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Ausgabe:

1908

Spalte:

449-451

Autor/Hrsg.:

Sellin, Ernst

Titel/Untertitel:

Die alttestamentliche Religion im Rahmen der andern altorientalischen 1908

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologische Literaturzeitung.

Herauseeo-eben von D. Ad. Harnack, Prof in Berlin, und D. E. SchÜrei*, Prof. in Göttingen,

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlung, Leipzig, Jährlich 18 Mark

Nr. 16. x. Auguft 1908. 33. Jahrgang.

Sellin, Die altteftamentliche Religion im

Rahmen der andern orientalifchen (Bertholet).
Kriintlein, Die fprachlichen Verfchiedenheiten

in den Hexateuchquellen (Steuernagel).
Montgomery, The Samaritans, the earliest

Jewish Sect (Steuernagel).
Brehier, Les idees philosophiques et religieuses

de Philon d'Alexandrie (Paul Wendland).
Trench, Synonyma des Neuen Teftameuts,

ausgew. und überf. von Werner (v. Dobfchütz).

Thompson, Mtxavoio)and (isictflikei inGreek
Literature until 100 A. D. (H. Holtzmann).

Weiß, B., Die Quellen des Lukasevangeliums
(Harnack).

— Die Quellen der fynoptifchen Überlieferung
[Texte und Unterfuchungen zur Gefch. der
altchrifU. Literatur, dritte Reihe II, 3] (Derf.).

Meinertz, Jefus und die Heidenmiffion (H.
Holtzmann).

Führer und Schultze, Die altchriftlichen

Grabftätten Siziliens (Hennecke).
Höhne, Kaifer Heinrich IV (Keller).
Giemen, O., Briefe von Hieronymus Emfer, Joh.

Cochläus, Joh. Menfingund Petrus Rauch [Refor-

mationsgefch. Studien und Texte 3] (Boffert).
Görland, Der Gottesbegriff bei Leibniz (E. W.

Mayer).

Strehle, Der metaphyfifche Monismus (Rolffs).
L u b e n o w, Monismus mit und ohne Gott (Derf.).

Sellin, Prof. D. Kraft, Die altteftamentliche Religion im
Rahmen der andern altorientalifchen. Leipzig, A. Dei-
chert'fche Verlagsbuchhandlung Nachf. 1908. (IV, 82 S.)
gr. 8° M. 1.50

Sellin findet, daß es in der bisherigen Literatur über
das Verhältnis der altteftamentlichen Religion zu den
andern orientalifchen überhaupt noch nicht zu einer
klaren Herausarbeitung des Problemes, gefchweige denn
einer allfeitig durchgeführten Löfung gekommen fei, daß
man vielmehr immer nur um einzelne abgeriffene Stücke
der Religion gehandelt und geftritten habe (S. 2). Dem
gegenüber zum erften Male eine prinzipielle Behandlung
des Problemes zu verfuchen oder beffer gefagt, zu zeigen,
wie er glaubt, daß es einmal prinzipiell behandelt werden
müffe (S. 3), ift das Ziel, das er fich in der vorliegenden
Schrift fleckt. Ihr Wert liegt m. E. darin, daß S. wirklich
einmal damit Ernft macht, nicht nur einzelne Stücke
der atl. Religion fondern diefe Religion als Ganzes in
den Rahmen der andern altorientalifchen zu ftellen. Darin
ift ihm ja nun Marti in feiner Einführung zum KHCAT
vorangegangen; aber S. urteilt darüber, daß, indem Marti
das Problem nach den von ihm ftatuierten vier Perioden
der Gefchichte der atl. Religion verfolge, die Einzelprobleme
nur zu leicht in dem Strome der allgemeinen ge-
fchichtlichen Darftellung verfchwänden (S. 5). Nach
Sellins eigener Auffaffung ift die israelitifche Religions-
gefchichte ungleich ftabiler. Er geht darin m. E. viel zu
weit, namentlich in der Beurteilung des altisraelitifchen
Gottesbegriffes. Aber freilich, feine Art die Dinge anzu-
fehen, erleichtert es ihm, fozufagen mit einem einzigen
Qucrfchnitt die gefamte religiöfe Vorftellungswelt des
A.T. bloszulegen und ihr Verhältnis zur Gedankenwelt
der andern altorientalifchen Religionen aufzudecken. Er
braucht zum Zweck der Vergleichung den gefamten atl.
Stoff, der ihm unter den Begriff der Religion fällt, nur
nach einem fyftematifchen Einteilungsprinzip zu zerlegen.
Die einzelnen Gebiete, die fich ihm dabei ergeben, find:
I. der Kult. II. Sitte, Moral und Recht. III. Welt- und
Naturbetrachtung. IV. die Gefchichtsbetrachtung. V. Lebensbetrachtung
und individuelle Frömmigkeit. VI. Gottesglaube
und Gotteslehre (S. 59 auf die Formel gebracht:
a) Jahwe von Ägypten her Israels Gott; b) Jahwe ein
unfichtbarer und unabbildbarer, gnädiger aber auch
heiliger und gerechter Gott; c) Jahwe zugleich auch der
Weltgott, der Gott aller Völker und der Individuen).
VII. Die Vorftellungen von Offenbarung. Und S.s Re-
fultat lautet: ,Es find faß- diefelben religiöfen Vorftellungen
, Sitten, Gebräuche, die im ganzen Orient vorhanden
waren, von jedem einzelnen Volke feiner Eigenart ent-
fprechend ausgeprägt, doch nur in dem einen hat Gott

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felbft gefprochen, fich erfchloffen, und dies fein Wort
hat allmählich alles umgebildet, neu gemacht, und zugleich
ein gut Teil des altorientalifchen Erbes neutralifiert oder
ganz abgeftoßen. — Auf Schritt und Tritt haben wir
Verwandtfchaften gefunden, doch, fobald wir genauer zufallen
, traten uns nur die Verfchiedenheiten erft recht ins
Bewußtfein' ufw. (S. 80).'

Mit diefer Auffaffung hat S. auf's deutlichfte bewiefen,
daß dem Eigenwert der atl. Religion keinerlei Abbruch
gefchieht, wenn fie in den Rahmen der andern altorientalifchen
Religionen hineingeftellt wird, im Gegenteil. Es
ift erfreulich, daß diefe unzweifelhafte Tatfache, mag
man fie im Übrigen begrenzen und erklären wie man
will, in feiner Schrift zu fo deutlichem Ausdruck kommt.
Dagegen ift es ebenfo fchief als ungerecht, wenn er diefen
Ertrag feiner Unterfuchung fo ftark gegenfätzlich zufpitzt,
daß er auf die Antithefe zu ,Wellhaufens religionsgefchicht-
licher Konftruktion', — (das ift der Ausdruck, der Sellin
S. 82 beliebt) — hinauslaufen foll. Meines Wiffens gehören
im Allgemeinen gerade Wellhaufen und feine
Schüler am Letzten mit zu denen, die je daran dachten,
,den kleinen Gott von Jerufalem, wie ihn Smend benannte,
für die Wiffenfchaft im Pantheon der weftafiatifchen Religionen
untergehen' zu laffen (S. 82). Diefe Gefahr droht
uns, wie auch S. wiffen müßte, von ganz anderer Seife.
Ich bedaure ferner den Ton, in dem er (S. 21) ,die Herrn
aus der Wellhaufenfchen Schule' glaubt auffordern zu
müffen, ,endlich einmal ihre alten Hefte und Lehrbücher
zu revidieren und den Satz aufzunehmen: gegen die
mofaifche Herkunft von Dekalog und Bundesbuch ift ein
vernünftiger Grund nicht erfindbar'. Der böfe Dogmatismus
der Wellhaufianer, auf den folche Worte möchten
fchließen laffen, exiftiert denn doch wohl nur in der
eigenen Vorftellung S.s und der Gelehrten, welche fich
nicht zu denken vermögen, daß für den Entfeheid über
Fragen, wie die nach dem Urfprung des Dekalogs oder
des Bundesbuches, andere als dogmatifche Gründe den
Ausfchlag geben könnten!

Im Einzelnen hätte ich gegen S.s Ausführungen öfter
Einwendungen zu erheben, z. B. gegen feine Behauptung
(S. 9), die offizielle israelitifche Religion fei von Anfang
an in fchroffem Gegenfatze zu allen orientalifchen eine
bilderlofe gewefen (vgl. dagegen namentlich Jdc 17 f.),
und eine rechte Verlegenheitsauskunft muß ich die S. 6of.
ausgefprochene Meinung nennen, ,daß der von Mofe
verkündete Gott eben als der überweltliche, heilige doch
von vornherein auf den Weltgott hin angelegt und von
ihm aus Pädagogie — handelte es fich ihm doch
lediglich um die Begründung einer jahwegläubigen
Volksgemeinfchaft — nur als der Volksgott
proklamiert war!' (von mir gefperrt). Dabei wird natür-