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Ausgabe:

1908 Nr. 8

Spalte:

234-236

Autor/Hrsg.:

Feldmann, Franz

Titel/Untertitel:

Der Knecht Gottes in Isaias Kap. 40-55 1908

Rezensent:

Volz, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 8.

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wandtfchaft zwifchen der altnordifchen Sage von Helgi,
einer japanifchen und einem Kaffernmärchen (S. 556),
oder der womöglich noch ftärker betonten Verwandt-
fchaft eines Märchens aus dem Pentamerone (1637) mit
einer grönländifchen und kanadifchen Sage (S. 491fr.).

Liegt hierin fchon ein Hauptfehler von St.s Methode,
fo kommt hinzu, daß feinem Buche alle Struktur und
Dispofition abgeht; es ift von einer geradezu beifpiellofen
Unüberfichtlichkeit: auf 227 Seiten läuft der Text, halb
über halb unter dem Strich (ohne daß mir das Prinzip
der Scheidung recht deutlich geworden wäre), großenteils
feitenlange Anführungen von Sagen etc. in grie-
chifcher, lateinifcher, deutfcher, franzöfifcher, englifcher,
italienifcher, felbft fpanifcher Sprache, auch ohne merkliche
Steigerung nach irgend einer Seite hin, in Einem
Tenor weiter, lediglich unterbrochen durch die in Fett-
fchrift gedruckten Ketten der Motivgleichungen, innerhalb
deren ich mich wieder vergeblich nach einer beftimmten
Ordnung oder gar Entwickelung umgefehen habe.

So bleibt m. E. der Wert diefes Buches auf den
Reichtum des in ihm aufgeftapeh;en Materiales befchränkt,
den auszufchöpfen allerdings das Fehlen eines Regifters
hindert.

Bafel. Alfred Bert hol et.

Engel, Moritz, Wirklichkeit und Dichtung. Auffchlüffe in
und zu 1. Mofe 2—4; 6,1 — 14; 9,18—27; 11 und
12,1—6. Ein Lebenswerk. Mit 2 Karten. (Herausge- I
geben von Prof. Dr. Paul Hohlfeld.) Dresden, W.
Baenfch 1907. (X, 301 S.) gr. 8° M. 4 —

Gen. 2f. find zwei Dichtungen urfprünglich gefon- [
derten Urfprungs. Die ältere umfaßt Kp. 24—8a 10 11—u I
15 sb 18—23 320; dazu gehören 41—ig 25f Iiis—32; fie
flammt aus der Zeit um 950 und ift von einem Priefter verfaßt
. Nach ihr ift Adam nicht aus dem Paradies vertrieben
, fondern erft Kain; ybü! 2 21 ift mit ,Seite' zu überfetzen
; 41 fagt Eva, fie habe nun ein Männliches, den
Herrn (urfpr. bya-riX) bekommen; das Kainszeichen i(t> |
die Fellbekleidung, die aus Kp. 3 hinter 415 zu ftellen j
ift. Die 2. Dichtung umfaßt hauptfächlich Kp. 3; dazu
aus Kp. 2 die Verfe (8a) 9 16 17 25 und Kp. 61—8. Diefes
Stück ift nicht Mythe oder Volksfage, irgendwoher eingewandert
, fondern abfichtliche, felbftändige Dichtung
eines Einzelnen, das Ergebnis feiner überfchauenden |
Geiftes-und Gedankenwelt, feiner ureigenen Phantafie. Die I
Dichtung ift entftanden in der Zeit der ärgften Religionsund
Göttermengerei unter Manaffe; der Dichter ift ein Weib. |
Der ,Baum des Guten und Böfen' hat eine Beziehung zum '
gefchlechtlichen Vorgang; gut und böfe = füß und bitter; 1
Gutes undBöfes erkennen, bedeutet: erkennen im gefchlechtl.
Sinne, Menfchenleben felbftändig hervorbringen wie Jahwe,
hiermit aber das Süße des Lebens und das Bittere des
Todes, das Sterbenmüffen, kennen lernen. Nach der Mei-
Dung des Dichters follten Adam und Eva in gefchlechtl.
Unberührtheit im Paradies bleiben, bis Jahwe fie wieder I
(wie Henoch) hinweggenommen hätte; Jahwe hätte dann
jedesmal wieder einen neuen Menfchen neu geformt.
Auch 63 berührt den Sündenfall der Begattung: durch
diefe ift der Menfch Fleifch geworden. In der trüben
Zeit des Manaffe kommt das religiöfe Gemüt, angeekelt
vom böfen Leben, auf den Gedanken, daß der Menfch j
nur ewig leben könne, wenn er gefchlechtlich enthaltfam
fei, wie in jener Zeit Brahmanismus und Buddhismus ähnliche
Gedanken erzeugten. Die Schlange ift ein Doppel- |
wefen, Tier und Dämon (der Heilgott, urfprünglich einer
der Geifter um Jahwe); durch den Fluch wird das Tier 1
zum Gifttier, der Dämon zum ,Tod', dem Menfchenmörder;
er muß nun immerfort ,Staub treffen' = die zu Staub
gewordenen Menfchen verfchlucken. Verflucht wird nur
die Schlange bezw. der Schlangendämon, nicht der Mann, |
nicht das Weib. Die ganze Dichtung ift eine Theodicee: j
Jahwe ift nicht fchluld an Sünde und Tod.

Über die Lage des Paradiefes weiß Vf. genaue
Auskunft zu geben. Was die Erklärer behaupten vom
mythifch-kosmifchen Paradies, von den 4 Weltftrömen
u. dgl., ift Eintrag. In Wirklichkeit ift der Garten in
Kp. 2 nichts anderes als eine Oafe in der Wüfte und zwar
eine tatfächlich exiftierende, die Oafe Ruchebe öftlich
vom Hauran, Eden ift die oftfyrifche Vulkanfteinwüfte
Harra; .Kerubim' find die Vulkanberge jener Gegend;
auch die 4 Flüffe weiß Vf. in Wafferläufen jener Gegend
j zu finden, die Gleichfetzungen Hiddeqel = Tigris und Phrat
! = Euphrat feien haltlos. Die Oafe Ruchebe kommt im AT
auch fonft unter allerlei Namen vor: Rechoboth ha nahar,
Aram bet Rechob, beth 'Eden, das Land des Bileam,
das Erftlingsland des Stammes Gad, Ur Casdim u. a.
find immer dasfelbe, eben diefe Oafe. So wohnten alfo
Adam und feine Nachkommen bis auf Therach und Abraham
in jener Oafe; erft diefe wanderten aus. Die ,Oafe'
inmitten der ,Wüfte' wurde dann Typus des efchatolo-
gifchen Paradiefes neben der heißen Hölle.

Die Völkertafel ift vorisraelitifch, uralt, von den
Phönikiern flammend; Cham find die füdlichen, Schern
die nördlichen Völker (fchem cf. fcham, Damaskus); die
biblifche Fluterzähluug holte aus der Völkertafel ihre
Namen. In 918—27 ift Noah = Kambyfes, Kanaan =
Kuthäa (Samaria), Sem = Judäa, Jafet der Perfer.

Dies nur ein kurzer Auszug des breiten, tieffinnigen
Buches. Viele Seltfamkeiten mögen unerwähnt bleiben.
Vf. zeigt fich in den religions-gefchichtlichen Parallelen
bewandert, allerdings mehr in den klaffifchen als in den
altorientalifchen; doch treibt er mehr geiftreich fpeku-
lative Religionsvergleichung als Religionsgefchichte. Zuweilen
wirft er dem biblifchen Stoff noch eine ,efote-
terifche' Deutung über, wodurch der wirkliche Tatbe-
fland vollends verhüllt wird. Er will zuviel wiffen und
erklären und kommt fo erft recht von Geheimnis zu Geheimnis
. Doch flecken inmitten all der feltfamen und
künftlichen Ausführungen etliche wiffenfehaftliche, originelle
und vielleicht teilweife zum erftenmal ausgefprochene
Richtigkeiten. So die Tatfache, daß in Kp. 2 f. zwei ganz
verfchiedene Stücke enthalten find, das Stück von der
Erfchaffung des Menfchen, der Tiere und des Weibs und
das Stück vom verlorenen Paradies; weiter die beachtenswerte
Exegefe des 2>b£, die auf der urfprünglichen Doppel-
gefchlechtheit des Adam beruht. Richtig erkennt Vf.,
daß Kain aus dem Paradies vertrieben wird; allerdings
nehmen wir das nicht unter der Vorausfetzung an, daß
Adam im Paradies blieb, fondern fo, daß die Gefchichte
vom Brudermord im Paradies eine für fich flehende Erzählung
war. Richtig fühlt Vf., daß die Kainsgefchichte in
fich nicht einheitlich ift (Kainszeichen und 7 fache Rache),
aber feine Auskunft ift unmöglich. Richtig ift endlich
die Erkenntnis des Vf., daß Gen. 3 eine aus dem israeli-
tifchen Geift flammende freie Dichtung (Gleichnisdichtung)
ift; doch müffen wir annehmen, daß der Dichter mit gegebenem
mythologifchem Material (vgl. die Bäume, die
Schlange) arbeitete; in der urfprünglichen Sage war allerdings
der Baum der Erkenntnis der Baum der gefchlechtlichen
Reife, aber für den geiftvollen Bearbeiter, dem wir
diefes Kapitel verdanken, war er das wohl nicht mehr.
Tübingen. Volz.

Feld mann, Prof. Dr. Franz, Der Knecht Gottes in Ifaias
Kap. 40-55. Freiburg i. B., Herder 1907. (VIII, 205 S.)
gr. 80 M. 5 —

Zuerft gibt F. ein ausführliches Referat über die
Gefchichte der Auslegung in der jüdifchen und chrilt-
lichen Exegefe und über die literarkritifchen Verfuche,
die Ebedftucke aus Dtjef. auszufcheiden. Gewiffenhaft
fucht er dann die für die kollektive Deutung angeführten
Argumente zu entkräften und die Beweispunkte der individuellen
Deutung zu fammeln (l)crit 'am; 495t.; 53 8;
der aktive Beruf des Ebed an die Heiden; die Unmöglich-

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