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Ausgabe:

1908 Nr. 13

Spalte:

382-384

Autor/Hrsg.:

Peisker, Martin

Titel/Untertitel:

Die Beziehungen der Nichtisraeliten zu Jahve nach der Anschauung der altisraelitischen Quellenschriften 1908

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 13.

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Wichtigkeit, erft diefe kanaanäifche Kulturwelt in vollkommenerer
Weife zu erkennen, als das bisher möglich
gewefen ift. Es ifb zu hoffen, daß die fortgefetzten Ausgrabungen
uns genug Material liefern werden, diefem
Ziele näher zu kommen. Die bisherigen Ergebniffe der
Ausgrabungen betätigen keinesfalls die Folgerungen der
Panbabyloniften. Was Sellin behauptet, daß in der eigentlich
israelitifchen etwa um 1200 beginnenden Aera der
babylonifche Einfluß aufhört und erft wieder im 8 Jhdt.
einfetzt, das wird auch, foviel mir bekannt, durch die
Ausgrabungen in Muteffellim beftätigt, und gerade B.
wäre in der Lage gewefen, einer richtigeren Einfehätzung
des babylonifchen Faktors das Wort zu reden. Sie hätte
ihn vor fo wunderlichen Behauptungen bewahren können
wie die S. 359, daß die zwölf Edelfteine im Schild
des Hohenprieilers zum Tierkreis gehören, wie die Metalle
zu den Planeten, ,fie bedeuten das Jahr mit feinen zwölf
Monaten, natürlich bei den Juden auch die zwölf Stämme'.
Das Goldblech auf der Stirn bedeutet die Sonne, mit
einem Wort: das ganze Kleid des nachexilifchen
Hohenpriefters hat fymbolifche Bedeutung und
ftellt den Himmel mit dem großen Kreislauf der
Sonne dar. Keinem Sachverftändigen wird es einfallen,
den ftarken Einfluß babylonifcher Vorftellungen auf das
Judentum zu leugnen, aber niemand wird auch behaupten
wollen, daß auf babylonifchem Boden erwachfene Sitten
und Symbole von den Juden ohne weiteres übernommen
und in gleichem Sinn verwertet find, wir haben Beifpiele
genug, die uns zeigen, in wie ftarkem Maß der Jahvis-
mus ausfeheidend und läuternd fowie umgeftaltend gewirkt
hat.

Aber auch abgefehen von diefen unter dem Einfluß
des Panbabylonismus erfolgten Umgeftaltungen der erften
Auflage gibt es noch andere Anflehten, die B. m. E. mit
Unrecht preisgegeben hat. Während er früher den Orakel-
ephod wie die Meiften als ein Gottesbild anfah, hat er
fleh jetzt der von P. Haupt, F. C. Foote u. a. vertretenen
Auffaffung angefchloffen, wonach er wie der leinene Ephod
ein Lendenfchurz, nur unendlich viel koftbarer, mit den
heiligen Loofen war. Wenn B. gegen die alte Anlchauung
1 Sam. 2,28 anführt, wo davon die Rede ift, daß der Priefter
den Ephod ,vor Jahve' trug, demnach könne er kein
Gott oder Gottesbild gewefen fein, fo hat B. ganz außer
Acht gelaffen, daß LXX hier fo wenig ijsb wie i Sam. 22,18
■Q gelefen hat. Fällt demnach 1 Sam. 2,28 als Inftanz
fort, fo bleibt andrerfeits gegen die jetzt von ihm vertretene
Auffaffung das Bedenken beftehen, daß die von
diefem Orakelephod gebrauchten Verba lS^fi und

3ti£f1 nicht recht von einem Kleidungsftück gefagt werden
können. — Warum B. beftreitet, daß fleh im A. T. Zeug-
niffe für die Vorftellung finden, daß die Gottheit fleh in
einem Stein offenbare, ift mir nicht erflchtlich: freilich
ift in der jetzt vorliegenden Gefchichte Gen. 28 der Zu-
fammenhang zwifchen der Gottheit und dem Stein gelockert
und ähnlich liegt die Sache Jdc. 6,20 ff., aber ur-
fprünglich gehören Gottheit und Stein zufammen, wie
das ja auch der Name btf t"PS, der wahrfcheinlich nichts
mit ßaixvXoq zu tun hat, beweift. — Eigenartig ift die
Stellung, die B. zum Problem der Lade einnimmt: fie
ift ihm einerfeits der Thron Jahves und hat ihre Analogie
z. B. an den Schiffen, auf denen die Sonnengötter den
Ozean durchfahren, andrerfeits finde fich hier auch die
andere Vorftellungsreihe, wonach der Jahresgott verfolgt,
zerftückelt und in eine Kifte gefleckt oder (als Kind gedacht
) in einem Kalten ausgefetzt und dann gerettet wird.
Das fei der Kalten Mofes, der mit demfelben Wort teba
bezeichnet werde wie Noahs Arche. Der fiegreiche Jahresgott
werde aus dem Karten gerettet, er brauche daher
nichts zu enthalten, aber es fei möglich, daß er etwas
enthalte, nur waren es dann nicht Gefetzestafeln, auch
nicht befeelte Steine, fondern am eheften die Schickfals-
tafeln ,dann wäre auch der Name 'edüt alt und nur fpäter
auf das Gefetz gedeutet'. Die gleiche Vorftellung von

I der Schickfalsbeftimmung liegt auch der Bezeichnung
' der Stiftshütte 'ohel mo ed zugrunde, was nichts als der
! Ort fei, wo fich die Götter verfammeln, um am Neujahr
die Gefchicke der Welt zu beftimmen; S. 312 f. Weder
jene Zufammenftellung von arön mit tebä, noch diefe Erklärung
von 'ohel mo'ed hat im A. T. irgend einen Grund;
hat letzteres einmal diefe Bedeutung gehabt, fo doch
gewiß nicht innerhalb des Jahvismus. Was hätte denn
auch ein Zelt in diefem Sinne mit Israels Wanderung
zu tun? — Während B. in der erften Auflage bemerkt,
daß fich gegen die Nachricht 2 Reg. 18,4 über die Be-
feitigung der Bamot ftarke Bedenken erheben, fchreibt
er jetzt S. 333 f., daß um die Zeit des Hiskia fchon Propheten
und Priefter in dem Beftreben geeinigt feien, alle Kult-
ftätten im Lande hin und her abzufchaffen. Leider fehlt
ein Beleg für diefe Behauptung, und ich frage mich vergeblich
, woran B. betreffs der Propheten gedacht hat.
— Ganz verfehlt ift die Darlegung S. 343 über das Ver-
1 hältnis von E zu J: nach B. ift E die ältefte Quelle.
Was fie über die Stellung des Ahron neben Mofe gedacht,
fchließt B. aus der Priefterfchrift Ex 7,1: Mofe und Ahron
[ gleichen Marduk und Nebo. Die in nabi liegende An-
j fpielung hierauf habe J in Ex. 4,13 fr. vermieden, er be-
j zeichne Ahron als Levit, d. i. als Priefter, aber nicht im
Unterfchied von Mofe fondern neben Mofe. Tatfächlich
liegt die Sache fo, daß Ex. 4,16 Mofe für Ahron 'elohirn,
I Ahron jenes Mund fein foll, während Ex. 7,1 Mofe für
Pharao 'elohim, Ahron aber Mofes nabi fein foll, d. h.
Pix. 4,13 ff. ift nicht von dem in E. 7,1 f. zugrunde liegenden
E abhängig, wie B. behauptet, fondern umgekehrt. Wenn
der in Ex. 7,1 ausgefprochene Gedanke auf E zurückgeht,
fo ift E darin von Ex. 4,13 ff, abhängig und nicht umgekehrt.
Freilich gehören auch Ex. 4,13 ff. nicht J zu, wie B. meint.
Meift hat man an den Jehoviften gedacht, E. Meyer hat
aber mit großer Wahrfcheinlichkeit die Verfe für E- reklamiert
. Was für Gründe fonft B. beftimmt haben, E zur
alterten Quelle zu machen, ift nicht erflchtlich, eine forg-
fame Nachprüfung von E. Meyers Unterfuchungen würde
ihn wahrfcheinlich in diefem Punkte erfchüttert haben.
Ich könnte noch weiteres Material beibringen, aber
| das Ausgeführte wird genügen um mein Urteil zu be-
! gründen, daß die zahlreichen Änderungen, welche die
i zweite Auflage bietet, nicht durchweg Verbcfferungen
| find, fondern daß es fich nicht feiten um Behauptungen
handelt, für deren Begründung ein ausreichender Beweis
j fehlt, oder überhaupt nicht zu führen ift, weil B. auf
I Zeiten zurückgreift, die vor aller hiftorifcher Erinnerung
liegen. Für das Verftändnis der hebräifchen Archäologie
wird dadurch nichts gewonnen, die Tatfache aber,
i daß Israel in den Kulturzufammenhang der übrigen orien-
talifchen Völker gehört und kein ifoliertes Dafein geführt
! hat, läßt fich durch andere und unanfechtbare Beweife
I dartun. — Druckfehler find mir an einzelnen Stellen aufgefallen
, aber fie find leicht zu erkennen, hier fei nur
auf den Fehler S. 204 hingewiefen, wo die Abbildung
109 nicht eine Kupfermünze des Simon Bar Kochba
fondern vielmehr des Simon Nafi gibt.

Straßburg i. E. V. Nowack.

Peisker, Tic. Dr.Martin, Die Beziehungen der Nichtisraeliten
zu Jahve nach der Anfchauung der altisraelitifchen Quellen-
Tchriften. (Beihefte zur Zeitfchrift für die altteftament-
liche Wiffenfchaft XII.) Gießen, A. Töpelmann 1907.
(VIII, 95 S.) gr. 8» M. 2.50

Ift Jahwe in der altisraelitifchen Epoche in natur-
hafter Weife, d. h, durch fein Wefen oder ift er durch
feinen freien Willen an Israel gebunden? Diefes Problem
will Peisker fozufagen an feiner Kehrfeite anfaffen, indem
er fragt, was die altisraelitifchen Quellenfchriften,
das jehoviftifche Werk des Hexateuchs und die vordeu-
teronomifchen Stücke in Jdc, Sam und Reg, über die