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1907 Nr. 4

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113

Titel/Untertitel:

Zwingliana. Mitteilungen zur Geschichte Zwinglis und der Reformation. 1906. (Bd. II, Nr. 3 u. 4.) 1907

Rezensent:

Bossert, Gustav

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H3

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 4.

114

Zwingliana. Mitteilungen zur Gefchichte Zwingiis und
der Reformation. Herausgegeben vom Zwingliverein
in Zürich. 1906 Nr. 1. 2. [Band II Nr. 3. 4.]
Zürich, Zürcher u. Furrer. (S. 65—128 m. I Abbildg.
u. i Taf.) gr. 8° je M. —75

Der neue Jahrgang Zwingliana bietet einige größere
Arbeiten, Lebensbilder von Freunden und Bekannten
Zwingiis, fo von dem Komtur Kon. Schmid von Küß-
nach, der nicht fobald unter den Komturen des
Johanniter- oder Deutfehordens einen theologifch gleichgebildeten
Mann finden durfte, und Wolf Kröwel, Schul-
meifter und Prädikant in Ruti, die beide mit Zwingh
in der Schlacht von Kappel fielen, fodann von Balthafar
Stapfer, Landfchreiber und Schulmeifter in Schwyz.
In einer Befprechung des zweiten Bands von Barges And.
Bodenftein von Karlftadt weif! Egli nach, wie hier Myko-
nius und Grynäus Karlftadt zulieb in ein unverdient un-
günftiges Licht gerückt find. Ganz klar wird aufs neue,
wie wenig diefer Mann für eine führende Rolle geeignet
war, während er unter kräftiger Führung fich tadellos
verhält. Von Mut und Rückgrat ift dem Mann in
Bafel gegenüber der weltlichen Gewalt nichts anzu-
fpüren. Was Egli hier beibringt, wird auch Anlaß geben,
das Verhältnis Luthers zu Karlftadt neu zu prüfen. R.
Steck zeigt, wie Schultheiß Wengi von Solothurn nicht
ein feiner Zeit weit vorangeeilter Apoftel der Toleranz,
fondern ein mutiges, friedefbftendes Oberhaupt einer
gefpaltenen Bürgerfchaft war, der für den Frieden feine
eigene Perfon einfetzte. Sehr beachtenswert ift, was
aus Theod. de Quervains ,Kirchliche und foziale Zuftände
in Bern 1528—1536' mitgeteilt wird, daß die dem Staat
zufließenden Einnahmen aus den aufgehobenen Klöftern
auffallend gering waren, und viel für humanitäre Werke
gefchah, befonders eine ganze Anzahl von Spitälern in
Stadt und Land gegründet wurde. Egli ftellt
gegenüber von Osw. Myconius' Angabe Zwingiis
Geburtsdatum feft. Hübfeh ift die Erklärung von
Zwingiis Wort: Lombardick, lüg gar dick durch Finsler,
der nachweift, daß die aurea legenda des Dominikaners
Jakob de Voragine gemeint ift. Auch Bücherdedikationen
find lehrreich, wie die von Eck an die Abtiffin Kath.
von Zimmern, welche er wohl während feines Aufenthalts
in Rottenburg a. N. bei feinem Oheim kennen gelernt
hatte. Egli gibt eine Reihe Ergänzungen zum
Kommentar zu Bullingers Diarium und beleuchtet die
fehr intereflanten Beziehungen Zürichs zu England, gibt
auch das Bild eines wertvollen Bechers, welchen die
Königin Elifabeth Bullinger 1560 fchenkte. Die Sekte
zu Bern, von der S. 110 ff. die Rede ift, befteht ficher
aus Waldenfern, welchen Konrad von Marburg fchon
die Verehrung einer Katze aufgemutzt hatte. Zu dem
Kuß vgl. Haupt, Waldenfertum und Inquifition S. 43-
Intereflant ift die Beichte zu Einfiedeln, als Strafe für
meuternde Kriegsknechte, welche der Obrigkeit einen
Schein über die Vollziehung diefer auferlegten Buße zu
bringen hatten. Egli teilt auch einen Studentenbrief
aus Paris vom 13. Januar 1518 mit, der erzählt, Dijon
und Befancon wollen auch .Schweiz werden'. Kafpar
Röuft dürfte doch wohl bei feinem Tod nahe an 50 Jahr
alt gewefen fein (S. 93), wenn er 1494 auf die Univerfi-
tät Bafel ging. Hubich ift das Gedicht vom Rappen
des gefallenen Komtur Schmid. S. 71 letzte Zeile ift
doch wohl Urban ftatt Urlan zu lefen.

Nabern. G. Boffert.

Hulshof, Abraham, Geschiedenis van de Doopsgezinden ie
Straatsburg van 1525 tot 1557. Academisch proefschrift
ter verkrijging van den graad van doctor in de godge-
leerdheid aan de universiteit van Amsterdam, op gezag
van den rector magnificus Mr. J. F. Houwing, hoog-

leeraar in de faculteit der rechtsgeleerdheit, in het
openbaar te verdedigen op maandag 16 october 1905,
des nam. ten 3 ure, in de aula der universiteit. Amsterdam
, J. Clausen, 1905. (263 blz) 8°

Was Röhrich in feiner wertvollen Sammlung ,Akten-
ftücke zur Gefchichte der Wiedertäufer in Straßburg von

1527 bis 1543' in der Zeitfchrift für hiftorifche Theologie
1860, 1 —121, was Baum in feinem ,Capito und Butzer'
für die Gefchichte des Täufertums in Straßburg geboten
hatte, verdiente eine weitere, gründliche und tiefer dringende
Elrforfchung und Bearbeitung, als fie Cam. Gerbert
in feiner auf die Jahre 1524—34 befchränkten Gefchichte
der Straßburger Sektenbewegung zur Zeit der Reformation
(1889) gegeben hatte. Diefe Arbeit hat der
niederländifche Theologe A. Hulshof in feiner akade-

I mifchen Probefchrift für den theologifchen Doktorgrad
in trefflicher Weife geleiftet, indem er die Akten der
Archive in Straßburg und die Brieffchätze des Thesaurus
Baumianus und der Bafler Univerfitätsbibliothek neu
durchforfchte. Dabei zog er auch die bis jetzt nicht
für die Täuferbewegung benutzten Ratsprotokolle heran
und konnte auch einen Röhrich, Baum und Gerbert unbekannt
gebliebenen, jetzt erft wieder aufgefundenen elften
Band der Manuscripta Argentoratcnsia historica ecclesiastica
benutzen und fo die Gefchichte der Täufer in Straßburg
weiter herab als Röhrich und Gerbert verfolgen. Gemäß
feiner nach Cramers Vorgang RE. XII 3, 595 feft-
gehaltenen Unterfcheidung von Anabaptiften und Tauf-
gefinnten fallen Schwenkfeld und Seb. Frank außerhalb
des Rahmens feiner Unterfuchung, während er Cellarius
wegen feiner innigen Beziehungen zu Capito berück-
fichtigte. Die ganze Arbeit zerfällt in folgende 14 Kapitel
: 1. Stiftung der Täufergemeinde durch Schweizer
Brüder (7—23), 2. Denk und Sattler die Vertreter zweier
Richtungen (S. 24 — 40), 3. Butzer gegenüber von Denk
und feiner Partei (S. 41—60), 4. das Verhältnis Capitos
zu den Täufern (S. 61—80), 5. die Täufer zu Straßburg

1528 — 31 (S. 81 — 105), 6. Melchior Hofmann (S. 106—
125), 7. Capitos Gefinnungswechfel (S. 126—138), 8. die
Synode vom Juni 1533. Strenge Maßregeln der Obrigkeit
1534 (S. 139—152), 9. die nicht Hoffmannifchen
Täufer. Die Gemeinde in der Umgegend von Straßburg.
Die Beziehungen der Straßburger Täufer zu den Mährifchen
(S. 153—170), 10. die Täufer zu Straßburg und die Haltung
der Obrigkeit ihnen gegenüber von 1536—38, der
Widerruf Hofmanns (S. 171 —185), 11. Calvin und die Täufer
(S. 186—201), 12. das Ende von Hofmanns Anhängern. Die
Partei der Schweizerbrüder bekam die Oberhand. Be-
fchreibung eines nächtlichen Gottesdienfts (S. 202—217)
13. all gemeine Verfammlungen von Täufern verfchiedener
Länder 1554 und den folgenden Jahren zu Straßburg und
ihre nachteiligen Folgen für die dortige Gemeinde (S. 218—
234)- »4- Urfprung und Charakter der Täuferbewegung
(S. 235-257).

Sehr anfprechend hat Hulshof den Gegenfatz der
Anfchauungen Sattlers und Denks gefchildert. Nicht
ohne innere Teilnahme läßt fich das Verhalten des
warmempfindenden und leichterregbaren Capitos gegenüber
den Täufern und feine verändeite Stellung zu ihnen
unter dem Einfluß Zwingiis und Butzers betrachten.
Hulshof weift nach, daß der Brief an die Brüder zu Horb
und an den dortigen Rat, welche Gerbert keiner eingehenderen
Berücklichtigung wertgeachtet hat, ganz der
Ausdruck von Capitos edler Teilnahme und Unbefangenheit
find. Er hatte gehofft, Zell und feine andern Amtsbrüder
zu gewinnen, daß fie mit unterzeichneten, aber fie
verweigerten ihre Unterfchrift. Merkwürdig ift, daß Capito
daran dachte, die Witwe des Täuferkönigs Auguftin
Bader von Augsburg zu ehlichen, wie denn Calvins Gattin
Idelette auch die Witwe eines einfügen Taufers war.
Jene Augsburgerin — fie hieß Sabina — hätte eine genauere
Würdigung verdient. Denn wenn Capito fie eh-