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Ausgabe:

1907 Nr. 4

Spalte:

101

Autor/Hrsg.:

Pischel, Richard

Titel/Untertitel:

Leben und Lehre des Buddha 1907

Rezensent:

Wurm, Paul

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Seite 1

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IOI

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 4.

102

Pifchel, Richard, Leben und Lehre des Buddha. Mit einer
Tafel. (Aus Natur und Geifteswelt. 109. Bändchen.)
Leipzig, B. G. Teubner 1906. (VII, 127 S.) 8° Geb. M. 1.25

Eine auf wiffenfchaftlicher Grundlage ruhende, gerne
inverftändliche, kurzgefaßte Darftellung vom Leben
und der Lehre des Buddha ift gewiß heutzutage willkommen
, und Pifchel führt uns wirklich auf 127 Seiten in
das ganze hier in Betracht kommende Gebiet ein. Er
hat mit Recht nicht wie Oldenberg und E. Hardy
nur die Pali-Literatur des Eidlichen Buddhismus als
Grundlage feiner Darftellung benutzt; er fucht auch den
Charakter des Buddhismus als einer Religion fchärfer hervorzuheben
und beftreitet die Originalität Buddhas in
bezug auf die Philofophie. Ob das Sankhya- und das
Yoga-Syftem vorbuddniftifch oder erft infolge des Buddhismus
ausgebildet worden fei, das wird fich bei dem
Mangel aller Chronologie in Indien fchwerlich mit voller
Sicherheit nachweifen laffen. Was das Verhältnis von
Buddhismus und Chriftentum betrifft, fo ift zu bedauern,
daß Pifchel nicht wie Oldenberg neben der Ähnlichkeit
auch die Unterfchiede hervorhebt, fondern tendenziös
alles vermeidet, was europäifche Lefer beim Buddhis-
hismus abflößen könnte. Es wird gefagt: ,Chriftentum
und Buddhismus find Religionen der Erlöfung. Ihr Ziel
ift dasfelbe, fo verfchieden auch der Weg dazu ift' (S. 2).
Hier hätte doch hervorgehoben werden follen, daß der
buddhiftifche Begriff der Erlöfung ein anderer ift als der
chriftliche, daß im Buddhismus nicht nur die Sünde
und das Leiden im Leben, fondern das Leben felbft
als das Übel angefehen wird, von welchem der Menfch
erlöfi werden foll. Die Lefer, welche mit dem Buddhismus
noch nicht bekannt find, werden aus dem Büchlein
auch keine Klarheit darüber bekommen, daß nur die
Mönche die buddhiftifche Kirche bilden, und daß nur fie
das Ziel der Erlöfung erreichen können. Es wird ver-
fchwiegen, daß neben den wirklich fchönen fittlichen
Ermahnungen der armfeligfte Formalismus hergeht und
mit derfelben Energie eingefchärft wird. Was Pifchel
S. 5 fagen will: ,In der buddhiftifchen Kirche flehen fich
zwei Richtungen gegenüber, die in mancher Beziehung
als Katholizismus und Proteftantismus bezeichnet werden
können', ift dem Unterzeichneten nicht klar geworden.
Die buddhiftifche viaitri wird S. 82 f. der chriftlichen
Liebe gleichgeftellt. Die buddhiftifche Kosmographie
mit ihrem Mifchmafch von logifchen Abflraktionen und
phantaftifchen Vorftellungen wird nirgends dargeftellt,
während fie doch zum Verftändnis der Erleuchtung des
Buddha und des Kreislaufes der Seelen Wanderung gehört,
und Buddha nach den älteften Zeugniffen, fo oft er Laien
in feine Anhängerfchaft aufnahm, diefelben nicht nur
über das Almofengeben und die moralifchen Vorfchriften,
londern auch über ,den Himmel' belehrte (Dutoit, Leben
des Buddha nach den Pali-Schriften, S. 90. 96. 103.
143). Es gehört alfo diefe Kosmographie zu den urfprüng-
Hchen Beftandteilen des Buddhismus, und Buduha hat
damit der Phantafie des Volkes eine Befriedigung gewählt,
die fie von einer bloßen Moralpredigt nicht gehabt hätte.
Wie Seydel fucht auch Pifchel eine Abhängigkeit
neuteftamentlicher Erzählungen von buddhiftifchen nach-
zuweifen. Die Beweisführung auf S. 19 ift äußerft fchwach:
Das Lukasevangelium im 2. Jahrhundert verfaßt, Lukas ein
Antiochener, die Syrer über Turkeftan mit dem Buddhismus
in Verbindung! Männer der Wiffenfchaft follten fich
doch von dem Aberglauben fernhalten, daß alle ähnlichen
religiöfen Anfchauungen, Gebräuche und Erzählungen
von einander entlehnt fein müffen. Die Schätzung der
Buddhiften auf 510 Millionen, der Chrifien auf 327 Millionen
(S. 6) dürlte auch Widerfpruch erfahren. Aber im
Ranzen ift anzuerkennen, daß die weitere Entwicklung
des Buddhismus in kurzen Zügen hiftorifch treu be-
fchrieben wird.

Ca w. _ P. Wurm.

Catalogue of the Hebrew Manuscripts in the Bodleian Library.

Vol. II. ByAdolfNeubauer, Ph.D., M.A., and Arthur
Ernest Cowley, M. A. With an introduetory note by
Bodley's Librarian. Oxford, Clarendon Press 1906.
(XVI, 544 P-) 4° s. 30-

Gerade zwanzig Jahre find verftrichen, feit Adolf
Neubauer feinen großen Katalog der hebräifchen Manu-
fkripte der Bodleyana erfcheinen ließ. Derfelbe ift nicht
als erfter Band bezeichnet, weil nicht vorauszufehen war,
daß fo bald die Herausgabe eines zweiten Bandes nötig fein
würde. Aber in diefen zwei Jahrzehnten wurde der Reichtum
der Oxforder Bibliothek an hebräifchen Manufkripten
auf ungeahnte Weife vermehrt; namentlich begann im
Jahre 1890, wie es in der den Band einleitenden Vorrede
des Bibliothekars der Bodleyana, E. W. B. Nicholfon
heißt, ein großer Zuftrom von Fragmenten aus der Geniza
von Kairo, für deren Erwerbung die Bibliothek befonders
dem verdorbenen Rev. Grevith John Chefter und Profeffor
Sayce verpflichtet ift. Tatfächlich find in diefem zweiten
Bande faft ausfchließlich größere und kleinere Fragmente
verzeichnet, die möglichft nach Maßgabe des Inhaltes,
oft aber ohne Rückficht auf die Verfchiedenheit desfelben,
zu Bänden vereinigt find. So enthält Nr. 2603, mit der,
die Nummerierung des erften Bandes förtfetzend, unfer
Katalog beginnt, 21 Fragmente biblifchen Inhaltes auf
71 Blättern. Die letzte Nummer (2918) ift ein im Jahre 1904
gekaufter aramäifcher Papyrus: ein aus dem 15. Jahre der
Regierung Xerxes'(471 v.Chr.) datiertes Dokument (f. hierüber
Theol. Litztg. Nr. 1). Diefes aus Syene dämmende
Dokument fleht an der Spitze der chronologifchen Lifte
der datierten Manufkripte und Fragmente (S. VII—XI).
Abgefehen von zwei wahrfcheinlich aus dem 6. nachchrift-
lichen Jahrhunderte flammenden Briefen (Nr. 2879, hebr.;
2886, aram.), flammt die ältefte mit Datum verfehene
I Nummer (2810) aus dem Jahre 922. Ihrem Inhalte nach
erftrecken fich die hier verzeichneten Fragmente auf das
ganze Gebiet der mittelalterlichen jüdifchen Literatur.
Befonders hervorzuheben find die zur Bibelexegefe gehörenden
(zumeift arabifche Überfetzungen und Kommentare
in arabifcher Sprache), die grammatifchen Stücke,
die Talmudfragmente, die liturgifchen Poefien. Von
großem Werte find die zahlreichen Dokumente und Briefe,
in hebräifcher oder arabifcher Sprache.

Von diefen nach Taufenden zählenden Fragmenten,
deren bisher nur eine geringe Anzahl veröffentlicht oder
verwertet wurde, ift eine bedeutende Vermehrung des
literatur- und kulturgefchichtlichen Wiffens zu erwarten.
Und ihrer Benutzung ift auf höchft dankenswerte Weife
in dem ,General-Index' (Kol. 421—508) nebft dem ,Hebr.
und arabifchen Index' (Kol. 509—536) ein fehr forgfältig
ausgearbeitetes und typographifch fehr praktifch eingerichtetes
Hilfsmittel zur Verfügung geftellt. Vermißt habe
ich im Index den Namen des alten freigeiftifchen Bibelkritikers
Chiwwi{Hä%vi) aus Balch. In Nr.262821 (Kol.24)
findet fich nämlich in einem arabifchen Komm, zu I
Kön. 632fr. ein fehr intereffantes Zitat aus feinen .Fragen'
Usbabtt ilütn bittDtt), betreffend den Widerfpruch zwifchen
I Kön. 7 u und II Chr. 2 13. — Gleich dem eben erwähnten
Zitate gibt unfer Katalog charakteriftifche Einzelheiten
aus den meiden der verzeichneten Fragmente, die
zuweilen auch ohne Einblick in das ganze Stück zur
Identifikation derfelben hinleiten können. Sehr oft wird
diefe im Kataloge felbft dargeboten. Ungemein große
Arbeit ift auf die genaue Befchreibung der Fragmente
verwendet und z. B. bei Fragmenten zur Bibelexegefe
pünktlich angegeben, zu welchen Stellen fie gehören.
Auch fonft ift nach Möglichkeit die gedruckte Literatur
zur Beleuchtung der Fragmente herangezogen. Aus der
Fülle des Inhaltes feien nur einige Einzelheiten hervorgehoben
. Von Saadja Gaons Bibelkommentar finden
wir u. a. die Einleitung zu Leviticus (2862 23) und die zu
Jefaja {ib. 31). Interefiant ift 28624: ein Stück aus Saadjas