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Ausgabe:

1908 Nr. 1

Spalte:

331-333

Autor/Hrsg.:

Rogala, Sigismund

Titel/Untertitel:

Die Anfänge des arianischen Streites untersucht 1908

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. II,

332

arabifchen Schreibwefens und paläographifche Beobachtungen
beigefteuert. Daß die Schrift der Tafeln 2 und 3
unmittelbar vom Syrifchen beeinflußt ift, beftreite ich, da
zahlreiche Koranhandfchriften denfelben Typus haben.
Sehr erwägenswert wäre aber die, von Margoliouth
übrigens gar nicht aufgeworfene, Frage, ob der fogenannte
Kufifche Duktus des Arabifchen nicht durch Angleichung
des alten Naskhi an das Eftrangelo oder verwandte
fyrifche Schriftarten entflanden ift. In den Literaturangaben
Margoliouth's vermiffe ich Nr. III der Veröffentlichungen
aus der Heidelberger Papyrusfammlung (herausgegeben
von C. H. Becker, Heidelberg 1906).

Gießen. Fr. Schwally.

Rogala, D. Sigismund, Die Anfänge des arianifchen Streites

unterfucht. (Forfchungen zur chriftlichen Literatur-
und Dogmengefchichte. VII. Band. 1. Heft.) Paderborn
, F. Schöningh 1907. (V, 115 S.) gr. 8° M. 3.40

Wer diefe Arbeit in die Hand nimmt, glaubt es zu-
nächft mit einer Art Dublette zu Snellmans ,Anfang
des arianifchen Streits' (Helfingfors 1904; f. diefe Zeitung
1904, 708f.) zu tun zu haben. Indeffen handelt es fleh
bei Snellman um fortlaufende Erzählung auf quellen-
kritifcher Grundlage, bei Rogala faft nur um Quellenkritik.
Natürlich berühren fleh beide Arbeiten, aber nur gelegentlich
und nicht fo, daß man die jüngere neben der an fleh
guten älteren für überflüffig erklären dürfte. Für Rogala
handelt es fleh wefentlich um Auseinanderfetzung mit
den kühnen Hypothefen, durch die Otto Seeck in feinen
'Unterfuchungen zur Gefchichte des nieänifchen Konzils'
im 17. Band der Zeitfchrift für Kirchengefchichte (1897)
der Darfteilung der arianifchen Anfänge eine ganz neue,
m. E. leider verfehlte Grundlage zu geben verfucht hatte.
Nun haben freilich, foviel mir bekannt ift, Seecks Auf-
ftellungen irgend welchen Schaden nicht angerichtet.
Immerhin ift es gut, daß eine junge Kraft fleh an ihrer
Widerlegung übt, befonders wenn es in fo tüchtiger Weife
gefchieht, wie es bei Rogala der Fall ift.

Zwar kann auch Rogala nicht überall zu einwandfreien
Ergebniffen kommen. Das liegt in der Natur der
Sache, zumal wenn es fleh um Bewertung der Quellen
für die eigentlichen Anfänge der arianifchen Bewegung
in Alexandrien handelt. Primärquellen im eigentlichen
Sinn befitzen wir überhaupt nicht; auch die Rundfehreiben
Alexanders (Theodoret. I 4; Socr. I 6) und der Brief
Konftantins an Alexander und Arius (Euf. V. C. II 69)
find es doch nur in abgeleitetem Sinn, die Berichte der
Kirchenhiftoriker aber wird man füglich fehr fkeptifch
anfehen dürfen. Nicht einmal die Frage nach dem Karnickel
, das angefangen hat, läßt fleh glatt beantworten.
Auch Rogala bietet hier kaum neues. Daß er Philoftor-
gius ausfeheidet, wird man billigen. Daß die Berichte bei
Eufebius, Sokrates und Theodoret die gleiche Tradition re-
präfentieren, für die jedenfalls der kaiferliche Brief bei
Eufebius die Grundlage bildet, war wenigftens meine Auf-
faffung von jeher. Daß der Bericht des Sozomenus auf
Sabinus zurückgeht und nicht, wie Seeck in mir faft un-
verftändlicher Verkennung aller Verhältniffe meinte, auf
Hofius,wird fchwerlich mit Grund beftritten werden können.
Doch fcheint mir Rogala den Bericht des Sozomenus zu
niedrig einzufchätzen. Eine fchwierige Frage ift die richtige
Abfchätzung des Verhältniffes der beiden Rundfehreiben
Alexanders: Rogala hält das bei Theodoret überlieferte
Schreiben an Alexander von Byzanz (nicht von Konftanti-
nopel, wie R. mehrfach fchreibt) für das ältere, das bei
Sokrates (und Gelaf. Cyzic.) aufbewahrte für das jüngere.
Seinen Beweis ftützt er nicht nur auf gewiffe allgemeine Erwägungen
wie die, daß der zweite Brief (vgl. die von Eufeb.
Nikomed. eingeleitete Bewegung) eine fortgefchrittenere
Situation vorauszufetzen fcheint, fondern vornehmlich
darauf, daß er das am Schluffe des Schreibens bei Theodoret
befindliche Ketzerverzeichnis vom Briefe abtrennt
: und ihm urkundlichen Wert abfpricht. Ich geftehe, daß
mir diefe Operation fchwer eingehen wollte; aber nach
Erwägung aller Für und Wider, die hier darzulegen eine
Unmöglichkeit ift, neige ich mit Rogala zu der übrigens
fchon von Snellman (S. 104. 105) ernfthaft ins Auge
gefaßten Abtrennung, die die Lage wefentlich vereinfacht
, ohne daß man ein fchlechtes quellenkritifches
! Gewiffen zu haben braucht. In dem von Alexander
J am Schluffe des Theodoret-Schreibens erwähnten Tomos
1 hat Eduard Schwartz neuerdings (Nachr. Gött. Gef. Wiff.
1905) eine felbltändige Urkunde fehen wollen, von der
Refte in einem fyrifchen (monophyfitifchen) Sammelkodex
ann. 562 {Mus. Brit. Add. 12156) vorliegen. R. glaubt,
daß es fich bei diefen Retten um das gleiche Schreiben,
nur in anderer Ausfertigung (für Melitius von Sebaftopolis),
handelt. Der Tomos, von dem Alexander redet, fei
fein eigenes Rundfehreiben. Bleibt diefe letztere Erklärung
angreifbar, fo dürfte R.s Vermutung, daß die Fragmente
an Melitius einem (griechifchen) Florilegium entflammen
, das zur Verteidigung des Monophyfitismus
zufammengeftellt war, richtig fein. In diefer Hinficht
konnte in der Tat das Rundfehreiben Alexanders mit
feiner Hervorhebung der Theotokos gute Dienfte kitten.
Von nun ab wendet fich die Unterfuchung wefent-
1 lieh gegen Seeck und, wie mir fcheint, durchweg mit
! Recht, vor allem, wo es fich um die fogenannten Fäl-
i fchungen des Athanafius handelt, der bei Seeck ungefähr
in demfelben verbrecherifchen Licht erfcheint wie Eufeb
j bei Crivellucci. Ich brauche den Ausdruck abfichtlich,
[ denn die übliche Ausflucht, daß man folche Handlungen
damals mit einem anderen Maßftab gemeffen habe, als
man es heute tun würde, fcheint mir verbraucht. Man
follte es fich hundertmal überlegen, ehe man den Vor-
| wurf der Fälfchung erhebt. Athanafius ihn zu machen,
: ift man durch keinen ficheren Schluß berechtigt, und
I es lediglich auf Grund fubjektiver Kombinationen zu tun,
das fcheint mir eben mit dem Andenken großer Menfchen
I zu leicht umgegangen. Was fetzt es doch für eine —
Kaltblütigkeit voraus, einen Satz zu fchreiben wie diefen:
i ,Da Athanafius es mit der Wahrheit fo wenig genau
nimmt, kann es nicht verwundern, daß er fich die Urkunden
, deren er zur Beglaubigung feiner Lügen bedarf,
im Notfalle felber macht' (Seeck S. 41). Ein abgefeim-
[ ter Betrüger, der mehr als anderthalb Jahrtaufende nach
j feinem Tode den gerechten (?) Richter findet! Auf den
erften Blick macht ja fo etwas immer Eindruck. Sieht
man näher zu, fo find entweder die betreffenden Urkunden
! inhaltlich falfch verftanden, oder ihr Milieu ift nicht richtig
i beobachtet, oder irgend eine, vielleicht nicht einmal
richtig gedeutete Einzelheit wird in fo fcharfe Beleuchtung
gerückt, daß das Bild verzerrt erfcheint. Für all das
laffen fich bei Seeck unfehwer Beweife erbringen. Aber
möchten feine Behauptungen fich auch beffer verteidigen
laffen, als es nach meiner Meinung der Fall ift, nirgends
reichen fie zur Begründung fchwerer Verdächtigungen zu.
Es find aber doch fchwere Verdächtigungen, wenn Seeck
I behauptet, Ath. habe ebenfo wie Euf. gewiffe Vorgänge
in der Gefchichte der Entftehung des Arianismus ver-
i heimlicht (das könnte man noch fubjektiv gut wenden),
er habe das Märchen vom Tode des Arius erfunden, er
habe zwei IKaiferbriefe in der Apologia contra Avianos
I (Brief Konftantins I an die in Tyrus verfammelten Bifchöfe,
Kp. 86; Brief Konftantins IL an die Alexandriner mit Ankündigung
der Rückkehr des Ath., Kp. 87), wahrfcheinlich
auch die fogen. Depositio Arii {MSG 18,-581), das Edikt
Konftantins gegen die Porphyrianer (Arianer) und noch die
eine oder andere Urkunde gefälfeht. Ich bewundere,
! daß R. in feiner Widerlegung, der ich bis in die Einzel-
| heiten zuftimme, nirgends, auch nicht den fchwerften
Schnitzern Seecks gegenüber fein Temperament verliert,
j fondern fogar noch die Möglichkeit findet, der Gefchick-
lichkeit des kühnen Konftrukteurs im Kartenhausbauen