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Ausgabe:

1908 Nr. 6

Spalte:

182-183

Autor/Hrsg.:

Faber, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Wie sah Huß aus? 1908

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1908 Nr. 6.

182

(es ift doch wahrhaftig nicht fo fchwer, aus Venedig und
Rom vollfhändige Abfchriften oder Photographien zu erlangen
), hat der Herausgeber gar nicht dafür geforgt, dem
Lefer durch die äußere Anordnung etwas zu Hilfe zu
kommen: die einzelnen Stücke find nicht numeriert, die
Überfchriften heben (ich nicht ab. Was aber wichtiger ift:
der innere Aufbau ift garnicht beachtet. Das Tryphons-
gebet z. B. befteht nach der Einleitungsformel ii 15 ,1m
Namen uff.' aus einer Einleitung im Erzählungston
1118-M ,Es fliegen vom Himmel heben Engel uff, einer
Aufzählung der 14 zu bannenden Schädlinge ii20—24; dann
folgen fünf ganz gleich gebauteBefchwörungen, jede anhebend
mit ,Ich befchwöre euch bei..', was bei den drei mittleren
nochmals mit ,bei .... befchwöre ich euch' aufgenommen
wird (hiernach ift die Interpunktion 1217. ra zu
ändern). Nur der mittelften ift eine ausführliche Bedrohung
beigefügt unter Berufung auf den h. Tryphon, deffen Name
noch in der zweiten und fünften Befchwörung erfcheint —
ganz fymmetrifch. Die letzte klingt dann wieder aus in
die trinitarifche Formel. Ganz ähnlich ift der Aufbau
des folgenden Gebets: ,1m Namen' 1227, erzählende Einleitung
1231—133, fünf oQxi^m ös ovv GxmArjS,, nur das
mittelfte 1312 etwas erweitert und verändert; als Ab-
fchluß die Ankündigung, daß die Befchwörung erfolgreich
, Chriftus fiegreich war 13 31» Das Formale ift der
Befchwörungsformel wefentlich; darauf mußte geachtet
und der Lefer hingewiefen werden. Davon profitierte
auch der Text: 1331 1. <pvGog ft. (pvOiv, 143 (6 Xoiötog)
aJii&avev.

In dem Kommentar ift mit großem Fleiß und umfallender
Belefenheit in der folkloriftifchen Literatur reicher
Stoff zufammengetragen, aber die Darbietung ift
auch hier nicht gefchickt. Die Form eines dem Text
folgenden Kommentars kreuzt fich mit dem Prinzip fachlicher
Anordnung. Das führt teils zu Wiederholungen,
teils zum Auseinanderreißen zufammengehöriger Dinge.
Sehr erfreulich ift die Aufmerkfamkeit, die der Herausgeber
den biblifchen Beziehungen der Texte gewidmet hat: man
hätte die Verweife hierauf gern fchon unter dem Text
gefunden; das wäre auch wieder der Textkonftitution
zugute gekommen. Zitate durften als folche kenntlich
gemacht werden; 193 war (£' in 4' zu verbeffern. Gut
wäre es gewefen, wenn diefe fleißige Sammlung von
Parallelformeln auch auf die Liturgien ausgedehnt worden
wäre, wozu am beften Brightmans Liturgies eastern and
westem (nicht Probft!) gebraucht wird. Drews hat ganz
recht mit der Forderung, daß Anklänge an die Liturgie
ebenfo vermerkt werden tollten wie biblifche Anfpielungen.

An Einzelheiten bemerke ich noch, daß zu dem Engel
über die Tiere 1212 (183 59) Hermas Vis. IV 24; zu dem vor
Gottes Namen berftenden Fels 12 17 (1. avzij ft. avzrj; 41)
das Michaelswunder von Chonai, Anal. Boll. VIII 305 f. 315;
zu 16 25 ff- (42) Jakobsbrunnen Job. 40. 12; zu 101 (49) Engel
bei der Taufe Strzygowski Ikonographie der Taufe; zu
dem Stillftehen des Jordans dabei A. Jacoby, Ein bisher
unbeachteter apokrypher Bericht über die Taufe Jefu, 1902;
zu 3617 (51) dem Binden des Löwen und Zügeln des
Drachen außer Pf. 9113 JSir 25 ut die Wunder der Kindheitsevangelien
(Tifchendorf evang. apocr.286.104f.); zu jivevfia
stoojcoiovv 8 -21(52) (tatt eines lesbifchen Karnevalliedes die
unendliche Reihe der Stellen in Symbolen und Doxolo-
gien, zu den Cherubim und Seraphim Ii28ff (54) Drews
ZKG XX320; Neftleebd. 553; Brightman JThStxgpo, 277;
zu den areopagitifchen zehn Engelklaffen Kattenbufch,
Konfeffionskun de I 353, Loofs, Symbolik I 137; zu dem
Gebrauch von Pfalmen zur Zauberei (69) Kayfer ZDMG
1888, 456; Wilcken, Arch. f. Pap.-Forfchung I 430 zu vergleichen
find. Die Bemerkung über die Titel der {reoröxog
S- 53 legt den Wunfeh nahe, daß deren Alter und Urfprung
einmal genau unterfucht werde. Wer ift der h. Philipp,
der jtvtvfiaToÖKaxtrjg, an deffen Gedenktag das Gebet
S. 18/9 gefprochen wird? Schade, daß die magifchen
Zeichen nicht fakfimiliert find: fie konnten, wenn die

Einrückung in den Text Schwierigkeiten bot, auf einer
Tafel vereinigt und im Text mit Nummern bezeichnet
werden.

Das Gebiet ift unerfchöpflich: dem fleißigen Verf.
gebührt für das Gebotene fchon der Dank aller derer,
die das Gebiet finfterften Aberglaubens wiffenfehaftlicher
Aufhellung nicht unwert erachten.

Straßburg. von Dobfchütz.

Schmitt, Prof. D. Chriftian, Cardinal Nicolaus Cufanus.

Separat-Abdruck aus der Feftfchrift des Real-Gym-
nafiums zur Einweihungsfeier des Neubaues 1907.
Coblenz, H. L. Scheid (1907). (27 S.) gr. 8» M. 1 —

Die auf fleißigem Studium beruhende Schrift behandelt
in einer — nach des Verf.s perfönlicher Mitteilung
durch die Veranlaffung ihm aufgedrungenen — Kürze zu-
erft ,das Leben und die kirchliche Wirkfamkeit des Cardinais
von Cues', wobei eingehender, als in der früher
befprochenen Schrift von Jacobi, fein Verhältnis zu den
Päpften Eugen IV. und Nikolaus V. und der Streit behandelt
wird, den er als Bifchof von Brixen mit Herzog
Sigismund von Öfterreich um die landesfürftlichen Rechte
und zugleich um die Durchfetzung feiner Reformen zu

1 führen hatte. Der zweite Abfchnitt fucht über ,die

! wiffenfehaftliche Bedeutung des Cardinais von Cues' zu
orientieren und fchildert ihn kurz in feiner umfaffenden
Betätigung auf den verfchiedenften Gebieten als Phyfiker,
Geographen, Mathematiker, Aftronomen, Politiker, Hifto-

| riker, Homileten und Redner, Philofophen und Theologen.

j Auf letzterem Gebiete verfucht der Verf. eine .Rettung'

I des Cufaners, die er in einem Exkurs noch etwas eingehender
zu vertreten fleh bemüht. Der .Vorwurf des

i bewußten Pantheismus' werde ,gegen ihn fo recht im Ernfte
von niemand aufrecht erhalten; er ftände auch in zu grellem
Gegenfatz zu der gläubig-chriftlichen Weltanfchauung, als
deren eminenten Vertreter wir ihn ja kennen gelernt haben'
(S. 21). .Mag alfo zuweilen der Ausdruck verfänglich fein,
was durchaus Denifle und Gloßner zugegeben werden

! muß, an der Korrektheit der Cufanifchen Gedanken ift
hinfichtlich des Gottesbegriffs nicht zu zweifeln' (S. 23).
Auch bedenkliche Momente, wie das .Zufammenfallen der
Gegenfätze in Gott' und die nahe Berührung mit der Myftik
MeifterEckharts fcheinen d em Verf. ,immer noch in einem
richtigen Sinne interpretiert werden zu können' (S. 20). Es
kommt ihm nicht zum Bewußtfein, daß das friedliche Beieinander
der kirchlichen .Korrektheit' und der Keime
einer neuen freieren Gedankenwelt typifch ift für diefen
merkwürdigen Denker der Übergangszeit. Unterfucht
man aber diefe Gedankenwelt, nur um ihren Urheber zu
,retten', von einem Standpunkt, dem es höchfte Beruhigung
ift, ,daß der große Cardinal nur durch Unklarheit
im Ausdruck hie und da gefehlt hat' (S. 24), fo
wird man zwar durch mühevolle Kleinarbeit, wie' fie
diefe Schrift leiftet, einige Einzelheiten beibringen, aber
zu einem wirklichen Verftändnis des vielfeitigen Philofophen
der Frührenaiffance nicht gelangen können.

Heidelberg. Th. Elfenhans.

Faber, D. Wilhelm, und Dr. Julius Kurth, Wie rah Huß
aus? Eine ikonographifche Studie auf Grund der Miniaturen
des lateinifchen Cantionale in Leitmeritz. Mit
drei Tafeln in Photogravüre. Herrn D. Dr. Bernhard
Weiß zum achtzigften Geburtstage verehrungsvoll gewidmet
. Berlin, M. Warneck 1907. (21 S.) gr.40 M. 4.50

,Huß hat fo ausgefehen, wie ihn die drei hier zum
erften Male veröffentlichten Bilder darfteilen', nicht aber
fo, wie ihn Leffing in dem bekannten, in der Berliner
Nationalgalerie befindlichen Gemälde ,Huß vor dem
Scheiterhaufen' oder Adolph Menzel in feinem ,Vater-