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Ausgabe:

1908 Nr. 14

Spalte:

417-419

Autor/Hrsg.:

Saltet, Louis

Titel/Untertitel:

Les Réordinations. Étude sur le sacrement de l’ordre 1908

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 14.

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Einwände rein fachlich neu bearbeitet und vielleicht
durch neue Funde befruchtet wieder vorlegte.

Niederfachswerfen a. Harz. Ferdinand Gohrs.

Saltet, l'Abbe Prof. Louis, Les Reordinations. Etüde
sur le sacrement de l'ordre. Paris, V. Lecoffre 1907.
(VIII, 419 p.) gr. 8° fr. 6 —

Der Verfaffer ift Profeffor der Kirchengefchichte am
Institut catholique de Toulouse, welches geleitet wird von
dem auch unter uns wohlbekannten P. Batiffol. Das
Bulletin de litterature ecclesiastique, welches von diefem
Inftitut herausgegeben wird, bringt wertvolle Studien;
eine befonders belangreiche wurde von Jülich er in diefer
Zeitfchrift (Nr. 3 des laufenden Jahrgangs) angezeigt.
Die Sammlung, zu der das Saltet'fche Werk gehört, ,htudes
d'histoire des dogmes et d1 ancienne litterature ecclesiastique1,
ift, foviel ich (ehe, ein freies buchhändlerifches Unternehmen
; auch es empfiehlt fich unferer Äufmerkfamkeit.
Die vorliegende Studie ift jedenfalls ebenfo gelehrt, wie
fcharffinnig und fördert unfere Kenntnis des katholifchen
Rechts und Dogmas in erheblicher Weife. Der Titel ift
etwas zu weitfchichtig. Er verheißt eine Gefamtdarftellung
deffen, was das Kapitel der ,Reordinationen' angeht. Aber
das Buch bietet keine fyftematifche Darftellung des geltenden
Rechts im Zufammenhang mit dem fixierten Dogma
und auch keine vollftändige hiftorifche Erörterung feiner
Entftehung oder feiner Wechfelfälle in der Praxis, hört
vielmehr mit der Zeit des großen Papftfchismas und
fpeziell mit der Darlegung der Theorie des Parifer Kanzlers
Gerfon auf. Auch in der Zeit bis dahin wird nicht
überall das Ganze vorgeführt. Von den großen Scho-
laftikern wird nur der Lombarde berückfichtigt. Aber
freilich andrerfeits find es doch nicht bloß Einzelbilder,
die Saltet gewährt, fo daß er den Nebentitel etudes (nicht
etude) sur le sacrement de l'ordre hätte wählen müffen,
um ganz korrekt anzudeuten, was man von ihm erwarten
dürfe. Vielmehr hat er bis ins 12. Jahrhundert d. h. bis
dahin, wo die Scholaftik ihre Höhe zu befchreiten beginnt,
und die definitiven Anfchauungen fich herauskriftallifieren,
die ganze Gefchichte berückfichtigt. Die Entwicklung
hat den Verf. eben folange intereffiert, als das Streitgetriebe,
aus dem das Dogma fich fiegreich erhoben hat, herrfchte
bezw. nachwirkte. Im Detail find faft alle Fragen fchon
mannigfach erörtert worden. Eine zufammenfaffende
Darfteilung fehlte noch (wenigftens feit J. Morins Commen-
tarius de sacris ecclcsiae ordinationibus, 1655), undS. hat fie
mit durchaus felbftändiger reicher Quellenkenntnis geboten
. Alle Hauptforfchungen find von ihm berückfichtigt
, nicht immer mit mildem Urteil, aber auch nicht mit
Rechthaberei oder Parteilichkeit; nur gegen Mirbt zeigt
er fich animos. Die Kritik feiner Vorgänger in der
Arbeit bietet der Verf. zum Schluffe, nachdem er das
Material ausgebreitet und beleuchtet hat. Sein Siegesbewußtfein
ift da begreiflich; daß es in jeder Hinficht
begründet ift, darf man bei der Diffizilität der meiden
Einzelfragen bezweifeln, wiewohl man erkennen kann,
daß er ein guter Führer ift.

Das Buch ift nicht zum wenigften dadurch intereffant,
daß es zeigt, wie frei fich auch in der Gegenwart ein
katholifcher Theolog als Hiftoriker bewegen kann. Die
Orthodoxie des Verf.s ift, foweit das Buch in Betracht
kommt, tadellos; um fo beachtenswerter ift die Unbefangenheit
feiner Urteile über die einzelnen Dokumente
und Autoren. Man erkennt immer wieder, daß letztlich
ganz beftimmte Anflehten als ,die richtigen' ihn leiten,
wo er felbft eine Lehre bewertet und die Höhenlage jeweils
zu Tage tretender Ideen abfehätzt, aber er zeigt
fich nirgends beengt in der Deutung einer Quelle. Man
gewinnt, konkret gefprochen, keinen Anlaß, etwa zu mutmaßen
, daß er Päpften zutraue, immer der kirchlichen',
.richtigen'Lehre näiier geftanden zu haben, als derjenigen,
die fchließlich .verworfen' worden. Saltet ift auch keineswegs
zu ängftlich, um fich freimütig über Perfonen und
Dinge zu äußern. Die Unfehlbarkeit des Papftes fleht
ihm unzweifelhaft feft. Aber wenn man ihn und feine
Art zu forfchen und zu deuten etwa mit derjenigen
Hergenröthers (der ja auch zweifellos ,gelehrt' war) vergleicht
, fieht man — nun vielleicht den Fortfehritt einer
Anpaffung an die Infallibilitätslehre, der der inneren Freiheit
der Katholiken zugute gekommen ift. S. fieht die
Einheit und Beftändigkeit der kirchlichen Tradition nicht
darin, daß immer die gleichen Formeln fich behauptet
hätten. Vielmehr handelt es fich für ihn um eine, daß
ich fo fage, moralifche Übereinftimmung aller Zeiten der
Kirche, um den erkennbaren Willen, im Zufammenhang
mit der Vergangenheit zu bleiben und fich ftets in der
Fühlung mit ihr vorwärts zu taften. Diefer Wille betätigt
fich in der forgfältigen und gewiffenhaften Rück-
fichtnahme auf die fchon getroffenen Entfcheidungen der
Kirche und die konftatierbare Lehre maßgebender, als
orthodox verbürgter Theologen. Indem S. diefen Willen
überall hervortreten läßt, macht er übrigens fehr nüchtern
und verftändig Gebrauch von der Tatfache, daß der gute
Wille, fich der Vergangenheit anzufchließen, nicht zum
Ziele kommt, wenn die Mittel fehlen, die Vergangenheit
wirklich richtig kennen zu lernen. Das Mittelalter war
auf lange hinaus eine Periode zu großer Unkultur, als
daß man fich nicht vielfach auch in Rom, bei der Kurie,
geirrt haben follte über das, was in Wirklichkeit die
Kirche der Vergangenheit gedacht und gewollt. Erft
das 11. Jahrhundert führt die Theologen weit genug, daß
fie eine ausreichende Überficht über die faktifche Tradition
der alten Kirche gewinnen. Und fo beginnt auch
da erft wieder der eigentliche Fortfehritt in der Abklärung
des Dogmas. Im einzelnen bewährt S. einen guten Blick
für den Wert und die Gefahren überlieferter litur-
gifcher Formeln.

Es hat zwei Sakramente gegeben, über deren Gültigkeitsbedingungen
Streitigkeiten entftanden find, das find
die beiden, von deren nur einmal möglicher Spendung
man überzeugt war, die Taufe und die Ordination. Man
redet von der Frage nach der Wiedertaufe und Wiederweihe
. Eigentlich ift doch nie wirklich das in Frage ge-
wefen, was diefe Ausdrücke, genau genommen, bezeichnen.
Vielmehr hat es fich darum gehandelt, wann diejenigen
Bedingungen erfüllt feien, unter denen eine gültige Taufe
oder Weihe gefchehen fei. Wenn die Frage darauf gerichtet
wurde, ob die Ketzertaufe bezw. die Taufe extra
ecclesiam gültig fei, fo deckte die Differenz in der An-
fchauung von dem, was die Taufe als sacramentum oder
uvörrjQiov /verlange', um perfekt zu werden. Auf der
einen Seite hielt man dafür, daß der Spendende in be-
ftimmtem Maße — über das Spezielle war von neuem
ein Streit möglich — als Angehöriger der Kirche (der
catholied) ausgewiefen fein müffe, wenn er imftande fein
folle, zu ,taufen', in die catholica aufzunehmen. Das war
(und ift; die Gefchichte zeigt viele Unficherheiten im
einzelnen) der Standpunkt der Orientalen, auch Cyprians
und gewiffer Gruppen des Abendlands. In Rom hat man,
infonderheit feit Stephan I., alle perfönlichen Qualitäten
des Spendenden für irrelevant erklärt, falls nur die .Form'
der Taufe gewahrt werde (wobei freilich von gegebener Zeit
an hinzugefügt wurde, daß der Taufende die intentio des
Taufens haben müffe: diefe vorausgefetzt ,könne' jeder
.Menfch' taufen). Dabei hat man allerdings nur an das
gedacht, was, nach fcholaftifchem Ausdruck, die Taufe
ex opere operato wirkt, d. h. was fie als ,ckaracteri ver-
1 mittelt. Von der Taufgnade ift dabei begrifflich abftra-
1 hiert. Die gratia der Taufe vermittelt fich nicht eo ipso
' durch das Tun des Taufenden, fondern irgendwie durch
I die Dispofition des Täuflings. Kann der in einer ketze-
rifchen oder fchismatifchen Gemeinfchaft Getaufte nicht
.wiedergetauft' werden, fo bedarf er freilich der reconcili-
atio und confirmatio beim Übertritt zur orthodoxen Ge-
| meinfehaft oder der catholica, für die er durch feine