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Ausgabe:

1908

Spalte:

362-363

Autor/Hrsg.:

Vattasso, Marcus

Titel/Untertitel:

Initia Patrum aliorumque scriptorum ecclesiasticorum Latinorum ex Mignei Patrologia et ex compluribus aliis libris conlegit ac litterarum ordine disposuit. Vol. II 1908

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 12.

362

gefetzliche Druck flammt nirgends andersher. Das Juden- I Anfang der Verfolgung hinter (früheftens!) Dezember 249
tum ift der böfe Geilt der Kirche, befonders ift das A. T. , zurückzufchieben. Will man das noch .Herbft' nennen,
auch fchuld an dem Konflikt zwifchen Naturwiffenfchaft , fo mag man es tun. Wie dehnbar diefer Begriff fein
und Kirche, weil jene die Weltanfchauung des Chriftentums ! kann, fleht man daraus, daß Schönaich den Tod des
bekämpfen muß, die aus dem A. T. flammt. Und auch Decius in den Herbft 251 verlegt, während er doch im
in der ganzen gegenwärtigen Kirche findet A. überall 1 felben Zufammenhang ausführt, daß er vor den 29. Auguft
den ewigen Juden, bis auf das Halleluja dehnt er feine | 251 falle. Richtig ift übrigens, daß Decius erft im Sep-
Spürfähigkeit und feine Abneigung aus. Alles Heil kommt , tember 249 Kaifer wurde. Worauf Harnacks (a. a. O. 340)
bloß von der Befeitigung diefes jüdifchen Elementes und I Annahme beruht, daß er fchon (H. fchreibt fogar: erft)
von feinem Erfatz, nicht etwa durch Wodan und Thonar, ; im Juni zur Regierung kam, weiß ich nicht. Das Ende
fondern durch Jefus. der Verfolgung fetzt Sch. in den März 251 unter Be-

Ich meine, daß hier gerade die Achillesferfe des , rufung auf die nur fo erklärliche Wahl des Kornelius
Buches liegt. Es tritt zu wenig hervor, daß dem Israel j zum römifchen Bifchof. Mit der Anficht (z. B. Neunach
dem Eleifch ein folches nach dem Geift gegenüber j manns), daß die Verfolgung weder abgebrochen wurde
fleht. Der Verbindung mit dem A. T. verdanken wir ! noch einfchlief, fetzt er fleh nicht auseinander. Ein alle
doch nicht nur das Judain, fondern auch das Moralin. Erwägungen befriedigendes Ergebnis ift nach meiner
Wir können es gar nicht miffen, nicht nur brauchen wir | Meinung hier nicht zu erzielen. Auch nicht bezüglich
es als den Widerpart Jefu, um zu veranfehaulichen, was 1 des kaiferlichen Ediktes. Schönaich reduziert deffen In-
er gewollt hat, fondern auch als die Heimat feines Geiftes halt ftark, obwohl ich nicht finden kann, daß fein Ergebnis
und als eine volkskirchlich notwendige Ergänzung der I fo fehr von dem auch fonft angenommenen (z. B. von
einfeitigen Orientierung des N. T. am eschatologifch ! Harnacks Konftruktion in SBA 1898 [nicht Theol. Lit.-
begründeten Erlöfungsgedanken. Ereilich wir wollen es Ztg., wie Sch. fchreibt]) abweicht. Für die erfl fpäter
dem Verf. verzeihen, daß er fo kräftig in die kontradik- ! erfolgende Einfetzung der Opferkommiffionen darf man
torifche Pofition eingerückt ift, wenn wir bedenken, in < mit Grund Cypr. Ep. 43, 3 heranziehen. Daß aber die
wie vielen Punkten er doch recht hat. Ganz befonders , Abgabe einer eidesftattlichen Verficherung wiederum in
betrifft das die übliche Verwendung der fog. Heilsge- I befonderem Edikt geftattet worden fei, fcheint mir nicht
fchichte. Denn diefe ift tatfächlich judozentrifch. Wir bewiefen. Bei der Erörterung von Veranlaffung und
bewegen uns wirklich, zumal in der Adventspredigt und | Zweck wird die fchon oft widerlegte Annahme eines
im Religionsunterrichte, auf Bahnen, die auf die urchrift- ! perfönlichen Haffes des Kaifers gegen feinen Vorgänger
liehe und gegenwärtige Judenmiffion mehr berechnet find, j noch einmal zurückgewiefen, ebenfo die Anficht von
als auf den Unterricht chrifllicher Kinder und chriftlicher 1 einer Glaubens- und Sittenreform des Decius nach dem
Erwachfenen. Denn ift für uns damit Jefus als Meffias [ Vorbilde des Auguftus und einer daraus mit Notwendig-
bewiefen, daß wir die Übereinflimmung feiner Erfcheinung i keit fleh ergebenden Verfolgung der Chriften aus patrio-
mit dem A. T. feflftellen können? Ift uns denn das A. T. 1 tifch-nationalen Motiven (falfche Wertung der Erneuerung
das Bekannte, auf das wir das Unbekannte zurückführen i des Zenforamtes, fo fchon Mommfen). Den Nachdruck
müffen, um es zu verftehen? Oder ift es nicht umgekehrt, j legt Verf. auf die religiöfen und politifchen Motive
daß uns Jefus das Bekannte und das A.T, das Unbekannte 1 (Kampf gegen die Religionsneuerer, Altgläubigkeit des
ift? So hat A. weithin recht. Nur meine ich, hätte er | Imperators, Gefährlichkeit der kirchlichen und fozialen
feiner ganzen antiklerikalen Stellung die Richtung auf , Organifation der Chriften). Ein animal execrabile war
eine viel breitere Front geben müffen. Oder ift nicht
das Prieftertum eine allgemein religionsgefchichtliche, ja
religionspfychologifch notwendige Erfcheinung, die erft
das Ideal des Chriftentums grundfätzlich überwunden

Decius ficher nicht, nicht einmal ein tyrannus in fest us
sacerdotibus, welche letztere Annahme mir doch von der
guten Überlieferung zu weit abzuweichen fcheint. Im
Anhang werden die drei Libelli abgedruckt und als eine
hat? So bewahrt religionsgefchichtliche Bildung vor Ein- anfeheinend gar nicht zum Thema gehörige, in Wirklich-
feitigkeit und Ungerechtigkeit, wenn fle auch das Pathos keit aber die Libellenfrage fehr hübfeh illuftrierende
der Leidenfchaft dämpft; und diefes ift gewiß immer von j Beigabe ,Beicht- und Profeffionszettel aus der Zeit der
nöten, wenn es fleh nicht um Verftehen, fondern um
Beffern handelt.

Heidelberg. F. Niebergall.

Schoenaich, Gymn.-Prof.Dr. Guftav, Die Chriftenverfolgung
des Kaifers Decius. Jena, O. Hellmann 1907. (39 S.)
gr. 8° M. 1 —

Den Verfaffer diefer Arbeit befchäftigen hauptfächlich
die Fragen nach der Dauer der Verfolgung, nach
der Befchaffenheit des kaiferlichen Edikts und nach Veranlaffung
und Zweck der Verfolgung. Den Beginn fetzt

er in den Herbft 249, d. h. unmittelbar nach dem Re- Vattasso, Marcus BtbhotuY Vat.c. senpt, Imtia Patrum

Gegenreformation in Schlefien', auf die ich befonders
verweife. Der der Arbeit vorangefchickte Quellen- und
Literaturnachweis ift bibliographifch merkwürdig ungenau
gearbeitet. Zitate wie: ,Beloch, der Verfall der
antiken Kultur (bei Sybel Band 84)' find nur für den
Sachkenner zu verifizieren, und für den ift wieder die
ganze Zufammenftellung überflüffig. Gregg (The Decian
Persecution; f. meine Anzeige in diefer Zeitung 1898, 391)
hat Sch. nicht einfehen können.

Gießen. G. Krüger.

gierungsantritt des Decius. Er beruft fleh dafür auf die
bekannten Stellen bei Eufeb. VI, 41, 9 und Lactant. Mort.
persec. 9, die man doch fchwerlich fo wird preffen dürfen,
und auf Epist. 37, 2 Cyprians, welche Stelle im Herbft
250 gefchrieben fei und vorausfetze, daß die römifchen
Konfefforen fleh fchon ein volles Jahr in Haft befinden.
Man wird Schönaich zugeben dürfen, daß die Schilderung
der Jahreszeiten bei Cyprian nicht fozufagen akademifch
ift, fondern zu der Haft der Konfefforen in lebendige
Beziehung gefetzt ift, was (gegen Harnack, Lit.-Gefch.
II, 2, 345) für den Herbft ftatt für den Januar fprechen

aliorumquescriptorumecciesiasticorumLatinorum exMignei
Patrologia et ex compluribus aliis libris conlegit ac
litterarum ordine disposuit. Volumen II. N—Z. (Studi
e Testi 17.) Romae, Typis Vaticanis 1908. (IV, 650 p.)
gr. 80 fr. 30-

Schnell ift der 2. Band dem 1. (f. diefe Zeitung 1906
Nr. 20) gefolgt und damit das nützliche Werk, welches
nahezu 50000 Initien bietet, abgefchloffen. Wieder ein
bedeutendes Hilfsmittel für patriltifche Studien mehr! Ich
habe dem, was ich zum 1. Bande bemerkt habe, nichts

würde. Aber ficher ift das doch nicht, fchon wegen der 1 hinzuzufügen. Der dort angekündigte ausführliche Index
auf den Magiftratswechfel hindeutenden Worte, die zum Inhalt des lateinifchen Migne ift kürzer ausgefallen,
Schönaich zu leicht nimmt. Ich fehe keinen Grund, den ' was im Intereffe der Brauchbarkeit des Werkes bedauer-

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