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Ausgabe:

1908

Spalte:

347-349

Titel/Untertitel:

Catholici, Lendemains d‘Encyclique 1908

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. IT.

348

traditionellen Orthodoxie mit aller Entfchiedenheit be- j der in Baufch und Bogen über den Modernismus von
hauptet, ohne fich weiter um die Frage zu kümmern, ob 1 der Kurie verhängten Verurteilung. Behaupten fie doch,
die dogmatifche Faffung jener Glaubensgedanken fich daß fie in Wahrheit der echten katholifchen Tradition

mit den allgemeinen Prämiffen Renouviers verträgt.

Trotz diefer Ausfiellungen begrüßen wie A.s Schrift
als einen dankenswerten Beitrag zur Erklärung eines
Gedankenfyfiems, das die Beachtung nicht nur der Zunftgelehrten
, fondern auch der religiös intereffierten Laien
verdient. Die Stellung, die R. in den letzten Jahren
feines Lebens zur evangelifchen Kirche einnahm, feine
Bemühungen um eine richtige Wertfehätzung des Prote-
fiantismus und der Kultur, empfehlen ihn der Aufmerktreu
find und den religiöfen Intentionen der fich auf ihr
innerftes Wefen befinnenden Kirche beffer entfprechen,
als die offiziellen Vertreter der Hierarchie, welchen fie
vorwerfen, die urfprünglichen und authentifchen Anflehten
der Moderniften nicht richtig wiedergegeben und interpretiert
zu haben. Die unter Nummer 7—8 in der Bib-
liotheque de critique religieuse veröffentlichte franzöfifche
Überfetzung des Programms der italienifchen Moderniften
ift ein rührendes Denkmal diefes Vertrauens, das auch

famkeit unferer Glaubensgenoffen. Eine wertvolle Er- 1 in den übrigen Schriften der Moderniften immer wieder-
gänzung zu diefem Buch liefert das Büchlein desLaufanner j kehrt und in einem Worte, das Loify gefprochen haben
Profeffors Ph. Bridel, La Philosophie de Charles Renou- foll, einen draftifchen Ausdruck gefunden hat: .Le jour 011
vier 1905, in welchem der Verfaffer aus Renouviers Brief- je serai exeommunie, j'aeheterai une nouvellc squtane'. —
wechfel mit Secretan intereffante Mitteilungen macht. — In denfelben Bahnen bewegt fich die in der Überfchrift
Eine vollftändige chronologifch geordnete Uberficht der j diefes Artikels erwähnte Schrift, deren kühne kritifche
zahlreichen Schriften R.s wäre erwünfeht gewefen; die i Sätze fich mit diefem Anfpruch auf genuine Katholizität

Angaben S. 25—26 kommen diefer Forderung nur in fehr
befchränktem Maße nach.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Catholici, Lendemains d'Encyclique. Paris, E. Nourry 1908.
(124 p.) pet. 8° fr. 1.25

Niemals war die ,moderniftifche' Literatur regfamer ausgefprochen nichtig fei, unverdient ergangen und doch

in einem der fcholaftifchen Tradition Hohn fprechenden
Sinne paaren. Eine Erklärung diefer Pofition dürfte
indeffen nicht bloß im modernen Zeitgeift, fondern in
Ausfagen zu finden fein, die fowohl bei dem kirchlichften
aller Scholaftiker, als auch bei den berühmteften Kirchenvätern
zu lefen find. Thomas von Aquino (Supplem. Qu.
21, art. 4) erklärt, daß die Exkommunikation grundlos

und fruchtbarer als feit ihrer Verurteilung durch die j demütig hingenommen fogar ein Verdienft der Demut
Enzyklika Pascendi Dominicigregis. Eine ganz befonders 1 begründe. Allerdings laffen die meiften der ftreitbaren
eifrige und erfolgreiche Tätigkeit entwickelt in diefer i Flugfchriften, welche aus der moderniftifchen Bewegung
Beziehung der Parifer Verleger E. Nourry, der Heraus- ! bisher hervorgegangen find, jene demütige Gefinnung
geber der Schriften Houtins und einiger Werke Loifys. j vermiffen; klingt fie etwa in dem Programm der italie-
Er hat fich durch die Gründung einer Bibliotheque de nifchen Moderniften durch, die ihre Verteidigung mit den
critique religieuse um die Popularifierung des modernifti- I Worten Auguftins abfchließen? ,Die göttliche Vorfehung
fchen Katholizismus ein unleugbares Verdienft erworben. ! geftattet nicht feiten, daß muftergültige Menfchen durch
Vorliegende Schrift ift bereits die vierzehnte Nummer j das Treiben fleifchlicher Leute aus der chriftlichen Ge-
diefer .Bibliothek1, die auch den deutfehen Lefern an- I meinde vertrieben werden. Diefe können, indem fie zum
gelegentlichft empfohlen fei. Sie gruppiert eine Reihe j Frieden der Kirche mit vollkommener Geduld die ihnen
hervorragender Namen um ein gemeinfames Programm: I zugefügte Schmach tragen, ohne ein Schisma oder eine
innerkirchliche Reform des Katholizismus durch Ent- | Härefie zu verurfachen, die Menfchen lehren, mit welch
bindung der in feinem Schöße fchlummernden religiöfen ungefälfehter Liebe und welch treuer Hingebung man
Kräfte und durch Aufnahme der wertvollften Elemente i Gott dienen foll. Ihre fefte Abficht wird fein, nach Beider
modernen Kultur. Auf diefer gemeinfamen Grund- j legung der Zwiftigkeiten, in den Schoß der Gemeinfchaft
läge machen fich diefe Reformverfuche in verfchiedener I zurückzukehren oder, wenn das fich als unmöglich erWeife
und bei mannigfaltigen Abftufungen geltend. In weifen follte, doch fortzufahren, diejenigen zu lieben, die
irenifcherem Geifte fpricht fich Bonnefoy aus, welcher durch ihre dunkeln Ränke die Exkommunikation herbei

die religiös pofitiven Momente der Bewegung kräftiger
und entfehiedener vertritt {Vers l'unite de croyance 1907,
Le catholicisme de demain 1908). In anderen Veröffent

geführt haben; fo werden fie, durch ihr mutiges Zeugnis,
bis zu ihrem letzten Atemzuge und ohne jeden fek-
tiererifchen Geift, jenen Glauben behaupten und vertei-

lichungen ift die Kritik vorherrfchend und tritt das Be- | digen, von dem fie wiffen, daß es der Glaube der katho-
ftreben, mit den durch eine lange Vergangenheit ge- lifchen Kirche ift. Diefe Menfchen fieht der Vater im
heiligten Vorurteilen und Irrtümern aufzuräumen, deut- ' Verborgenen, und im Verborgenen reicht er ihnen die
licher in den Vordergrund: Loriaux, L'autorite des Krone'(73V vera Religione VI). Man wird diefen Worten
Evangiles 1906; Saintyves, Le miracle et la critique j feine Bewunderung nicht verfagen; die Frage ift nur die,
historique 1906; Le miracle et la critique scientifique j ob die Verwertung derfelben durch die Moderniften und
1907; A. Dupin, Le dogme de la Trinitc dans lesPremiers die Anwendung, die fie davon machen, der Kurie nicht
siecles 1907; L. Chaire, Menüs propos d'un catholique j als ein neuer Beweis fträflicher Überhebung und gottlofen
liberal 1908; L. G. Levy, Une religion rationnelle et j Ungehorfams erfcheinen wird.

la'ique 1908. Die religiöfen Intereffen und die wiffenfehaft- In den Kreifen des franzöfifchen Proteftantismus beliehen
Forderungen fucht in gleicher Weife zu wahren | grüßen viele die Kundgebungen der Moderniften mit
Dr. E. Michaud, Les enseignements essentiels du Christ warmer Teilnahme, zuweilen fogar mit Begeifterung. Der
1907. An der Spitze der hiftorifch-kritifchen Bewegung ] mit der katholifchen Welt Frankreichs genau bekannte
fteht nach wie vor Alfred Loify, deffen Simples Re- | Hiftoriker P. Sabatier findet in diefem Renouveau catho-
flexions sur le Decret du Saint-Office et sur VEncyclique lique die Verheißung einer großartigen Zukunft. Ebenfo
1908 fich durch tapfere Konfequenz des Denkens und | urteilt der geiftvolle Kanzelredner am Oratoire zu Paris,
fcharfe Dialektik in hohem Maße auszeichnen. Es fpricht Roberty: vergeblich verfuche die Enzyklika, die engen
aus diefen .Gedanken' der um alle Maßregeln der Kirchen- ; Mafchen ihres dogmatifchen Netzes über die allenthalben
politik, ja um die fpezififch chriftlichen Motive unbe- hervortretenden Regungen des kirchlichen Lebens auskümmerte
Hiftoriker: ,11 riy a pas d'histoire catholique, zubreiten; die unwiderftehliche Kraft der überall erwachten
ni d'histoire protestante, il y a l'histoire'. — Der allen Knofpen werden jene Bande fprengen und einen neuen
diefen Verfuchen zugrunde liegende Anfpruch läßt fich Frühling in der katholifchen Chriftenheit heraufführen,
dahin formulieren, daß fämtliche Verfaffer erklären, Glie- Daß eine folche Neugeburt nur aus den Tiefen des
der der katholifchen Kirche zu fein und zu bleiben, trotz i religiöfen Glaubens an das wieder erfchloffene Evangelium