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Ausgabe:

1908 Nr. 8

Spalte:

248-251

Autor/Hrsg.:

Peters, Norbert

Titel/Untertitel:

Glauben und Wissen im ersten Schöpfungsbericht 1908

Rezensent:

Lobstein, Paul

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247

Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 8.

248

Neubearbeitung des kirchlichen Dogmas, wie fie durch
die Kenotiker vollzogen wurde (5—10), die fpekulative
Deutung des kirchlichen Dogmas durch die Hegelfche
Philofophie (10—16), die fpekulative Deutung des Dogmas
bei Biedermann (16—25), die Vermittelung der kirchlichen
Bedeutung und philofophifchen Deutung des kirchlichen
Dogmas bei Dorner (25—34). Das folgende Kapitel
ift der Neubildung der Chriftologie gewidmet (34—63)
und handelt von Schleiermacher (34—47) und Ritfehl
(47—63). — Die Stärke diefer gefchichtlichen Skizze liegt
vor allem in der Darftellung und Kritik der einzelnen
chriftologifchen Verfuche; als befonders treffend fei die
Beurteilung der Chriftologie Biedermanns und Schleiermachers
hervorgehoben. Nicht einwandfrei ift dagegen
die Gruppierung der hier befprochenen Löfungsverfuche.
Der Vf. felbft ift fich der Einwände bewußt, welche
namentlich die der Schleiermacherfchen Chriftologie zu-
wiefene Stelle hervorrufen wird. ,Daß die Chriftologie
Schleiermachers erft jetzt zur Befprechung kommt, fcht int
nicht bloß ein Verfloß gegen die gefchichtliche Entwicke-
lung zu fein, fondern auch gegen die tatfächliche Abhängigkeit
fämtlicher fchon befprochener theologifcher
Gruppen von der Schleiermacherfchen Theologie. Indes
möge die klare Herausfteilung der Grundgedanken der
Chriftologie die Nachftellung Schleiermachers rechtfertigen
' (34—35). Der hiermit angegebene Grund hat ja
infofern feine Berechtigung, als Schleiermachers Frage-
ftellung in der Chriftologie in der Tat eine neue Epoche
in der Entwickelung des Dogmas begründet hat; fieht
man indeffen, wie Schi, bei der Durchführung feines chriftologifchen
Programms feine Anknüpfungspunkte in der
Überlieferung fucht und feine Formeln dem hergebrachten
Dogma anzupaffen fich beftrebt, fo wird man den guten
Grund der Gruppierung des Vf. ftark bezweifeln dürfen.
Abgefehen von diefer Ausftellung, find es befonders we-
fentliche Lücken, die in der gefchichtlichen Darltellung
F.s auffallen und befremden müffen. Daß von Kants
Unterfcheidung des hiftorifchen und des idealen Chriftus
nur zufällig und gelegentlich die Rede ift, ift um fo mehr
zu verwundern, als der Vf. die Nachwirkungen diefer
Kantfchen Auffaffung fehr wohl zu würdigen weiß. Auch
die äfthetifche Faffung des chriftologifchen Problems,
wie fie bei De Wette und den von ihm beeinflußten
Theologen vorliegt, hätte in Betracht gezogen werden
dürfen.

Der zweite Teil der F.fchen Schrift ,Sy(tematifche
Darftellung' (64—102) knüpft an die mit lebendiger innerer
Teilnahme gefchilderte und durch die ,Ergänzungen'
aus feiner eigenen Schule bereicherte Charakteriftik der
Chriftologie Ritfchls an. ,Die Verfuche, fich des alten
chriftologifchen Dogmas mit dem „Glauben" oder mit der
Vernunft zu bemächtigen, führen zu keinem Ziel. Es
ift vielmehr im Anfchluß an die entfeheidenden Weifungen
Schleiermachers unter Beachtung der von Ritfehl
vorgenommenen grundlegenden Korrektur die Chriftologie
vom Standpunkt des evangelifchen Heilsglaubens aus
neu zu geftalten' (63). Zunächft fchildert F. in großen
Zügen ,die Religion Jefu' (65—73), ihre Grundzüge und
ihre Eigenart; hierauf weift er nach, wie derGlaube anjefus
aus dem Wefen der Religion Jefu folgt und wie diefer
Glaube auch die Wahrheit der Religion Jefu begründet
(73—78). Diefe Ausführungen findet der Vf. durch die
Gefchichte beftätigt, nämlich durch das Selbftzeugnis
Jefu, durch das Zeugnis der Apoftel, und das Zeugnis
der Kirche (78—86). In die gegenwärtig umftrittenen
Probleme greift das folgende Kapitel: Chriftologie und
Gefchichtswiffenfchaft (86—95). ,Lebendige Frömmigkeit
läßt fich nicht auf die Vergangenheit feftlegen; aber —
vergeiftigte Frömmigkeit läßt fich ohne die Gefchichte
nicht denken .... Von Anfang an war nicht das zeit«
gefchichtlich Bedingte an der Perfon Jefu das Produktive
, Leben und Glauben Schaffende, fondern das von
keiner Gefchichte zu erklärende Originale feiner Perfon,

das in ihm wirkliche Gottesleben' (88.92). Gerade das
Verftändnis und die Wertfehätzung der Bedeutung des
Hiftorifchen im Chriftentum fetzt den Verfaffer inftand,
die Grenzen der gefchichtlichen Forfchung richtig zu
beftimmen. ,Daß Jefus fich für den Träger der vollkommenen
Offenbarung Gottes gehalten und daß feine
Jünger ihn als den einzigen Weg zum Vater verehrten,
fleht gefchichtlich feft. Aber ob Jefus mit feinem An-
I fpruch, ob die Jünger mit ihrem Glauben recht haben,
! darüber hat die Gefchichte kein Urteil' (93). Das letzte
I Kapitel ,Die Chriftologie und die Dogmatik' (95—100)
; hat einen vorwiegend methodologifchen formalen Cha-
i rakter, wirft aber auch für das Verftändnis des Inhaltes
I wichtige Ergebniffe ab. Bei aller Entfchiedenheit, mit
i welcher F. die bleibende einzigartige Bedeutung Chrifti
für den Glauben betont (,der abfoluten Bedeutung des
von ihm gefchenkten Heils entfpricht nur die abfolute
Bedeutung des Heilsträgers' 97), findet er doch die Bezeichnung
,Gottheit' für die Perfon Jefu ,wenig befriedigend
' (98); deshalb kann er auch der von Ritfehl und
I Kaftan gebrauchten Formel nicht beipflichten.

Diefer fyftematifche Teil liefert einen im beften Sinn
des Wortes apologetifchen Beitrag zur Darftellung und
Beurteilung der chriftlichen Religion. In der Skizzierung
feines Programms fchließt fich F., wie bereits gefagt, an
Schleiermacher und Ritfehl an; aber diefer Anfchluß
] begründet keine Einfeitigkeit; wie der Vf. an beiden frei-
j mütige Kritik übt, fo weiß er auch von folchen zu lernen,
die, wie Biedermann, Pfleiderer u. a., Bahnen verfolgen,
die von dem durch ihn eingefchlagenen Weg fich ent-
I fernen; auch den Beftrebungen Kählers bringt er ein po-
fitives Verftändnis entgegen. Diefer Verfuch, den ver-
fchiedenen Richtungen gerecht zu werden, entflammt
nicht einer unklaren Vermittelungsfucht; er paart fich
vielmehr mit einer benimmt und klar formulierten Pofi-
tion, die der Vf. wohl zu begründen verfteht. Darum
ift auch feine in ihrem gefchichtlichen Teil lehrreiche
j Schrift durch ihre fyftematifchen Ausführungen anregend
und fördernd.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Peters, Prof. D. Norbert, Glauben und Willen im erlten
Schöpfungsbericht. (Gen. 1, 1—2, 3.) Paderborn, F.
Schöningh 1907. (XII, 80 S.) gr. 8° M. 1.40

In diefer Schrift macht der Verf. einen am 5. De-
I zember 1905 vor ftudentifchen Kreifen gehaltenen Vor-
j trag in teilweife erweiterter Geftalt einem größeren
Publikum zugänglich. ,Wenn die Aufklärungsarbeit auf
unfrer Seite nicht mit allen Kräften einfetzt, muß die
zielbewußte Arbeit des Unglaubens im gefprochenen und
| gedruckten Wort notwendig durch die weitefte Ausdehnung
des religiöfen Skeptizismus allmählich auch unfer
katholifches Volk vergiften und uns über kurz oder lang
1 als logifche Folge diefelbe Totenftarre der religiöfen
! Gleichgültigkeit in der großen Maffe des Volkes bringen,
| wie wir fie heute jenfeits des Rheins fehen' (IV). Wie
fehr der Verf. darauf bedacht ift, in der gegenwärtig fo
; fchwierigen Zeit, fich innerhalb der eng gezogenen Grenzen
der Kirchlichkeit zu halten, erhellt aus den Thefen, die
j er feiner Schrift voranfehickt, und welche die ,Grundiätze
der katholifchen Theologie zufammenfaffen, die dem Verf.
i auch bei diefer Arbeit Leitfterne waren'. I. ,Die ganze
. h. Schrift ift mit allen ihren Teilen infpiriert, auch in
den nur profanwiffenfehaftliche Dinge enthaltenden Par-
! tien'. — II. ,Mit der Infpiration ift die Irrtumslofigkeit
der Verfaffer verbunden in allem, was fie behaupten', —
I III. ,Die Irrtumslofigkeit der h. S. geht zunächft nur
[ auf den Text in der Form, in der ihn die Verfaffer
j niederfchrieben oder diktierten'. — IV. ,Nicht alle Einzelheiten
der ganz infpirierten Bücher werden von ihren
I Verfaffern auch behauptet; man muß vielmehr unter-
fcheiden zwifchen den behauptenden Ausfagen und den