verfaffer teilt die zeitgenöffifchen Bericht-
erßatter über Heinrichs Leben und Kämpfe ein in:
A. Feinde. B. Freunde. C. Unparteiifche. Zu den Feinden
rechnet er Bruno, den Verfaffer des Sachfenkrieges;
Lambert von Hersfeld (deffen Jahrbücher ihm als aus-
gezeichnetßes Quellenwerk für die erßen zehn Regierungsjahre
Heinrichs gelten); Berthold von Reichenau, Bernold
von St. Blafien, die Hildesheimer und Halberßädter An-
nalen — d. h. alfo mit andern Worten fo ziemlich alles,
was wir an hißorifchen Material befitzen. Zu den freunden
' zählt er nur zwei: den Sänger der Kämpfe an der
Unßrut, von deffen Liedern er aber felbß zugeben muß,
daß fie mehr Phrafe und Phantafie, als gefchichtliche
Tatfachen enthalten; ferner den Verfaffer des Panegyrikus,
deffen hißorifcher Wert auch längß als zweifelhaft im
höchßen Grade erkannt iß. Der Reß (die Chroniken des
Ekkehard von Aura, Herimans von der Reichenau, und
die Augsburger Jahrbücher) gilt ihm für unparteiifch.
Nach diefer etwas merkwürdigen Klaffifizierung — muß
es denn gerade als Zeichen feindfeliger Gefinnung ange-
fehen werden, wenn man dem verblendeten Fürßen die
Wahrheit ins Geficht fagt; iß es nicht charakterißifch,
daß beide fogenannten Freunde anonym geblieben find?
— werden diefe Zeugen zur Beurteilung der einzelnen
Handlungen und Begebenheiten in Heinrichs IV. Leben
,abgehört', wie Höhne fagt, einer um den andern, und
doch ohne Abwechflung. Klarheit in der Darßellung
und genügende Dispofition des Stoffes laffen leider fehr
viel zu wünfchen übrig. Unterabteilungen mit vorgefetztem
a, b, c ufw. tun es allein noch nicht, befonders
I wenn z. B. dem b (S. 312) überhaupt kein a entfpricht.
Andererfeits hat es neben diefen offtnfichtlichen
Mängeln der Verfaffer allerdings verßanden, von der
erßen bis zur letzten Seite fein Grundmotiv durchfcheinen
zu laffen: Die Gefchichte möge unfere Lehrmeißerin fein,
fie foll uns zeigen, daß befonders eins not tut: Eine ideal
gerichtete Kirche, die auf ihrem Gebiete frei und in
allen ihren Dienern wie Gliedern fittlich rein iß; und
fodann eine Kaifermacht, die Schützerin iß aller edlen
Realitäten (sie), ohne Sklavin zu fein einer auf Weltherrfchaft
ausgehenden, das Evangelium als Waffe für die
Erreichung einer politifchen Machtßellung mißbrauchenden
Kirchlichkeit (S. VI).

Um diefer löblichen Abficht willen wird wohl mancher
mit dem Verf. nicht fo ßreng ins Gericht gehen, zumal
er fich auch felbß damit begnügen will, fein Scherflein
beigetragen zu haben, .irrige Anfchauungen (z. B. über
Kanoffa) zu korrigieren, die noch immer im Schulunterricht
und in Lefebüchern verbreitet werden'.

Bonn. Keller.

Clemen, Gymn.-Oberlehr. Lic. Dr. Otto, Briefe von Hieronymus
Emfer, Johann Cochläus, Johann Menfing und
Petrus Rauch an die Fürßin Margarete und die Fürßen
Johann und Georg von Anhalt. (Reformationsgefchicht-
liche Studien und Texte. Heft 3.) Münßer i. W.,
Afchendorfffche Buchhandlung 1907. (VIII, 67 S.)
gr. 8° M. 2 —

So gering der Umfang des 3. Hefts der reformations-
gefchichtlichen Studien iß, fo wertvoll iß fein Inhalt, indem
es uns Briefe aus dem Lager der Gegner der Reformation
bringt und fo die Stimmung der altgläubigen
Krcife in den Jahren 1526—45 erkennen läßt. Je dürftiger