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Ausgabe:

1907 Nr. 26

Spalte:

711-712

Autor/Hrsg.:

Gautier, Lucien

Titel/Untertitel:

Introduction à l‘Ancien Testament 1907

Rezensent:

Volz, Paul

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7ii

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 26.

712

daß die von Sachau (S. 30) hervorgehobenen Abweichungen
von der im Aramäifchen üblichen Konkordanz
von Subjekt und Prädikat bis auf das JiTBy I 20 fämt-
lich im Hebräifchen nachweisbar lind. Vgl. Ewald $ 295b d
fowie Nöldeke, Mand. Gramm. S. 404 Anm. und S. 419.
Ein Hebraismus ift wohl auch I 27 das inplSI. Als das
Natürliche erfcheint mir fcWBfii — als Vorderfatz zum
Folgenden zu ziehen. Dann ifl hier mit "1 nach hebräi-
fchem Sprachgebrauch, und entgegen dem aramäifchen,
der Nachfatz eingeleitet.

Göttingen. R. Smend.

Gautier, Prof. Luden, Introduction ä l'Ancien Testament.

2 Bde. Lausanne, G. Bridel & Co. 1906. (XVI, 671
und 642 S.) gr. 8»

G. fchreibt fein Buch nicht für die Gelehrtenwelt,
nicht einmal in erfter Linie für Pfarrer und Studierende
der Theologie, fondern für die Laien beiderlei Gefchlechts,
die eine felbftändige Bibelkenntnis haben wollen, und
zwar mit abfichtlicher Befchränkung auf die franzöfifchen
Proteftanten. Die Unterfuchungen der letzten 4 Jahrzehnte
im A,T. haben die Gemüter beunruhigt, die Schwierigkeiten
, Irrtümer und Unzulänglichkeiten des A.T. find
rückhaltlos aufgedeckt worden, durch die kritifche Zerlegung
der A.T.lichen Schriften ift das A.T. aus feiner
ifolierten Vorzugsftellung herausgenommen; aber wer
diefe wiffenfchaftliche Arbeit genauer anfieht, merkt, daß
fie tatfächlich dem A.T. zunutz gekommen ift und den
religiöfen, gefchichtlichen und äfthetifchen Wert desfelben
erft recht klar gemacht hat. Der alte Infpirationsbegriff
ift freilich rettungslos dahin, aber der Geift der A.T.lichen
Schriften und Schriftfteller in feiner Bedeutung für die
Zeitgenoffen und für die heutige Zeit leuchtet hell auf.
Diefe neue Bewegung in der A.T.lichen Wiffenfchaft ift
überhaupt nichts vereinzeltes, fie fteht vielmehr in dem
großen Zufammenhang der ganzen Vorwärtsbewegung
des 19. Jahrh., erft von hier aus wird fie recht verftänd-
lich und wird ihre Notwendigkeit und ihr Recht klar. So
nimmt fich G. die Mühe, feine Lefer forgfältig und ausführlich
in das Detail der A.T.lichen Einleitungswiffen-
fchaft hineinzuführen. Abfichtlich läßt er feine eigene
Perfönlichkeit und feine eigene Anficht möglichft zurücktreten
, damit der Stoff felbft wirke und der heutige Stand
der A.T.lichen Forfchung objektiv bekannt werde; diefe
vornehme Zurückhaltung unterfcheidet fein Buch vorteilhaft
von manchen deutfchen Popularifationen der letzten
Jahre, in denen die einfeitige Betrachtung des Forfchers
fich dem Publikum aufdrängte.

Die Anlage des Buchs folgt dem Gang der A.T.lichen
Schriften; von den Pfeudepigraphen find die wichtigften
genannt. Kanon, Text und Überfetzungen find am Schluß
kurz berührt. Bei den einzelnen Büchern ift zuerft eine I
genaue Inhaltsüberficht gegeben, dann die Frage der j
Verfafferfchaft befprochen und der religiöfe Wert des j
Buchs bezw. der Buchteile feftgeftellt. Verf. dringt zu- !
weilen tiefer in den Gehalt ein, als man es fonft bei
A.T.lichen ,P4nleitungen' gewohnt ift. Die Darbietung ift
ungemein breit. Das hat feinen äußerlichen Grund darin, j
daß G. bei feinem Publikum fo wenig als möglich vorausfetzt
, fowohl was die Kenntnis des Stoffs als die
Kenntnis der kritifchen Probleme anbelangt; der innerliche
Grund ift der, daß G. gewiffenhaft, vorfichtig und faft
ängftlich dem Lefer alle die kritifchen Einzelgänge vor-
führen und in völliger Offenheit vorgehen will, um auch
die letzten Bedenken zu würdigen und zu entkräften.
Wenn man erwägt, daß G. mit feinem Werk feinem Publikum
über den fchweren Anfang in der Bibelkritik hinüberhelfen
und die kritifche Bibelwiffenfchaft im prote-
flfcantifchen Frankreich heimatberechtigt machen möchte, i
lo wird man fein Verfahren gewiß billigen; für den i
deutfchen Lefer ift es mühfam, fich durch die beiden ■
umfangreichen Bände hindurchzuwinden, und es ift nicht

zu leugnen, daß manche Frage hätte kürzer behandelt
oder zum Vorteil der Sache überhaupt hätte weggelaffen
werden können.

Trotzdem G. keine originale Arbeit liefern will, gibt
er doch überall beftimmt und nach reiflicher Überlegung
fein eigenes Urteil ab. In Einzelheiten der Zeitbeftimmung
betont er zwar wiederholt, daß eine genaue Angabe
nicht möglich und nur der ungefähre Zeitraum feftzuftellen
fei. Im großen und ganzen aber ift fein Standpunkt
unverkennbar. Es ift der Standpunkt der gemäßigten
Bibelkritik auf Wellhaufen-Duhmfcher Grundlage, fo wie
er um 1900 zum Durchfchnittsbefitz geworden ift. Die
! 4 Pentateuchquellen in ihrer Reihenfolge JEDP find ihm
i ein allgemein angenommenes und gefichertes Ergebnis,
J und E find nicht fchriftftellerifche Perfönlichkeiten,
, fondern Schulen; in der Kritik der prophetifchen Bücher
und der Hagiographen erkennt er an, was fich als notwendig
aufgedrängt hat (III Jefaja, Unechtheit der Klthu-
reden ufw.), radikalere Ausfcheidungen lehnt er ab, in
der Zeitbeftimmung ift im allgemeinen das 3. Jahrh. feine
Grenze. Selbftändiger als in den eigentlichen Ehnleitungs-
fragen erweift er fich in dem Verftändnis für den inneren
Gehalt der Schriften. Was die letzten Jahre Neues
brachten (Einfluß der babylonifchen Kultur und Religion,
Jahwift und Elohift als Perfönlichkeiten, äfthetifche Seite
der hebräifchen Literaturgefchichte u. dergl.), ift in diefem
Buch noch nicht oder wenig fpürbar.

Der Wert des Buchs liegt in der grundfätzlichen und
umfaffenden Bearbeitung des A.T. vom Standpunkt der
gemäßigten Kritik; der Reiz desfelben liegt in der zarten
Weife, in der die Bibelkritik behandelt ift, in der vornehmen
Rückfichtnahme auf die Bedächtigen und Ängft-
lichen, in dem damit verbundenen wiffenfchaftlichen Ernft,
der auch für die Bibelbetrachtung die Wahrheit als
höchftes Prinzip feftftellt und auch der Hypothefe ihr
wiffenfchaftliches Dafeinsrecht fichert. Hier wie in der
feinfinnigen Darlegung des Inhalts der einzelnen Bücher
leuchtet hinter dem Stoff die Perfönlichkeit des Verf. hervor
, der dem Lefer auch mit einer Skizze feiner eigenen
Entwicklung in der A.T.lichen Wiffenfchaft perfönlich
nahetritt. Wir können die franzöfifchen Proteftanten nur
beglückwünfchen, daß fie an diefem Werk das Mittel
befitzen, felbftändig und tief in die Gefamtheit und in die
Einzelfragen der A.T.lichen ,Einleitung' einzudringen.

Tübingen. Volz.

Staerk, Priv.-Doz. Lic Dr. W., Ausgewählte poetifche Texte
des Alten Teltamentes in metrifcher und ftrophifcher
Gliederung zum Gebrauch in Vorlefungen und Seminarübungen
und zum Selbftftudium. Heft Ii Die Dichtungen
Jefaias. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung
1907. (IX, 34 S.) gr. 8° M. 1 —

Im tunlichften Anfchluß an Kittels Biblia Hcbraica
beabfichtigt Staerk für akademifche Vorlefungen und
Seminarübungen ,die wichtigften Texte aus der
prophetifchen, epifchen, lyrifchen und didaktischen
Dichtung in metrifcher Geftalt zu veröffentlichen
' (S. III). Den Anfang machen die Dichtungen Jefajas.
Es fällt alfo alles weg, was innerhalb Jef. 1—39 nicht
direkt oder indirekt auf den Propheten zurückgeht.

Der hiftorifch-kritifche Standpunkt St.s ift für mich
verfchwommen. So behält St. Jef. 2 2-* bei, ftreicht aber
42-6. Oder fo ift nach St. von Jefaja 89. 10 10 r«. m —
aber nicht von ihm 295 (rrVTi bis B^my) 7. s ufw. Nun
zum Metrifchen. Staerk will die Erkenntniffe Sievers'
praktifch verwerten und weiterführen. Befonders Letzteres
wäre, wenn's gefchähe, fehr fchön. An die Spitze der
einzelnen gefchloffenen Gedankengruppen tritt ,eine
Überficht der darin enthaltenen metrifchen Schemata
' .... ,in der Ordnung, wie fie im Gedicht auftreten
, wobei aber die mehrfach verwendeten Formen