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Ausgabe:

1907

Spalte:

152-155

Autor/Hrsg.:

Lipps, Theodor

Titel/Untertitel:

Bewußtsein und Gegenstände 1907

Rezensent:

Ritschl, Otto

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151 Theologifche Literaturzeitimg 1907 Nr. 5.

fche Metaphyfik unterzogen hat. Auch diesmal ergibt
fich der Verf. reichlicher Kritik; aber auch diesmal geht
er bei der Charakteriftik feine eigenen Wege; und es foll
nicht verfchwiegen werden, daß beifpielsweife feine Darlegung
der Malebranchefchen Auffaffung vom Böfen derjenigen
Pünjers an Präzifion und Klarheit überlegen ift.

Straß bürg i. E. E. W. Mayer.

Herders Philofophie. Ausgewählte Denkmäler aus der
Werdezeit der neuen deutfchen Bildung. Herausge-

tereffanten Abfchnitt, von feinem Verhältnis zu Kant
handelt. Dazu gehören ferner die mannigfachen Erläuterungen
, eine Lifte der in dem Buch vorkommenden
Namen und ein nicht gering zu fchätzendes Verzeichnis
der wichtigften ,Begriffe und Sachen'.

Das Buch kann dringend empfohlen werden.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Lipps, Th., Bewußtrein und Gegenftände. (Pfychologifche

Unterfuchungen. Herausgegeben von Theodor Lipps.

I. Band, 1. Heft.) Leipzig, W. Engelmann 1905. (203 S.)
geben von Horß Stephan. (PhilofophifcheBibliothek, j gr 8° „ s M 560

Leitfaden der Pfychologie. Zweite, völlig umgearbeitete
Auflage. Leipzig, W. Engelmann 1906. (VIII, 360 S.)

Band 112.) Leipzig, Dürr'fche Buchhandlung 1906.
(XLIV, 310 S.) gr. 8° M. 3.60

Wie ftark das Intereffe für Herder gegenwärtig zunimmt
, beweifen die zahlreichen Publikationen, die ihm Sr- ° iVL 8 > £eD- m-9~
in der letzten Zeil; gewidmet worden find. Dabei ift Wenn ein Gelehrter, der zu den hervorragendften
keineswegs nur Jubiläumsftimmung im Spiele. Unter Vertretern feiner Wiffenfchaft gehört, binnen drei Jahren
folchen Umftänden war es ein glücklicher Gedanke der eine ,völlig umgearbeitete' zweite Auflage des nach
Dürrfchen Verlagsbuchhandlung, dem vielfeitigen Denker | manchen fpeziellen Vorarbeiten erft in reifem Lebensalter
und Dichter Aufnahme in der Philofophifchen Bibliothek i von ihm herausgegebenen Lehrbuchs (vgl. die Befprechuug
zu gewähren. in diefer Zeitung 1904, Sp. 367f.) vorlegt, fo muß einmal
Den vorliegenden Band hat Horft Stephan beforgt, I deffen urfprünglicher Entwurf auch nach feiner nun-
der durch frühere Studien darauf vorbereitet war. Die | mehrigen eignen Anficht nicht frei von Mängeln gewefen
Aufgabe, die er zu löfen hatte, war freilich keine leichte, fein; andererfeits ift es ein Zeichen für die große geißige
Ein Bild der Philofophie Herders zu zeichnen, iß an fich j Energie und Frifche, mit der er ununterbrochen an der
fchwierig: was will es erß befagen, das zu bewerkßelligen 1 Vervollkommnung feiner Anflehten weitergearbeitet hat.
lediglich durch Auswahl und Abdruck einiger feiner wich- j Daß in dem vorliegenden Falle die von feinen Fach-
tigßen Schriften! Der Herausgeber hat nun den Stoff in 1 genoffen geübte Kritik Lipps zur Umarbeitung feines
drei Kapiteln gegliedert. Das erße will Auskunft er- 1 Leitfadens der Pfychologie beßimmt hat, iß bei der austeilen
über die ,Grundlagen' oder wohl beffer noch die i geprägten Eigenart feiner Auffaffung der Pfychologie
Ausgangspunkte des Herderfchen Denkens. Es enthält I nicht anzunehmen. Aber zwifchen die beiden Auflagen
die Abhandlung über den Urfprung der Sprache in der feines Leitfadens fällt das Erfcheinen eines erßen Heftes
älteren Form von 1772 und den Auffatz ,vom Erkennen pfychologifcher Unterfuchungen über Bewußtfein und
und Empfinden der menfehlichen Seele' in der Bear- 1 Gegenßände, und die zum Teil anders und fchärfer be-
beitung von 1778. Das zweite hat es mit der Gefchichts- | leuchteten Ergebniffe, zu denen den Verf. diefe Unter-
philofophie zu tun. Hier gelangen zur Mitteilung kürzere | fuchungen geführt haben, find wohl als der eigentliche
Partien aus der Schrift ,Äuch eine Philofophie der Ge- Grund anzusehen, weshalb er feinem Leitfaden fo bald

fchichte zur Bildung der Menfchheit' und längere felbß-
verßändlich aus den .Ideen zur Philofophie der Gefchichte
der Menfchheit'. Kapitel III zieht die Religionsphilo-
fophie in Betracht: es fetzt fich zufammen aus den Ge-

fchon eine neue Geßalt zu geben fich genötigt gefehen
hat. In der Tat find in die neue Auflage die in jenen
Unterfuchungen entwickelten neuen Gedanken und Ge-
fichtspunkte hineingearbeitet. Zugleich beßimmt der Verf.

fprächen über Gott und — einem befonders willkom- [ die vorliegende nicht mehr wie die frühere Auflage feines

menen Beitrag — mehreren philofophifchen Gedichten.
In einem Anhang endlich foll Herders Bedeutung für
die Bildung der ,modernen Lebensbetrachtung' veran-
fchaulicht werden durch Zitate aus Predigten, namentlich
der früheren Zeit.

Natürlich iß es ungemein wohlfeil, angefichts des dargebotenen
Materials allerhand Defiderien zu äußern. Die

Leitfadens in erßer Linie für die Hörer feiner Vorlefungen.
Er hat auch die Sternchen wegfallen laffen, durch die er
in der erßen Auflage nicht wenige Abfchnitte als für
Anfänger zunächß ungeeignet gekennzeichnet hatte.

Immerhin find auch in der neuen Bearbeitung des
Buches eine ganze Anzahl von Kapiteln, namentlich über
einfachere Themata, aus der erßen Auflage ziemlich un-

ßarke Verkürzung, in der die ,Ideen' notwendig reprodu- verändert herübergenommen worden. Das war möglich,
ziert werden müffen, wird beifpielsweife leicht im erßen | weil der Verf. inzwifchen doch nicht etwa in grundfätz-
Augenblick fchmerzlich empfunden werden; es gibt auch j liehen Auffaffungen und Fragen wefentlich anderer Mei-
noch immer Antikantianer, die mit der völligen Unter- j nung geworden wäre. Vielmehr fcheint er mir nur feine
drückung der Metakritik und verwandter Publikationen j eigentümliche Richtung, Pfychologie zu treiben, nach
nicht ganz einverßanden fein werden. Billiger aber iß es, j einigen Seiten hin noch konfequenter ausgeprägt zu haben,
dankbar anzuerkennen, wie viel auf befchränktem Boden ' Dahingehört, daß, während er früher zugleich die Theorien
feitens des Herausgebers geleißet worden iß, und wie ge- ! der pfycho-phyfifchen Wechfelwirkung und des pfycho-
fchickt diefer den ihm zußehenden Raum ausgenützt hat. phyfifchen Parallelismus als gleichartigen Bedenken aus-
Dem Lefer wird in der Tat ein fehr handliches Mittel j gefetzt gefunden hatte, er nun den pfycho-phyfifchen
dargereicht, mit deffen Hilfe er fich bequem durch Parallelismus in einer Weife verßeht, daß unter deffen
Autopfie eine Vorßellung bilden kann nicht von dem j Vorausfetzung feine grundfätzlich introfpektive pfychologifche
Methode nun erß recht gerechtfertigt erfcheint.
Ferner fieht es der Verf. nicht mehr darauf ab, die Be-
wußtfeinsinhalte, die er befchreibt, auch in einen Kaufal-
zufammenhang einzuordnen. Vielmehr betont er jetzt die
völlige Verfchiedenheit der beiden Welten des Bewußt-
feins und der Gegenßände gerade auch dahin, daß nur
in diefe objektive Welt die kaufalen Beziehungen hineinzeige
erteilt bezüglich der vorhandenen Literatur, von ! gehören, die immer nur erfchloffen, nicht aber auch unHerders
philofophiieher Bedeutung im allgemeinen, feinem mittelbar erlebt werden. Ganz anderer Art dagegen iß
Leben und feiner Entwicklung und, in einem recht in- | das Hervorgehen einer Bewußtfeinstätigkeit aus anderen

Syßem Herders— das gibt es ja nicht—, wohl aber von
deffen ganzer Art zu denken und die Dinge anzufchauen
und von den bis in die Gegenwart reichenden Anregungen,
die von ihm ausgegangen find.

Beigegeben iß ein umfangreicher Gebrauchsapparat.
Dazu gehört einmal die Einleitung, die abgefehen davon,
daß fie die getroffene Auswahl rechtfertigt und Finger-