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Ausgabe:

1908

Spalte:

14-15

Autor/Hrsg.:

Littmann, Enno (Ed.)

Titel/Untertitel:

Vom Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium. V. Scriptores aethiopici. Series prima. Tomus XXXI 1908

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. r.

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tet, längft getagt. Einiges davon hat der Verf. unftreitig
ficherer begründet, obwohl er manchmal die Entwick-
lungsflufe der fremden Religion, die auf den Gnoftizis-
mus eingewirkt hat, felbft erft aus diefem poftulieren
muß! An Umficht und Vorficht hat er es nicht fehlen I
laffen; aber darum ift auch an ,wahrfcheinlich' und_,viel-
leicht' in feinem Buche kein Mangel. In Bezug aber auf j
die Probleme, welche Religionen außer der babylonifchen 1
und perfifchen denn noch in Betracht kommen (wie viele
gab es in Afien, und wie wenige kennen wir!), und an
welchen Punkten, wie das alles gefchichtlich eingedrungen
ift und fich mit Jüdifchem und Chriftlichem vermählt hat, |
welche Perfonen die Träger gewefen find, unter welchen
Umftänden die Kombinationen zuftande kamen, auf
welchem Boden, in welcher Abfolge, unter welchen Modifikationen
, unter welcher Mitwirkung des Hellenismus
— darüber mußte der Verfaffer fo fchweigfam fein, wie
wir alle, weil man darüber gar nichts weiß. Die Frage
aber, die man bei ein paar Syftemen wirklich zu beantworten
vermag, was denn der ganze mythologifche Apparat
in ihnen bedeutet, hat Bouffet kaum angerührt. '
,Nachweife und Vermutungen zur Aufhellung der fpäteren
Gefchichte der babylonifchen und perfifchen Religion'
wäre wohl der richtige Titel des Buchs gewefen. Mit
den wirklichen ,Hauptproblemen der chriftlichen Gnofis'
hängt es kaum zufammen.

Die .Einleitung' zu dem Buche (S. 1—9) ift leider
fehr irreführend. Sie fpricht von ,den gänzlich divergierenden
Urteilen über den Gnoftizismus', konftruiert einen
Gegenfatz, der in keinem Sinne exiftiert, und fchließt j
mit den Worten: ,Ich hoffe, das eine klar gemacht zu 1
haben, daß es der allgemeinen und vergleichenden Re- I
ligionswiffenfchaft zufteht, das grundlegende Verfländnis
der Gnofis anzubahnen'. Alfo weiß man darüber noch
nichts, und muß auf die Offenbarungen der ,allgemeinen j
und vergleichenden Religionsgefchichte'warten! Aber was
treiben wir alle denn anderes als .allgemeine und vergleichende
Religionswiffenfchaft'? Wir führen nur nicht
immer das ftolze Wort im Munde, und wir meinen
nicht, daß die .Religionsgefchichte' dort aufhört, wo die
Mythologie aufhört und der Logos einfetzt. Was aber
die Gnofis anlangt, fo umfaßte fie fowohl jene Syfteme
und jene Literatur, die nur mit Einfetzung aller geiftigen
Kräfte von Männern wie Origenes, Porphyrius und Au-
guftin bezwungen werden konnte — und das ift allein
die Gnofis, mit der es die Weltgefchichte zu tun hat —
als auch die mit ihnen zufammenhängenden inferioren,
fuperftitiöfen und armfeligen Erfcheinungen, die aus vergangenen
Religionsftufen zurückgeblieben waren und
durch den Auffchwung der religiöfen Intereffen und den
allgemeinen Synkretismus wie Blafen noch einmal aus
der Tiefe auffliegen. Wer jenen das gibt, was ihnen
zukommt, verkennt und verleugnet doch diefe nicht!
Wer aber jene vernachläffigt, verleugnet die .Hauptprobleme
'. Die Sache ift wahrlich nicht gleichgültig.
Wenn fortab das Hauptprobleme fein follen,was Bouffet
hier in Bezug auf die Gnofis als folche bezeichnet oder
was Geffcken in feinem fleißigen und dankenswerten
Buch als wichtige Probleme anfleht — fo entfteht nicht
nur eine feltfame Verfchiebung des Intereffes aus dem
Zentrum in die Peripherie, fondern die Kirchengefchichte
fleht auch in Gefahr, zu Gunften inferiorer ,religions-
gefchichtlicher' und inferiorer literarifcher Gefichtspunkte
um ihren eigentlichen Inhalt gebracht zu werden. Dann
mögen die Mandäer wichtiger werden als die Marcioniten
und Athenagoras beachtenswerter alsjuftin! Gewiß wird
der Verfaffer vor folchen Konfequenzen zurückfchrecken;
aber in der Freude, in abgelegene Höhlen einzudringen,
überfchätzt er den Wert der Funde, die dort zu machen find.

Berlin. A. Harnack.

Vom Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium.

V. (s. IV. 1907, Nr. 26)
ar'a-Yä'qöb et Walda-Heywat.] Philosophi Abessini sive
vita et philosophia magistri Zar'a-Yä'qöb eiusque dis-
cipuli Walda-Heywat philosophia, edidit et interpre-
tatus est Enno Littmann. Textus et Versio. (Corpus
scriptorum christianorum orientalium. Curantibus J.-B.
Chabot, J. Guidi, H. Hyvernat, B. Carra de Vaux. Scrip-
tores aethiopici. Series prima — Tomus XXXI.) Parisiis
. Lipsiae, O. Harrassowitz MDCCCCIV. (65 et 67 p.)
gr. 8° M. 5.60; Textus M. 3.60; Versio M. 2 —

Am zahlreichften nach den Syrern find unter den
bis jetzt erfchienenen Teilen des CSCO die äthiopifchen
Schriftfteller vertreten.

Von ihrer erften Serie liegt bis jetzt Bd. 31 vor, die
,PhiIosophi Abessini' von Enno Littmann. Was die andern
30 Bände diefer Serie bringen follen, finde ich nirgends
angegeben. Auf den Umfchlägen der zweiten
Serie find für ,Historica et Hagiographica' 36 Bände in
Ausficht genommen und zwar 1 —11 für Historiae Patriae,
12—16 lür historiae ceterarum gentium ex arabico in
aethiopicum sermonem pleraeque conversae, 17—27 für
Vitae Sanctorum indigenarum, dabei Bd. 27 für Adnota-
tiones et Indices in tomos 17—26; 28—35 für Acta mar-
tyrum et sanctorum alicnigenarum, meift wieder aus dem
Ärabifchen, und wieder der Schlußband für Adnotationes
et Indices zu 28—35. Daß die Bezeichnung ,tomus' bei
diefen Teilen fehr verfchiedene Größen umfaßt, zeigt die
Vergleichung diefes erften ,tomus' der erften Serie, der
in Text und Überfetzung je nur 66 Seiten zählt, mit dem
erften der zweiten, bei dem es je über 350 find. Unge-
fchickt ift auch, daß der lateinifche Titel Philosophi
Abessini nicht erkennen läßt, ob hier die d. h. alle, oder
nur einige Philofophen der Abeffinier vorliegen, in Wirklichkeit
handelt es fich, wie der Untertitel zeigt, sive Vita
et philosophia magistri Zar a-Yä. qöb eiusque diseipuli
Walda-Heyzuatphilosophia nur um 2, Lehrer und Schüler,
die erft dem 17. Jahrhundert angehören. B. Turajeff habe
1903 in einer ruffifchen Arbeit von ihnen gehandelt. Der
ältere Zar'a Yä'qöb ift 1592 geboren und fo getauft
worden, die Leute aber nannten ihn Warqe. Was das
bedeutet, ift leider in der Überfetzung nicht angegeben.
Durch das Auftreten des Jefuiten Alfons Mendez und
die dadurch verurfachten dogmatifchen Streitigkeiten veranlaßt
, flüchtet er in eine einfame Höhle, wo er 2 Jahre
als philofophifcher Einfiedler lebt. Nach dem Tod des
von Mendez beeinflußten Königs Socinius kommt er zu
einem reichen Grundbefitzer Habtu, bittet um F*eder und
Papier, um feinen Angehörigen in Axum Nachricht zukommen
zu laffen. Da in diefer Gegend kein Menfch
fchreiben kann, wird er feftgehalten, um für die dortigen
Leute Pfalmenhandfchriften herzuftellen, wofür er ein
fchönes Kleid, eine Kuh und 2 Ziegen u. dergl. für das
Exemplar bekommt, wird Erzieher der Söhne des Habtu
— der jüngere ift der oben genannte Walda Heywat —,
heiratet eine Sklavin des Habtu, mit der er in glücklichfter
I Ehe lebt, fchreibt 68jährig fein hier veröffentlichtes Syftem,
dem fein Schüler das Schlußkapitel beifügt, mit der Nachricht
, daß fein Lehrer 93jährig friedlich entfchlafen fei.
In einer Schrift von 35 Kapiteln fchließt der Schüler
feine Weltanfchauung an.

Beide Schriften find im höchften Maße lefenswert.
Zar'a-Yakob lehnt ausdrücklich ab, noch Chrift zu fein,
weder koptifcher, noch fränkifcher. Er vertritt eine natürliche
Theologie, Gott, Freiheit und Unfterblichkeit; ihm
gilt nur das Natur- und Sittengefetz, mit dem der Dekalog
nach Ausfchluß des Sabbatgebots und der Kern des
Evangeliums übereinftimmt. Die Unreinheitsgefetze des
Mofes und Fallen und Mönchtum der Kirche ftreiten
gegen das Grundgefetz des Schöpfers. Auf das feltfamfte