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Ausgabe:

1907

Spalte:

97-100

Autor/Hrsg.:

Frazer, James George

Titel/Untertitel:

Adonis, Attis, Osiris. Studies in the History of Oriental Religion 1907

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

jahrlich 26 Nm. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 4. 16. Februar 1907. 32. Jahrgang.

as
'a

Frazer, Adonis, Attis, Osiris (Baudiffin).
Pifchel, Leben und Lehre des Buddha (Wurm).
Catalogue of the Hebrew Manuscripts in the Bod-

leian Library vol. II, by N e u b a u e r and C o w -

ley (Bacher).
Peters, Papfl Pius X und das Bibelftudium

(Lobftein).
Kaftan, Jefus und Paulus (Wende).
Krüger, Philo und Jofephus als Apologeten

des Judentums (Schürer).
Weingartens Zeittafeln und Oberblicke zur

Kirchengefchichte, 6. Aufl. bearb. von Arnold
(Krüger).

Schubert, Grundzüge der Kirchengefchichte

3. Aufl. (Krüger).
Vom Corpus Scriptorum Christianorum Orien-

talium (Neftle).

Zwingliana II, 3—4 (Boffert).

Hulshof, Geschiedenis van de Doopsgezinden

te Straatsburg van 1525—1557 (Boffert).
Jahrbuch der evangelifchen Judenmiffion, I. Bd.

herausg. von Strack (Fiebig).

Kaftan, Aus der Werkftatt des Übermenfchen
(Niebergall).

Kirn, Grundriß der evangelifchen Dogmatik,

2. Aufl. (Lobftein).
Müller, Max, Leben und Religion (Niebergall).
Grützmacher, R., Modern-pofitive Vortrage

(Niebergall).
Stapper, Die ältefte Agende des Bistums Mün-

fter (E. Chr. Achelis).
F reifen, Der katholifche und proteftantifche

Pfarrzwang und feine Aufhebung in Ofterreich

und den deutfchen Bundesftaaten (Frantz).

Frazer, J. G., D.C.L., LL.D., Litt. D., Adonis, Attis, Osiris.

Studies in the History of Oriental Religion. London,
Macmillan & Co. 1906. (XVI, 339 p.) gr. 8° s. 10 —

Dies neue Werk des überaus fleißigen Verfaffers ift
eine weitere Ausführung der betreffenden Partien in , The
golden bough', eine Vorarbeit zu der dritten Auflage diefer
großen und in ihrer Weife großartigen Darflellung. Die
drei hier behandelten Kulte find zufammengeftellt als ,im
Charakter einander verwandt'. Diefe Verwandtfchaft, die
dreifache Entwickelung einer einzigen Vorflellung, zur
Darfteilung zu bringen, hat fich der Verf. zur Aufgabe
gefetzt. Er will nicht erfchöpfende Monographien über
die drei Götter geben und läßt manche Einzelheiten
ihrer Kulte und Mythen mit Bewußtfein bei Seite. Er
nennt feine Darftellungen essays (S. V). In den drei
Göttern liegt nach Frazer urfprünglich die Vorflellung
eines Vegetationsgottes vor. Ob das wirklich auch bei
Ofiris der Fall ift, fcheint mir allerdings zweifelhaft zu
fein. Der Verf. felbft verkennt nicht, daß es fehr fchwer
ift, aus der äußerft komplizierten Vorflellung diefes Gottes
das Urfprüngliche herauszufchälen (S. 211). Aber Analogien
mit Adonis und Attis find unverkennbar; fie haben
fich fchon dem fynkretiftifchen Zeitalter nicht entzogen.
Einen gefchichtlichen Zufammenhang der drei behandelten
Kulte und Mythenkreife behauptet der Verf. nicht
und tut wohl daran. Aber auch fonft wendet fich fein
fpezielles Intereffe nicht gerade den Wanderungen der
Kulte und Mythen zu. Das Verhältnis des mit Recht
für phönizifch erklärten Adonis zu dem babylonifchen
Tammuz wird nur geftreift (S. 6f.). Das Hauptintereffe
des Verfs gilt der lokalen Entwickelung des Mythos und
den Analogiebildungen. Wie in feinen frühern Werken
fchüttet er aus der Fülle feiner ftaunenswerten Belefen-
heit eine Menge von Parallelen in den Religionen der
verfchiedenften Völker vor uns auf. Nicht immer der
Breite entbehrende Digreffionen, zuweilen auch anekdotenhafte
, find überhaupt der Darfteilung des Verf.s eigen.
Sie beeinträchtigen wohl gelegentlich die Gefchloffenheit
der Entwickelung, dienen aber andererfeits zu deren Be-

Unterfuchungen eigentlich bezweckt, die Nachweifung
einer beftimmten Genefis der Religion, tritt in diefem
Ausfchnitt aus der umfaffendern Darflellung nicht unmittelbar
deutlich hervor. Auffallend ift freilich die ftarke
Betonung des Magifchen in der Religion. Hier kann ich
dem Verf. nicht überall folgen. Es ift allerdings z. B.
fehr wahrfcheinlich, daß die vereinzelt bezeugte Sitte,
die Adonisgärten ins Waffer zu werfen, eine magifche
Bedeutung hat, wie fchon Mannhardt annahm; daß aber
auch die Adonisgärten an und für fich felbft fo zu deuten
find, als ein magifcher Akt zur Erzeugung rafchen Wachstums
, ift fehr wenig wahrfcheinlich, da von Anfang an
im Ritus der Hauptnachdruck gelegt wird vielmehr auf
das rafche Welken der Gärten. Hier kann man wohl
nichts anderes erkennen als bloß mimicry ohne Verfolgung
eines realen Zweckes. Das ift um fo mehr anzunehmen
als die Adonisgärten der Griechen eng zu-
fammenhängen mit der Adonisklage, die doch nichts
weiter ift als das Mitempfinden des Abfterbens in der
Natur. — Neben der Betonung des Magifchen ift für die
Auffaffung des Verf.s charakteriftifch, daß er zumeift
nicht, wie wir das jetzt gewöhnlich tun, in dem Kultus
feinen Ausgangspunkt fucht, fondern öfter in dem, was
wir als Mythos anzufehen gewohnt find. Manches ,My-
thifche' ift dem Verf. nämlich wirkliche Gefchichte, Kul-
tusgefchichte.

Diefe Eigentümlichkeiten verlieht man ganz nur bei
Vergegenwärtigung der Gefamtanfchauung des Verf.s
von der Entftehung der Religionen. Verftändlicher noch
als aus den altern Darftellungen ift mir diefe Anfchauung
geworden durch eine andere Vorarbeit für die 3. Aufl.
des Golden bough, aus den Lectures on the early history
of the kingship 1905. Wie mir fcheint, hat in diefem
Buche das Syftem des Verf.s wirklich eine Fortbildung
über frühere Anfätze hinaus erfahren. Seine Konftruktion
beruht auf einer Art Euemerismus — fehr verfchieden
von der Art wie wohl zuletzt vor Frazer der Euemerismus
ernftlich befürwortet worden ift durch Carlyle, der
in feiner Begeifterung für Heroentum in Odin einen
gefchichtlichen Helden zu erkennen glaubte. Die Helden

lebung. Befondern Wert hat der Verf. gerade in diefem j fpielen bei Frazer gar keine für die Entftehung der

Buch auf die Wiedergabe des lokalen Kolorits, auch auf ! Religion und des Mythos bedeutfame Rolle. Vor der

die Schilderung der landfchaftlichen Szenerie der Kulte Religion war nach ihm die Magie, und die Magier waren

gelegt, weil er fie mit Recht für das Verftändnis des die erften Herrfcher der Menfchen, nicht durch perfön-

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Gottesdienftlichen wichtig findet. Diefe Schilderungen
find meifterhaft, wenn auch wohl keine in diefem Buche
die Poefie in des Verf.s Gemälde der Haine des Nemi-
Sees mit ihrem .goldenen Zweige' erreicht.

Was der Verf. mit feinen religionsgefchichtlichen

liehe Kraft, fondern durch die Geheimniffe ihrer Kunft.
Die Magier waren es, welche zum Rang von Göttern
erhoben wurden. Aber nicht etwa aus der Beobachtung
des Wefens der Magier ift die Vorflellung des Göttlichen
entftanden, fondern vielmehr fie felbft haben fie gefunden

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