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Ausgabe:

1908 Nr. 12

Spalte:

356-359

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Hans

Titel/Untertitel:

Jona. Eine Untersuchung zur vergleichenden Religionsgeschichte 1908

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 12.

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fei? Das ift saknu, der kepu ift etwas anderes'. Aber
darauf lautet die Antwort einfach: Daß kepu = Statthalter
fei, hat Winckler gefagt 1) Altorient. Forfchungen I
S. 24: ,ich machte Idi bi'il zum Statthalter über Musri',
wobei Statthalter Überfetzung von kepu ift. 2) Musri-M.-M.
S. 2: ,kfpu d. h. Statthalter'. Was würde W. fagen, wenn
das einem der von ihm Bekämpften paffiert wäre?!

Seine Polemik gegen Greßmann und Küchler ge-
ftaltet fich, dem verfchiedenen Charakter ihrer beidfeitigen
Kundgebungen entfprechend, nicht dem Tone aber dem
eigenen Charakter nach verfchieden. Gegenüber Greß-
manns Angriff auf Wincklers gefamtes ,altorientalifch.es
Phantafiebild' dreht fich W.s Antwort mehr um Fragen
allgemeinerer Natur wie die hiftorifche Betrachtungsweife,
die Einheit der altorientalifchen Kulturwelt, die Legende
als Darftellungsform etc. Ich will Greßmann nicht bis in
jede Einzelheit verteidigen, z. B. nicht im unerlaubten
Schluß, daß nach W. jeder Mythus einen hiftorifchen
Kern haben müffe (vgl. S. 23), und natürlich ift Aftrologie
(im engern Sinn) und aftrologifche Weltauffaffung zweierlei
. Aber das weiß auch Greßmann, und wenn er von
W. den Nachweis von Aftrologie im handwerksmäßigen
Sinn in Babylonien, Kanaan und im A.T. verlangt, fo ift
er dazu vollauf berechtigt; denn diefe Aftrologie und
jene aftrologifche Weltauffaffung gehören fo eng zufammen
wie Kultus und Dogma!

Küchler gegenüber läßt fich W. namentlich über die
Frage, ob bezw. inwiefern die Propheten Politiker ge-
wefen feien, und über die Musrifrage aus. Daß Jelaja
,nie ein pofitives Verhältnis zur Politik gehabt' habe,
oder ,daß er die gefchichtliche Situation feines Volkes
nicht unter politifchen fondern unter religiöfen Gefichts-
punkten zu betrachten gewohnt' gewefen fei, ift allerdings
modern ausgedrückt. Aber follte fich Küchler unmodern
ausdrücken? Und fo, wie die Ausdrücke lauten, finde
ich fie einfach treffend zur Charakteriftik eines Mannes,
der Worte, wiefiejef. 79 30 15 31 1. a flehen, gefprochen hat.
Weit wichtiger ift, was W. zur Musri-Meluha-Frage entgegnet
. Hier bringt er nun wirklich einmal ,auf dem
Präfentierteller' fein Beweismaterial, und das ift allerdings
derart, daß es ftarker Gegengründe bedarf, um es zu
entkräften. Tiglat-Pilefers III Einfetzung eines kepu
über Musri (S. 41—44) wie der Bericht über Affarhaddons
Zug nach Meluha (S. 45 f.) machen es mir am Schwerften
zu glauben, daß es nicht ein Musri in Nordarabien gegeben
haben follte; dagegen kann ich mich W.s Erklärung
von I Sam. 155: ,Es kam Saul bis zur Stadt Amaleks
Jareb im Nahal' (S. 52) nicht anfchließen. Entfcheidend
aber für die Annahme, daß Meluha in Arabien zu fuchen
ift, fcheint mir die Zufammenftellung der ,Könige von
Guti, Amurri und Meluha' (vgl. S. 64). — Kurz, in der
Behandlung diefer Fragen wird W.s Polemik wirkfamer,
weil fie fich auf die Mitteilung wirklichen Beweismateriales
zurückzieht. So wäre im Intereffe der Sache zu wünfchen,
daß weitere Bändchen diefer ,Wehr- und Streitfchriften',
die ja beim freudigen Kampfesmut der Panbabyloniften
fchwerlich ausbleiben werden, fich auf das Gebiet des
rein Sachlichen befchränken möchten, was dem vorliegenden
leider nicht nachzurühmen ift.

Bafel. Alfred Bertholet.

Staerk, Lic. Dr. W., Das affyrifche Weltreich im Urteil der
Propheten. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1908.
(VI, 240 S.) gr. 8° M. 8—; geb. M. 9 —

Die vorliegende Schrift fteigert das Tohuwabohu
noch weiter, das von Jeremias, Winckler etc. mit hämi-
fchen Seitenhieben auf die fog. ,kritifche Schule' jetzt
als ,wiffenfchaftliche Errungenfchaft' in Mitteldeutfchland
zu verbreiten gefucht wird. Man kann die Ingredienzien
diefer modernen Richtung fchwer definieren. Alle bisherigen
Erfolge wiffenfehaftlichen Arbeitens werden geleugnet
, nicht einmal fo evidente und fichere Dinge, wie

die Unechtheit von Hof. I 7. 2 1-3, oder wie Micha 2 12 f.,
werden flehen gelaffen. Bald wird es dahin kommen
(und in Sellins neueftem Buch zeigen fich fchon die bedenklichen
Anzeichen dafür), daß Jef. 40—66 aufs neue
in feiner exilifchen Abfaffung ftrittig werden wird. Ein
trauriger Zuftand! Aber man hat doch billigerweife
das Recht zu fragen: Woher? Wenn doch unfere Propheten
das Recht zu einem fo abfolut defolaten Zuftand
der Dinge nicht bieten? Der Zuftand unferer Propheten
zeigt doch kein abfolut farblofes Geficht, und wir waren
doch fchon zu feilen Regeln und Normen gekommen,
wenn wir fagen konnten, warum Hof. 2 1—3 dem Hofea-
buch angefchloffen fei, warum Micha 4 u. 5 nicht Micha-
nifch fein könnten? Kann es vernünftig fein, dem Werden
und Wachfen, auch der unechten Prophetenftücke plötzlich
wieder jede Vernunft abzufprechen, um nun alles
wieder in das Nichts hineinzufchleudern! Z. B. wenn
Jef. 32 1—5, deffen Unechtheit fchon aus fprachlichen
Gründen ein Forfcher wie Dillmann ganz klar gelegt
hatte, fröhlich und friedlich wieder unter den echten
Stücken des Jefaia auftaucht, und es mit Duhm für wahr-
fcheinlich gehalten wird, daß 32 15-20 als die Fort-
fetzung zu 32 1-5 angefehen wird, refp. die Möglichkeit
erwogen wird, ob es der Reft einer felbftändigen
Dichtung fei. Und was follen wir dazu fagen, wenn in
die Klagen von Micha 2 10tt plötzlich das Fragment
4 9 f. hineingetragen wird und daraus der Schluß gezogen:
Micha erwartete alfo ein fchweres Läuterungsgericht,
durch das die Quelle alles fittlich-fozialen Übels, die
entarteten, höheren Stände befeitigt werden würden.
Wenn aber dann der Kritiker in bezug auf 5 1 ff. noch
zu fagen weiß, wie fie etwa urfprünglich gelautet habe,
indem er dabei hämifche Seitenblicke auf die ,herr-
j fchende Exegefe' wirft, welche noch weit entfernt davon fei,
,die traditionelle Sprache der poetifchen Gattung zu verliehen
', weil fie fonft nicht in völliger Verktnnung des
I Sinnes von Micha 5 ig u. 2a in die Verfuchung fallen
I würde, die nachexilifche Herkunft der Dichtung gerade
I aus diefen Auslagen zu beweifen. ,Nur für die nachexilifche
Gemeinde find Davids Tage Tage der Urzeit',
fagt Marti und legt damit wieder unfreiwillig Zeugnis
ab für die befondere Feinheit des gefchichtlichen Ver-
ftändniffes, das mit dem Glauben an das Entwicklungs-
fchema unlöslich verbunden ift. Dann folgt eine diefer
fcharffinnigen Ankündigung entfprechende Polemik. Man
lefe die Überfetzung von Staerk, die doch wohl feine
Meinung wiedergeben foll, da ift die Rede von ,Herkunft
aus grauer Vorzeit, aus frühen Tagen', alfo mit der nach-
exilifchen Abfaffung ift alles in Ordnung, was die Worte
bedeuten: ,diefer Ausdruck ift felbftverftändlich vom
efchatologifchen Mythus aus zu verliehen, der dem Herrfcher
auf der zum Paradies verwandelten Erde Prä-
exiftenz zufchreibt — und er dient lediglich dazu, die
übermenfehliche Art des erwarteten Heilandkönigs zu
illuftrieren, wie das in anderer Weife Jef. 95fr. und 11 i(r.
tun'. Soll ich noch mehr hierherfetzen? Ich glaube, das
genügt.

Königsberg. Giefe brecht.

Schmidt, Hans, Jona. Eine Unterfuchung zur vergleichenden
Religionsgefchichte. Mit 39 Abbildungen
im Text. (Forfchungen zur Religion und Literatur
des Alten und Neuen Teftaments, herausgegeben von
W. Bouffet und H. Gunkel. 9. Heft.) Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht 1907. (VIII, 194 S.) gr. 8°

M. 6 —

,Ich habe in der Arbeit, die ich hiermit vorlege,
verfucht, an der Hand der mir zugänglichen außerisra-
elitifchen Parallelen zur Erzählung von Jona die Ent-
j ftehung des mythifchen Motivs vom verfchlingenden Un-
| geheuer darzulegen, die wichtigften Verwendungen und