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Ausgabe:

1908 Nr. 10

Spalte:

295-296

Autor/Hrsg.:

Chwolson, D.

Titel/Untertitel:

Ueber das Datum im Evangelium Matthäi XXVI, 17: Te de prote ton azymon. Ergänzungen zu der Schrift des Verfassers: Das letzte Passamahl Christi und der Tag seines Todes 1908

Rezensent:

Schürer, Emil

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295

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 10.

296

Gruppe zurück, und Pfingften ift das Feft der Konftitution
der kommuniftifchenBetbruderfchaft = Urgemeinde. —
9. Nachjefu Tod nimmt Petrus feine Heiltätigkeit wieder
auf. Die Kommuniftengefellfchaft entladet die Apoftel
durch das fchon bei den Effenern übliche Wirtfchaftsamt.
Auch bei der Bereifung der Diafpora (— Miffion) durch
Petrus ,brauchen wir uns wirtfchaftliche Gründe nicht
ausgefchloffen zu denken'. Wenn Act. Petrus nicht mehr
nennt, fo ift er eben durch Jakobus verdrängt: ,der Ehrliche
ift das Opfer eines fiegreichen Syftems utilitarifcher
Heimkehr geworden'. — 10. Nicht Petrus, der Nichtjude,
fondern Paulus, der ehemalige Stockjude, ,findet durch
Erleuchtung und Nachdenken' in dem ihm von den
Jüngern vermittelten Gefchichtsftoff in der bekannten
Weife eine ganz neue Art der Erlöfung vom Gefetz.
Er ift gehäffig (Gal. 212) und fpielt oft ein unlautres Spiel
(1 Kor. 920t. Act. 162 f. 21. 26).

In vielen Stücken (Kritik der Vorgefchichte, der
Auferftehungsberichte, auch der Leidensgefchichte, des
Anfatzes der verfchiedenen Uberlieferungsfchichten) lagt
der Verf. allerlei Zutreffendes, nur meift nichts Neues.
Aber überall fpielt er, mit ironifchem Lächeln die Tradition
zerpflückend, gegenüber Held wie Berichterftatter
den nörgelnden kritifchen Pharifäer. Man weiß eigentlich
nicht recht, für wen er feine mühfame Arbeit
getan hat. Im Vorwort fagt er, nicht Religions-, fondern
die Volks- und Menfchengefchichte fuche er auch in
diefen Quellen. Das heißt doch wohl die Hauptfache
und die eigentliche Bedeutung diefes Stoffs unter den
Tifch fallen laffen. So weiß ich eigentlich keine Adreffe
für feine Schrift als die des ewig geftrigen Bildungs-
philifters, an die auch das ähnlich grämlich-ironifche Buch
des Theologen geht, deffen Name allein genannt wird,
Strauß' Alter und neuer Glaube. Im profaifch hellen
Haufe der Philifterei liegt noch ein Stück Väterhausrat,
mit Pietät Hörend behaftet. Das nimmt der Verf. auf
den Tifch unter die Lupe, feziert es und fchüttelt es mit
der Decke zum Fenfler hinaus. Jetzt ifl mans los. Aber
feit 36 Jahren ift die Welt nicht flehen geblieben.

Lobberich. Alfred Zilleffen.

Chwollon, Prof. D., lieber das Datum im Evangelium Matthäi
XXVI, 17: Tfi de siqmxn xmv äCpymv. Ergänzungen zu
der Schrift des Verfaffers: Das letzte Paffamahl Chrifti
und der Tag feines Todes. Leipzig, H. Haeffel 1908.
(S. 133—190.) 40 Komplet M. 6 —

Im J. 1892 hat Chwolfon in den Mimoires de l'Aca-
demie imperiale des sciences de St.-Petersbourg, VIP Serie
t. XLI, No. 1 eine Abhandlung über ,Das letzte Paffamahl
Chrifti und der Tag feines Todes' veröffentlicht, über
welche ich in der Theol. Litztg. 1893, 180 berichtet habe.
Chwolfon ftellt fleh dort in betreff der Chronologie auf
Seite des Johannes: Jefus ift am 14. Nifan, dem Tag des
jüdifchen Paffa, gekreuzigt worden. Damit follen auch
die Angaben der Synoptiker vereinbar fein. Die Zeitangabe
Matth. 26,17: %xi de Jtomxrj xmv aCyvymv wird durch Zurückgehen
auf das Aramäifche und Annahme einer Text-
Korruption in der aramäifchen Vorlage befeitigt; und
der Umftand, daß Jefus fchon am Abend des 13. Nifan
mit feinen Jüngern das Paffa gegeffen habe, wird aus
der Kollifion des 14. Nifan mit einem Freitag (Rüfttag
auf Sabbat) erklärt. Das Paflah-Lamm habe bei einer
folchen Kollifion nicht am 14. Nifan gefchlachtet werden
können, fei vielmehr fchon am 13. gefchlachtet worden;
,das Verzehren des Paffalammes dagegen war Privatfache
, und während die Einen es am 13. verzehrten,
haben die Anderen es erft am folgenden Tage getan'
(S. 43). Die Abhandlung verbreitete fleh auch noch über
manche andere Fragen, die nur lofe mit dem Haupt-
Thema zufammenhängen.

Der Widerfpruch, welchen teils das Ganze, teils Einzelnes
fand, veranlaßte Chwolfon, noch zweimal das Wort
zu ergreifen: 1. in der Monatsfchrift für Gefchichte und
Wiffenfchaft des Judenthums, Jahrg. 37, 1893, S. 537—555
(gegen mich), und 2. in der Zeitfchrift für wiffenfchaftl.
Theologie 1895, S. 335—378 mit einem Nachtrag eben-
daf. S. 1—7 (gegen Grünhut).

Der jetzt, nach 16 Jahren, unter obigem Titel er-
fchienene Nachtrag fchließt fleh nicht nur in F"ormat und
Ausftattung, fondern auch in der Zählung der Seiten
(S. 133—190) eng an die Hauptfchrift an, bringt aber nur
zum kleineren Teile Neues, denn S. 133—145 find ein Abdruck
des Artikels in der ,Monatsfchrift' 1893, und
S. 146—171 ein Abdruck des Artikels in der Zeitfchrift
f. w. Th. 1895. Neu find alfo nur S. 172—190. Der
88jährige Gelehrte gibt hier einzelne Nachträge und Ergänzungen
. Das Wichtigfte darunter ift eine Retraktation
S. 174 ff. Chw. zieht hier feine Erklärung der jcQmxn rmv
dC.vy.mv Matth. 26,17 als zu künftlich zurück und fetzt
an deren Stelle eine andere (S. 180). Der aramäifche
Text habe gelautet: srlDBT iftp ttttVa. Das könne auf
dreifache Art überfetzt werden: 1. ,am Tage vor dem
Paffatage' d. h. am 13.; dann: ,am Tage vor dem Paffa-
fefte' d. h. am 14.; endlich auch: ,am erften Tage des
Paffafeftes' gleichbedeutend mit: ,am erften Tage der un-
gefäuerten Brote'. Die erfte Überfetzung fei die richtige,
die letzte die in unterem griechifchen Texte befolgte,
wobei aber ein alter Abfchreiber xqmxT] xov sxaöya in
jiQmxr] xmv dCyvymv verwandelt habe. — Ich glaube nach
wie vor, daß die jtQmxt] xmv d^vymv als Bezeichnung
des 14. fleh fehr einfach aus der ficheren Tatfache erklärt
, daß man eben fchon während des 14. den Sauerteig
aus den Häufern entfernt hat.

Bemerkt fei noch, daß gleichzeitig mit diefem Nachtrag
auch ein anaftatifcher Neudruck der Hauptfchrift vom
J. 1892 erfchienen ift, unter Beigabe diefes Nachtrages.
Der oben genannte Preis gilt für das Ganze.

Göttingen. E. Schürer.

Milligan, George, D.D., St. Paul's Epistles tu the Thessa-

lonians. The Greek text with introduetion and notes.
London, Macmillan & Co. 1908. (CX, 195 p.) gr. 8°

s. 12 —

Ein Werk mit allen jenen Vorzügen, die kürzlich
in diefer Zeitfchrift (Jahrg. 1907, Sp. 430) an den Kommentaren
von Jofeph Mayor zu rühmen waren, und überhaupt
ganz von der Art, die wir bei der englifchen
Kirche gewohnt find: umfaffende Belefenheit in der altkirchlichen
wie in der modern theologifchen Literatur
des In- und Auslandes; breite, erfchöpfende Darlegung
und Unterfuchung aller dagewefenen oder überhaupt
denkbaren Verfuche zur Löfung hiftorifcher und exegeti-
fcher Schwierigkeiten; kaum mehr zu überbietende Sorgfalt
der Worterklärung; genauefte Abfchätzung desWort-
fchatzes im Verhältnis zu der übrigen paulinifchen Literatur
, zur Schrift- und zur Volksfprache der Zeit; Ver-
gleichung des Stils mit LXX und den Evangelien; vor
allem eine große Reihe weit über die nächfte Aufgabe
hinausgreifender Exkurfe. Gleich der erfte (Paulus als
Brieffchreiber) gibt eine Paläographie unter Beizug der
neueren Papyrusfunde. Andere verbreiten fich über die
Bezeichnungen für Gott und Chriftus, über die Gefchichte
der Worte eva.yyil.iov und evayyEXl^eoüac, jtaoovoia,
Ejcupdveca und dxoxäXvxpig, dzaxxog, dxdxxmg und dxax-
, xeiv ufw. Ausgiebig wird die biblifche Lehre vom Anti-
chrift behandelt (S. 158 f.), und fehr dankenswert ift
die Gefchichte der Auslegung von II Th. 21-12 (S. 166 f.),
I deren Refultat man zufammenhalten muß einerfeits mit
! der Exegefe (S. 95 —105. 163 f.), andererfeits mit der Ein-
I leitung (S. LXXXV—XCII), um die Gründe beifammen
zu haben, die es dem wiffenfehaftlichen Gewiffen, das fich
I hier doch bemerklich regt, ermöglichen, fchließlich bei der