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Ausgabe:

1908

Spalte:

292-293

Autor/Hrsg.:

Allen, Hamilton Ford

Titel/Untertitel:

The Infinitive in Polybius compared with the Infinitive in Biblical Greek 1908

Rezensent:

Helbing, Robert

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 10.

292

Anmerkungen, gefund und gründlich, wenn auch nicht
gerade originell; 3. babylonifche Parallelen.

In der literarkritifchen Frage kehrt alfo G. zu der
älteren Anficht der Zerlegung in J und J2 zurück. Dadurch
wird aber der literarifche Prozeß unnötig kompliziert
und erfchwert. Es genügt doch wohl anzunehmen,
daß der eine Schriftfteller j altes und neues Material aus
verfchiedenen fchriftlichen und mündlichen Traditionen
vereinigte, wobei die meiden Erzählungen urfprünglich
für fich dehende Sondergedalten waren. Wenn der
Fdutbericht dann fcheinbar auf die Gefchichte von der
erden Kultur keine Rückficht nimmt, fo id das nicht
auffallend. Vollends verliert dies Argument fein Gewicht,
wenn man bedenkt, daß nach der babylonifchen Theorie
die vorfintdutliche Kultur auf wunderbare Weife über
die Flut hinübergerettet wurde. Auf den fehr verwickelten
Entdehungs- und Umbildungsprozeß der Ge-
fchichten im einzelnen, auf die alten Einzelteile der jetzt
zufammengefchweißten Legenden, auf die etwaige urfprünglich
mythologifche Form der biblifchen Erzählungen,
auf die noch vorhandnen mythifchen Ideen und Gehalten
läßt G. fich nicht genauer ein; er berückfichtigt in der
Hauptfache nur den uns vorliegenden Bedand der biblifchen
Urgefchichte. Das hat fein gutes Recht, befonders
weil es in der religionsgefchichtlichen Hochfiut der letzten
Jahre fad zu kurz kam. Dagegen fcheint mir G. die
Bedeutung des Schriftdellers J nicht genügend zu würdigen
. Für ihn id J vorwiegend Sammler, der feinem
Stoff objektiv gegenüberdeht, und die religiös-fittliche
Umarbeitung des eingewanderten Materials vollzieht fich
durch den Gefamtgeid des jahwetreuen Volkes, nicht
durch den Schriftfteller felblt. Das fcheint allerdings
dadurch nahegelegt zu fein, daß J feltfame, religiös und
fittlich inferiore Stoffe in feine Sammlung aufnimmt. Derartige
Stoffe bleiben für uns ein gewiffes Rätfei, vollends
mit ihrer Umgebung verglichen. Aber doch glaube ich,
daß J nicht bloß Sammler, fondern bedeutfamer fchrift-
dellerifcher und religiöfer Genius war, der teilweife auch
Eigenes fchuf, wie Kap. 3 (wenngleich mit Benutzung
antiken Materials), und der das Amt der durchgreifenden
Veredlung felbft ausübte, bald mehr bald weniger ener-
gifch, je wichtiger ihm der Gegenftand erfchien und je
weniger er gebunden war. Zuweilen läßt G. felbft durchblicken
, daß er dem J folche Arbeit zufchreiben möchte.

Im übrigen habe ich diefes Buch mit Freude gelefen.
Es geht mit der neueften wiffenfchaftlichen Forfchung
und bemüht fich, diefe weiter zu führen. Befonders fein
erkennt G. die Mannigfaltigkeit des Lebens; er beobachtet
die bunte Verfchiedenheit des Materials, fucht nach verfchiedenen
Quellorten der jetzt israelitischen Gefchichten
und verengt den Prozeß der Einftrömung babylonifcher
Mythen nicht auf einen einzigen, zeitlich beftimmten
Kanal, fondern gibt ihm eine reiche Auswahl hiftorifcher
Möglichkeiten und Verwirklichungen. Das flicht gut ab
von denen, die immer nur Eine Theorie haben und diefe
dann zu Tod reiten.

Tübingen. Volz.

Kaatz, Rabb. Dr. S., Das Wefen des prophetifchen Judentums.

Ein Beitrag zum Verftändnis der Propheten. Berlin, j
M. Poppelauer 1907. (109 S.) gr. 8° M. 2 —

Unter ,prophet. Judentum' verfteht der Verf. die An-
fchauung, die die Propheten in bezug auf die israelitifche
Religion hatten und zum Ausdruck brachten. Er be-
fchränkt fich dabei auf die fchriftftellernden Propheten
von Arnos bis Maleachi, bemerkt aber ganz richtig, daß
ein Vergleich zwifchen ihnen und den vorausgehenden j
Propheten, wie Samuel, Elia nicht möglich fei, da die j
dürftigen Ausfagen der gefchichtlichen Bücher uns über j
fie fo wenig ein richtiges Bild geben wie z. B. die Aus- j
fagen der Königsbücher über Jefaia. Sehr lebhaft betont
er, daß die Propheten für ihre Zeit fprachen und aus !

ihrer Zeit verftanden werden müffen; fie haben von der
großen göttlichen Wahrheit eben das auf ihre Zeit angewendet
, was diefer Zeit nottat; hiebei zeichnet Verf.
die Propheten in erfter Linie als Lehrer, als Pädagogen,
mit abfichtlicher oder unabfichtlicher Verkürzung fowohl
des Ekftatifchen als der Zukunftsfchau. An einzelnen,
etwas willkürlich und zwanglos gewählten Beftandteilen
der prophetifchen Predigt (Vergeltungslehre, Stellung zum
Opfer ufw.) will er dann noch zeigen, wie der Ausdruck
der prophetifchen Ideen durch den Zweck, dem fie dienen
follten, beeinflußt wurde, und wie unter dem Sehwinkel
diefes Zwecks die Widerfprüche fich löfen, die wir bei
den Propheten finden.

Die Brofchüre gibt uns nicht fo viel als fie auf den
| erften Anfchein verfpricht. Denn es wäre für uns fehr
■ lehrreich zu erfahren, wie ein wiffenfchaftlich gebildeter
Jude die israelitifch-jüdifche Prophetie beurteilt. Auch
fehlt es dem Verf. keineswegs an gefundem wiffenfchaft-
lichem Sinn. Ganz richtig erkennt er, daß die Propheten
keine Theologen waren und wir aus ihren Schriften keine
; Theologie zufammenzuftellen haben, fondern daß fie
Volksprediger, Volkserzieher waren, die immer mit dem
I beftimmten praktifchen Zweck unter ihr Volk traten.

Aber der Darftellung haftet der Charakter des Zufälligen
| an, und fie verftrickt fich zu häufig in Polemik, ftatt daß
fie in großen Zügen die Grundgedanken der prophetifchen
1 Predigt wiedergeben würde. Doch liegt der Hauptpunkt,
über den wir uns mit dem Verf. auseinanderzufetzen
haben, wo anders. Verf. nimmt an, die Propheten von
Arnos bis auf Maleachi hätten es mit einer fertigen
jüdifchen Religion, mit der immer gleichen fertigen
Religion zu tun gehabt, die fie nur je nach dem Zeitbedürfnis
verfchieden angewandt hätten. Diefe Annahme
hat nicht nur ihre literarkritifche Seite, fofern die Tora
j in ihrer Gefamtheit (d. h. eben diefe fertige jüdifche
! Religion) früher als die Propheten angefetzt wird, fondern
fie hat auch eine fchwerwiegende innerliche Folge, fofern
| von einem fchöpferifchen Einfluß der Propheten auf die
j Entwicklung der israelitifchen Religion nichts verlautet.
Hier denken wir grundfätzlich anders als der Verf.
Immerhin bleibt nach allen Abftrichen etwas Richtiges
und Beachtenswertes an der Anfchauung des Verf., nämlich
das, daß die Grundgedanken der Propheten von Arnos
bis auf Maleachi untereinander und auch verglichen mit der
übrigen israelitifch-jüdifchen Religion fich am Ende doch
näher liegen, als wir oft annehmen, daß wir die Entwicklung
der israelitifch-jüdifchen Religion zu mannigfaltig gezeichnet
haben, indem wir die Eigenart der gewaltigen
prophetifchen Einzelperfönlichkeiten überfchätzten.

Tübingen. Volz.

Allen, Hamilton Ford, Ph. D., The Infinitive in Polybius
compared with the Infinitive in Biblical Greek. (Histori-
cal and Linguistic Studies in Literature related to
the New Testament. Second Series. Linguistic and
Exegetical Studies. Vol. I. Part IV.) Chicago, The
University of Chicago Press 1907. (60 p.) 8° S — 50

Auf eine kurze Einleitung über Zweck und Anlage
der Arbeit folgt ein ausführliches Literaturverzeichnis,
in dem ich I. Viteau, dttude sur le Grec du NT, le
verbe, Syntaxe des propositions, Paris 1893, wo über
den Infinitiv auch bei den LXX gefprochen wird, ungern
vermiffe. Abfchnitt I behandelt fodann den Gebrauch
des Infinitivs bei Polybius in feinen verfchiedenen
Arten als Infinitiv des Subjekts und Objekts, der Folge,
des Zwecks, nach xq'lv etc. Im II. Abfchnitt verbreitet
fich derVerfaffer ausführlich über den Infinitiv mit dem
Artikel, befonders auch in Verbindung mit Präpofitionen.
In Kap. III werden die Refultate herausgeftellt. Dabei
ergibt fich folgendes: Der einfache Infinitiv ohne Artikel
zeigt gegenüber dem Attifchen keine neuen Gebrauchs-