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Ausgabe:

1907 Nr. 6

Spalte:

174-176

Autor/Hrsg.:

Ter-Mekerttschian, Karapet

Titel/Untertitel:

Des heiligen Irenäus Schrift zum Erweise der apostolischen Verkündigung eis epideixin tou apostolikou kerygmatos in armenischer Version entdeckt, hrsg. u. übers 1907

Rezensent:

Bonwetsch, Gottlieb Nathanael

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 6.

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fowohl auf politifches und gefellfchaftliches Leben als
auch auf die Sprache der Griechen eingewirkt hat, dabei
mit einer Gründlichkeit verfahrend, die feine Arbeit weit

als befonderer religiöfer Verband neben dem Judentum
für die Heiden erkennbar geworden, hatte es in den
offenen Kampf gegen die Staatsreligion einzutreten. Die

über den Rahmen einer Studie hinausführt und fie ge- t Chriften waren damit den Vertretern der Kaifendee
eignet macht allen, die diefe Gebiete berühren, wertvolle gegenüber als Atheiften und Feinde des Staates gekenn-
Winke und Auffchlüffe zu geben. Nicht nur die gefamte j zeichnet. Unter dem Druck der Verfolgungen, die nun
griechifche Literatur bis auf die hadrianifche Zeit hat j über die Chriftengemeinden unter den Heiden herein-
hier Bearbeitung gefunden, der Verfaffer berückfichtigt ; brachen, änderten diefe ihre paulinifche Tradition und

mit gleicher Liebe des vorhandene Infchriftenmaterial
und hat mit erfiaunlichem Fleiße zufammengetragen, was
die Forfchung der neueren Zeit Einfchlägiges bot. Die
Aufzählung der durchgefehenen oder in Einzelnem verglichenen
Werke letztbezeichneter Art füllt allein fechs
Seiten.

Von behenderem Intereffe mögen feine Ausführungen

ließen den urfprünglich jüdifchen Charakter wieder
mehr in den Vordergrund treten. Der neue Typus des
Chriflentums tritt uns in der Apokalypfe entgegen. Sie
ift das .Manifeft des Krieges gegen Kaiier, Beamte und
Gefellfchaft'.

Hat fo durch den Druck des römifchen Staates die
chrifHiche Religion ihren ftaatsfeindlichen Charakter

erfcheinen, wo fie jüdifche oder chriftliche Dinge be- ! gebildet, fo erfuhr fie andererfeits auch Einwirkungen
handeln. Mit Recht wird S. 153 f. darauf aufmerkfam j mehr direkter Art (S. 176—181). Die römifche Rechts-
"emacht daß auf Paulus das Bewußtfein, römifcher 1 Verwaltung in ihrer formelhaften Weife mußte der von

Paulus bekämpften, der erften Chriftengemeinde anhängenden
Gefetzlichkeit neues Leben verfchaffen. Der
römifche Sinn für Ordnung und Gehorfam, die Gewöhnung
an eine machtvolle Leitung, der praktifche Ernft in der
Führung der Gefchäfte blieb eine immanente Eigenfchaft
der römifch fühlenden und denkenden, an römifche An-
fchauungen und Satzungen gewöhnten Mitglieder der
neuen Gemeinden. Diefe drangen auf eine geregelte
Verfaffung der neuen Kirche, die abgefehen von dem
Bilderkreis lebt in der Chriftenheit fort. Clemens Ro- erften Vorbild, der Synagoge, in der Organifation nach

Bürger zu fein, doch einen mächtigen Einfluß ausgeübt
haben müffe. In feiner Eigenfchaft als römifcher Bürger
wurzelt wohl auch die für den Juden fo anftößige Anerkennung
des römifchen Rechtsftaates. S. 167 wird auf
den Eindruck hingewiefen, den die großartige Organifation
und Disziplin des römifchen Heeres bei Freund und Feind
hervorgerufen. Auch die Chriften konnten fich diefes
Eindruckes nicht erwehren. Schon Paulus entlehnt
gerne Bilder aus dem Soldatenleben Eph. 6, 13. Diefer

manus begründet die Anfänge kirchlicher Hierarchie mit
der militärifchen Rangordnung L Kor. 37. Bei Ignatios
find ähnliche Gleichniffe nicht minder beliebt. Er ver-

dem Mufter der römifchen collegia fich richtete. Die
römifche Beeinfluffung des Chriftentums zeigt fich hierbei
vor allem in der Entwickelung der Machtftellung

gleicht das Taufgelübde der Chriften mit dem Fahneneide; des Bifchofs und in dem Autoritätsbevvußtfein der
wer es bricht, ift ein deöe'pTcop. Die guten Werke der
Chriften find das depositum apud signa, der Lohn im
Himmel entfpricht der Auszahlung diefes depositi aus der

römifchen Gemeinde. Die Belege hierfür ergeben fich
aus Klemens und Ignatios' Brief an die Römer.

Der Bund, den das Chriftentum fo mit dem römifchen

Regimentskaffe (Ign. ad. Polyc. 6.). Geifte einging, wird für dasfelbe von geradezu rettender

S. 169—176 find der Darfteilung des Kaiferkultus j Bedeutung. Im Zeitalter des Gnoftizismus wurde es vor
und feines Gegenfatzes zu Juden- und Chriftentum ge- j der Auflölung in myftifche Träumereien und Philofopheme

widmet. Der römifche Kaifer war nicht nur das weltliche
und geiftliche Oberhaupt für die Einwohner des Reiches,
er war der höchfte und wahrfte Gott, ein numen praesens,
dem feierliche Opfer zubringen waren. DadieKaiferreligion
als offizielle Staatsreligion unbedingte Anerkennung und
Unterwerfung forderte, fo mußte fie unduldfam und zu
Zeiten verfolgungsfüchtig werden. Denn der Abfall vom
Kaiferkult bedeutete zugleich den Abfall vom politifchen
Kaifertum. Diefe neue Kaiferreligion follte an die Stelle
der alten wie auch der provinzialen Religionen treten,
um fo aus der Mannigfaltigkeit der einzelnen Teile ein
im Denken und Fühlen einheitliches imperium herauszu-
geftalten. So verfchwinden nun mehr und mehr die in
den letzten Zeiten der Republik im griechifchen Offen
heimifch gewordenen Kulte der Dea Roma und der
Fortuna populi Romani. Der Eid beim Genius des jeweiligen
Kaifers ift unverletzlich, die kaiferlichen Standbilder
find furchtbarer und unantaftbarer als felbft der
olympifche Zeus.

In diefer Zeit übt auch der Senat eine Art von
Oberaufficht auch in religiöfen Dingen aus. Er entfeheidet
über Anerkennung fremder Kulte, je nachdem fie der
Staatsreligion gefährlich fchienen oder nicht. Kein
Wunder, wenn der auch über die Götter mächtige Senat
als Uqc, ovyxi.t)Tog oder ireog ovyxXrjzog zu göttlichem
Rang emporftieg und fich neben dem Cäfar göttlicher
Ehren erfreute.

Auch Philofophen wurden Märtyrer ihrer Überzeugung
dem Kaiferkult gegenüber, ganz befonders aber
hat Judentum und Chriftentum den Druck diefer neuen
Staatsreligion erfahren, das Judentum in ernftlicher Weife
allerdings nur unter Caligula.

Paulus hatte an einen wirklichen Konflikt des
Chriftentums mit der heidnifchen Staatsreligion noch
nicht gedacht. Nachdem jedoch die Chriftengemeinde

durch den aus römifchem Geift herausgeborenen Sinn
für praktifches Wirken und Subordination unter die
kirchliche Obrigkeit in feiner Lebensfähigkeit für die
Zukunft erhalten.

S. 257—265 bringt einen Überblick über die Latinismen
des Neuen Teftamentes. Die Ausbeute ift eine
ziemlich reichliche und läßt auch hier in die Augen
fallen, welchen Druck römifches Wefen auf die Verhalt-
niffe des Oftens ausgeübt hat. Dies Refultat wird von
dem Verfaffer um fo höher eingefchätzt, weil in der
N. T.hchen Literatur uns die Volksfprache in unge-
kunftelter Weife entgegentritt, während die Profanfchrift-
fteller jener Periode mit ihrem erheuchelten Attizismus
das wahre Sachverhältnis abfichtlich verhüllen.

Nürnberg. Blau fuß.

Des heiligen Irenaus Schrift zum Erweife der apoftolilchen

Verkündigung sig inidei%iv rov ämoazoXixov xriQvytiatog
in armenifcher Verfion entdeckt, herausgegeben und
ins Deutfche überfetzt von Lic. Dr. Karapet Ter-
Mekörttfchian und Lic. Dr. Erwand Ter-Minaf-
fiantz. Mit einem Nachwort und Anmerkungen von
Adolf Harnack. (Texte und Unterfuchungen zur Ge-
fchichte der altchriftlichen Literatur. Herausgegeben
von A. Harnack und C. Schmidt. Dritte Reihe, erfter
Band, erftes Heft.) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung
1907. (VIII, 69* u. 68 S.) gr. 8° M. 6 —

• a ^n Bisher unbekanntes Werk von Irenäus ift in
jedem Fall ein Ereignis; es ift dies in befonderem Maß
wenn es, wie das vorliegende, eine Zufammenfaffung deffen
bildet, worin er den Inhalt der apoftolifchen Lehre erblickt
. Nur durch Eufebius KG V, 26 wußten wir von