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Ausgabe:

1908 Nr. 14

Spalte:

420

Autor/Hrsg.:

Herrmann, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Verkehr des Christen mit Gott. Im Anschluß an Luther dargestellt. 5. u. 6., verb. Aufl 1908

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Seite 1

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419

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 14.

420

Taufe konfigniert gewefen; in der catholicä nun erft wird
er (je nach feiner Dispofition) der Taufgnade teilhaftig.

Das sacramentum ordinis war minder leicht theo-
logifch zu erfaffen als die Taufe. Zumal in der alten
Zeit kann man im übrigen nicht verkennen, wie die Gedanken
hinfichtlich feiner fich parallel zu denen über diefe
entwickeln. Allein es war hier nicht fo rafch zu erkennen,
bezw. auch nur als Problem zu fixieren, worin das Effen-
tielle — mit fpäterem Ausdruck zu reden: Materie und
Form — der Handlung beftehe. Ift die Handauflegung
oder die Salbung das Entfcheidende am Ritus? Und wie
verhält es fich mit der Weihekraft? Wer hat fie überhaupt
? Und kann he erlöfchen? Oder wenigftens unwirk-
fam werden? Komplizierter als bei der Taufe gehaltet
fich auch die Frage, ob ,unerlaubter' Vollzug die fakramen-
tale .Validität' der Weihe berühre. Zumal im Mittelalter, im
Streite zwifchen Papfttum und Kaifertum, wird diefe
Frage brennend. Überhaupt hat das sacramentum ordinis
viel mehr Seiten an fich, die es zum Objekt politifcher,
felbft bloß taktifcher Erwägungen machen konnten. Man
kann aus Saltets Buch erfehen, durch wieviele Nebengänge
hindurch die Ordinationsfrage ihrer fchließlichen dog-
matifchen Entfcheidung bezw. gichtigen' theologifchen
Erfaffung entgegen geführt worden ift. Zur konkreten
hiftorifchen Beleuchtung des Mittelalters, befonders des
Streits um die ,fimoniftifchen' Weihen hätte Saltet fich
die Forfchungen von Stutz über die germanifche ,Eigenkirche
' nicht entgehen laffen follen. Bringen he keine
neuen prinzipiellen Gehchtspunkte in die Gefchichte der
.Reordinationen', fo um fo bedeutfamere ,praktifche'.

Ich habe nicht die Abficht, das Buch von S. genauer
zu analyfieren. Das Material, aus dem es fich erbaut,
ift nicht vorzuführen, ohne viel Weitläufigkeiten. Der allgemeine
Faden der Gefchichte kann ja wohl kurz bezeichnet
werden. S. felbft glaubt fagen zu dürfen, daß
es fich in diefer Gefchichte um ,zwei Prinzipien' handele,
celui de l'efficacite" objective des sacrements et celui de
la Subordination du ministre a l'eglise: etudier Vhistoire
des reordinations, c'est retracer la longue lutte de ces
deuxprineipes, S. 5. Man kann in der Tat zugeftehen, daß
er damit den ,Faden' dem Lefer in der richtigen Weife
fogleich gezeigt und in die Hand gegeben hat. Aber
der Faden hat gar viele Knoten und er ift oft kaum feft
anzuziehen, da er an den verfchiedenften Ecken hängen
bleibt. Wie für die ganze Sakramentslehre ift auch
für die Lehre vom ordo Auguftin der wichtigfte Lehrer
geworden. Die Größe der großen Scholaftiker liegt darin,
daß fie für die Ideen Auguftins optierten. Cette simpli-
fication hardie etait, pour l'epoque, la meilleure Solution
possible. Auf Grund ihrer gewann die Kirche die Klarheit
, deren fie bedrufte. Wohl der wiffenfehaftlich in-
tereffantefte und an Refultaten bedeutfamfte Teil des
Buches ift der vierte, chapitre XV— XXI: la thiologie
de Vecole de Bologne.

Halle a. S. F. Kattenbufch.

Teutfch, Fr., Die kirchlichen Verhältniffe Siebenbürgens.

(Sonderabdruck aus den Deutfch-evangelifchen Blättern
1906.) Halle a. S., E. Strien 1906. (62 S.) gr. 8°

M. 1 —

Diefe Schrift ift gedacht als ein Artikel für die 3.
Auflage der Realenzyklopädie, aber mit Recht hat Hauck
es abgelehnt, den kirchlichen Verhältniffen Siebenbürgens
foviel Raum zu widmen. So erfchien der Artikel zuerft
als Auffatz in den ,Deutfch-evang. Blättern' und nunmehr
als Separatabzug in felbftändiger Form. Sachlich
ift die Schrift für die Konfeffionskunde fehr willkommen.
Sie geht von einem kurzen Abriß der vorreformatorifchen
Kirchengefchichte des Landes aus. Von Anfang an hatte
die katholifche Kirche hier eine Organifation eigentümlicher
Art, die es erklärt, wie Siebenbürgen fo ficher und
felbftändig feine kirchlichen Verhältniffe nach der Reformation
ordnen konnte. Kein Land hat fich im 16. Jahrhundert
fo tolerant gezeigt in bezug auf die möglich
fcheinenden .Religionen'. Was fich zunächft tatfächlich
herausgeftaltete, wurde im 17. Jahrhundert ftaatsrechtlich
fanktioniert, nämlich daß es vier völlig gleichwertige,
ftaatlich anerkannte oder .rezipierte' Kirchen gebe: die
evangelifch-reformierte, die lutherifche oder die desAugs-
burgifchen Bekenntniffes, die römifch-katholifche und
die unitarifche oder antitrinitarifche. Das fog. Unions-
gefetz von 1868 d. h. das Gefetz, welches Siebenbürgen
politifch zum integrierenden Teile des Königreichs Ün-
garn erklärte, hat die .Religionsausübungs- und Selbft-
regierungsfreiheit'nur ausdrücklich auch auf die griechifch-
und armenifch-katholifche, fowie auf die griechifch-orien-
talifche Kirche ausgedehnt. Von der orientalifchen Kirche
war im 17. Jahrhundert, wie es fcheint, gar keine Rede,
d. h. die tatfächlich vorhandene große orientalifche
Kirche wurde wohl einfach hingenommen als außerhalb
des Streites, den die Reformation begründet hatte, flehend.
Hier hätte ich gern Genaueres erfahren. Schmachvoll,
wie überall, wo die Habsburger die Krone gewannen,
unter direktem Wortbruch, wurde im 18. Jahrhundert eine
,Gegenreformation' infzeniert, die unter Proteftanten viele
Konverfionen, unter den Orientalen die .Union' herbeiführte
. Teutfch beleuchtet alle foeben genannten Kirchen
einzeln. Er fchildert ihre Verfaffung und berichtet über
ihren gegenwärtigen Beftand. Das,Innerleben' der Kirchen
behandelt er nicht. Im Jahre 1900 gab es 748928 Griech.-
Orientalen (Orthodoxe), 691896 Griech.-Kath. (Unierte),
364704 Evang.-Reform., 331199 Röm.-Kath., 222346 Evang.
Augsb. Konf., 64449 Unitarier. Im wefentlichen verteilen
fich, wenn ich recht fehe, die Kirchen fo auf die
Nationalitäten, daß die Rumänen das Gros der beiden
griechifchen Kirchen, die Magyaren das der römifchen
und evangelifch-reformierten, die Deutfchen das der
lutherifchen Kirche bilden. Welche Nation überwiegt
unter den Unitariern?

Halle a. S. F. Kattenbufch.

Herrmann, Prof. Dr. W., Der Verkehr des Chrilten mit Gott.

Im Anfchluß an Luther dargeftellt. Fünfte und fechfte
verbefferte Auflage. Stuttgart, J. G. Cottafche Buchhandlung
Nachf. 1908. (X, 288 S.) gr. 8° M. 5 —

Herrmanns klaffifches Buch erfcheint in 5. und 6. Auflage
. Trotz der mancherlei Änderungen und Bereicherungen
, die das Werk erfahren hat, ift es fich im wefentlichen
gleich geblieben. Der Anfchluß an Luther, der
fich in den erften Auflagen durch eine größere Anzahl
wörtlicher Zitate kundgab, ift auch fpäterhin feftgehalten
und gibt der in diefer herrlichen Schrift zur Darfteilung
gelangenden Frömmigkeit ihr echt evangelifches Gepräge,
ihre tief innerliche Richtung, ihre königliche Freiheit,
ihre unverwüftliche Kraft und Gefundheit. .Wenn ich
predigen könnte, wie F. W. Robertion oder wie H. Hoffmann
', fagt H. einmal, ,fo würde ich mich beeilen, der
Gemeinde als Prediger des Evangeliums das Belle zu
geben, das ihr gegeben werden kann, und würde aufhören
, akademifcher Theolog zu fein' (S. 90). Tatfächlich
hat der Verf. durch fein Zeugnis von dem Verkehr
des Chriften mit Gott zu einer ungezählten Schar von
Lefern geredet, die eine unfichtbare Gemeinde bilden,
deren innere Förderung die fchönfte Frucht und den
höchften Lohn eines der Verkündigung evangelifchen
Glaubens und dem Dienfte theologifcher Wiffenfchaft
gewidmeten Lebens darftellt. Darum geftaltet fich die
Anzeige eines folchen Buchs unmittelbar zu einem dankbaren
Bekenntnis des Segens, den es geftiftet hat und
der gewiß auch fernerhin von ihm ausgehen wird.

Straßburg i. E. P. Lob Hein.