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Ausgabe:

1907 Nr. 5

Spalte:

143-145

Autor/Hrsg.:

Plenkers, Heribert

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der ältesten lateinischen Mönchsregeln 1907

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 5.

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feiner oppofitionellen Haltung gegen die italienifche Re- Refultat ieftgeftellt, daß die Benediktinerregel in zwei
gierung (p. 2iof.). Raffungen auf uns gekommen ift. Die eine geht zurück

Am dürftigften ift die fechfte Abhandlung p. 213— auf die Abfchrift der urfprünglichen Niederfchrift Bene-
231: La venue de Saint Pierre a Rome. Den Einwürfen dikts felbft, die fich Karl der Große aus dem Klofter
gegen die 25 jährige Dauer des Aufenthalts Petri in Monte Caffino verfchaffte und mit großer Sorgfalt kopieren
Rom wird mit der Bemerkung der Boden entzogen: i ließ, die andere repräfentiert die für den praktifchen GePetrus
hätte doch kein Gelübde getan, in diefen brauch im Klofter frei ausgeftaltete Form. Während es
25 Jahren niemals Rom zu verlaffen. Aber der Ver- nun möglich ift, die erftere [von Traube als literarifche
faffer will hier nur mit einer Wahrfcheinlichkeit rechnen, i oder philologifche bezeichnete Faffung mit ziemlicher
Dagegen fei es abfolut ficher, daß Petrus nach Rom Sicherheit herzuftellen, ift dies naturgemäß für die
gekommen fei, feine Kirche zu gründen und das Mar- i zweite fogenannte monaftifche Faffung recht fchwierig.
tyrium zu erleiden. Nur einige retardataires des Pro- ! Plenkers, der Herausgeber der Benediktinerregel für das
teftantismus und des Altkatholizismus könnten dies be- j Wiener Corpus, ift der Frage nach der Uberlieferung
ftreiten : Aussi, pouvons-nous affirmer sur ce point la soli- ' der Regel Benedikts in der vorliegenden Abhandlung noch
dite de nos traditions et croire, au nom de la science, que ' weiter nachgegangen. Seine vortreffliche Arbeit, deren
si Vliglise de Rome est vraiment la mere et la tete de Titel nur irreführend eine umfaffendere Unterfuchung
toutes les eglises, c'est parce qu'elle a ete fondee par le fämtlicher lateinifcher Mönchsregeln erwarten läßt, be-
Prince des Apötres et consacree par sa mort. Guiraud handelt zunächft die Überlieferung des Codex regularum
hat fich aber gar nicht einmal die Mühe gegeben, nach- und der Concordia regularum Benedikts von Aniane.
zuweifen, daß die römifche Gemeinde durch Petrus ge- Hierbei konnte er für den Codex regularum den in dem
gründet fei, und was feinen Aufenthalt in Rom und fein Nachlaß Jofephs von Görres wiederaufgefundenen Codex
Martyrium anbetrifft, fo ift es doch eine billige Auskunft, [ von St. Maximin in Trier benutzen, der aus dem Karo-
fich auf Renan und Harnack zu berufen, die beide den lingifchen Zeitalter flammt. Zwei Proben diefes fchönen
römifchen Aufenthalt für wahrfcheinlich halten, und da- karolingifchen Minuskelkodex find feiner Abhandlung in
mit die Widerlegung der Gegner fchon halb getan fein vorzüglicher Reproduktion beigegeben. Das Refultat
zu laffen. Hätte der Verfaffer doch wenigftens die neuefte feiner Unterfuchung ift, daß der Codex regularum Bene-
zufammenfaffende Arbeit, die von Schmiedel (den er ge- dikts von Aniane den Text der Regel Benedikts von
wiß nicht unter die retardataires des Proteftantismus 1 Nurfia nach dem Aachener Normalexemplar, die Cottcor-
rechnen will), berückfichtigt. Es ift leider jetzt auch dia nach dem Vulgatatext enthält. Dann wendet fich
unter den Proteftanten Mode geworden, diejenigen, die Plenkers den beiden Recenfionen der Benediktinerregel
die Wahrfcheinlichkeit des römifchen Aufenthaltes des 1 zu. Der Normaltext liegt in der Handfchrift 914 von
Apoftels Petrus nicht fehr hoch taxieren, konfeffioneller St. Gallen, die eine direkte Abfchrift des Handexem-
Befangenheit zu zeihen. Dadurch werden aber die Gründe j plars Benedikts ift, das Karl der Große abfehreiben ließ,
dafür um kein Haar beffer. Selbft wenn fich zu abfo- i ferner im Cod. 2232 in Wien und im Cod. lat. 28118 111
luter Gewißheit bringen ließe, daß kv rjulv Ii Clemens ad 1 München und 4 fonftigen Handfchriften vor. Zeugen für
Corinth. 6 heißen müffe: unter uns Römern (und nicht: den monaftifchen interpolierten Text find die Nonnenregel
unter uns Chriften) und 5 uaQXVQrjOaq vom blutigen Mar- des Donatus und eine Reihe anderer befonders fpanifcher
tyrium verftanden werden müffe (und nicht vom bloßen Handfchriften. Während E. Schmidt, der zuerft einen
Zeugnis), käme man doch immer nur zu einer Wahr- j kritifchen Text der Regel Benedikts herzuftellen fuchte,
fcheinlichkeit, und nicht zu einer Gewißheit. (Dionyfius die Abweichungen beider Rezenfionen auf Benedikt von
von Korinth hat, wie es fcheint, auch keine andere Quelle 1 Nurfia felbft zurückführte, der feine urfprüngliche Regel
für feine Angaben gehabt, als den erften Clemensbrief.) I fpäter überarbeitet und eine zweite endgültige Redaktion
Sehr zu bedauern ift, daß Guiraud von den alten Petrus- ! gefchaffen habe, weift Plenkers überzeugend nach, daß
akten kein Wort gefagt hat. | die Hypothefe einer einmaligen und von einer Perfön-

Von den acht Auffätzen ift der fiebente der interef- lichkeit durchgeführten Interpolation der Regel nicht zur

fantefte: p. 233—261 Les reliques romaines au IX' siecle.
Er handelt von dem fchwungvollen Handel mit Reliquien,
der von Rom aus nach dem Norden, namentlich nach
Deutfchland im 9. Jahrhundert betrieben wurde. Man
muß nur immer wieder über die Leichtigkeit ftaunen,

Erklärung des ganzen Tatfachenkomplexes genüge, den
die interpolierten Handfchriften zeigen. Diefe Hellen
vielmehr die Phafen eines allmählichen Entwicklungspro-
zeffes dar, der durch unbewußte Textverderbnis und bewußte
Textänderung bedingt ift. Der Text der Regel wurde

mit der der Katholizismus urfprünglich religiöfe Gedanken nicht fogleich nach dem Tode Benedikts als unantaftbares
in bare Münze umzufetzen gewußt hat. Man wende nicht j Heiligtum angefehen, fondern man korrigierte den Stil
ein, daß der römifche Diakon Deusdona, der als ein 1 und das ungrammatifche Latein und nahm Änderungen
wirklicher Unternehmer im Reliquienhandel erfcheint, als an dem Inhalt der Regel vor, die allerdings an keiner
Privatperfon gehandelt hat; er hat feine Gefchäfte aus , Stelle einen beabfichtigten Gegenfatz zu Anordnungen
dem Prinzip des Katholizismus heraus entwickelt. j Benedikts erkennen laffen. Im Anhang handelt Plenkers

Die achte Abhandlung p. 263—299 Lesprit de la ! noch von dem erften Herausgeber des Codex regularum,
liturgie catholique will die Schönheit der katholifchen Lucas Holftenius, und von der Regula Cassiani. Von

Liturgie zeigen.

Kiel. Gerhard Ficker.

Plenkers, Dr. Heribert, Unterfuchungen zur Überlieferungs-
gefchichte der alterten lateinifchen Mönchsregeln. I. Die

Regelbücher Benedikts von Aniane. 11. Die Regula j fchrift des Codex reguiarum und einer Handfchrift des

diefer Mönchsregel wußten wir nur durch die Concordia
regularum Benedikts von Aniane. Plenkers widerlegt
hier die landläufige Annahme, daß diefe Regel Caffians
nur ein willkürlicher Auszug aus feinem großen Werk
der Instituta coenobiorum war. Sie liegt uns vielmehr
noch in zwei Handfchriften, in einer Münchener Hand-

S. Benedicti. Mit 2 Tafeln in Lichtdruck. (Quellen
und Unterfuchungen zur lateinifchen Philologie des
Mittelalters, herausgegeben von L. Traube. Erfter

Escorials allerdings nicht vollftändig vor, fo daß eine
befriedigende Ausgabe der Regida auf Grund des bis
jetzt vorliegenden Materials noch nicht möglich ift. Als

Band, drittes Heft.) München, C. H. Beck 1906. (XI, I 0rt ih;er E»tftehüng können wir Südgallien oder Spanien

J ' VT vermuten. Plenkers gibt einen Abdruck der nicht in

IOO S.) Lex. ö M. 7 der Q01lC0rdia regularum überlieferten Stücke diefer Caf-

Traube hatte in feiner grundlegenden Arbeit über 1 fiansregel. Am Schluffe feiner Arbeit druckt er noch den

die Textgefchichte der Regel Benedikts als unanfechtbares Text eines Martyrologium aus einem Escorialkodex (I,