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Ausgabe:

1907 Nr. 25

Spalte:

686-688

Autor/Hrsg.:

Goodspeed, Edgar J.

Titel/Untertitel:

Index patristicus sive clavis patrum apostolicorum operum 1907

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 25.

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wie die Apoftel und die älteften chriftlichen Schriftfteller
das Alte Teftament gebrauchten, und die mannigfach
verfchiedene Stellung, welche fie zu demfelben einnahmen.
,Für Jefus felbft ift offenbar die Stellung zum A. T. kein
Problem gewefen. Seine gotteinige Seele zog aus diefen
Schriften ihre befte Nahrung' (S. 2). Das A und O des |
ganzen Gefetzes ift ihm das Doppelgebot der Liebe zu
Gott und dem Nächften (S. 3). Weil und fofern dies die j
Quint-Effenz des Gefetzes ift, nimmt Jefus zu demfelben
im ganzen eine konfervative Stellung ein. — Die Schwierigkeit
, fich mit dem A. T. auseinanderzufetzen, ergab
(ich erft für die Jünger Jefu. Sie hatten zunächft die
Aufgabe, aus demfelben die Meffianität Jefu zu erweifen. !
Dies gefchah in der Art, daß man zeigte, wie fchon nach
der Schrift der Meffias leiden und fterben müffe (S. 5f.). j

_ Aber erft Paulus hat die große Aufgabe, die der

chriftlichen Kirche mit der Aneignung des A. T. geftellt
war, in ihrer Tiefe erfaßt. Mit den Mitteln rabbinifcher
Gelehrfamkeit deutet er die Schrift fo, daß fie ihm die j
Belege bietet für alle Einzelheiten feiner chriftlichen
Lehre (S. 7—13). Zu diefer Betrachtung des A. T. unter
dem chriftlichen Gefichtswinkel gehört auch die An- J
fchauung, daß die an Chriftus Gläubigen das wahre ]
Gottesvolk find, die wahrhaft Befchnittenen und Erwählten
(S. 13—15). In der Beurteilung des Gefetzes bildet Pauli
Anfchauung den äußerften Gegenfatz zur jüdifchen: das j
Gefetz hat gar nicht den Zweck, den Menfchen zu einem j
gerechten Wandel zu führen, vielmehr umgekehrt den:
die Sünde zu fteigern. Ein gerechter Wandel kommt nur
durch die Kraft des Geiftes Chrifti. Diefer treibt den
Gläubigen zu dem, was der Gefetzesmenfch nie vermag:
zur Erfüllung des Gefetzes feinem wefentlichen Gehalte
nach (S. 15—18). — Die nachpaulinifche Zeit hat, wie
Paulus, das A. T. als ,Weisfagungs- und Erbauungsbuch
und als Fundgrube für fittliche Ermahnungen' gebraucht,
die paulinifche Beurteilung des Gefetzes aber nicht aufgenommen
. Der Hebräerbrief fieht das Wefen des alten
Bundes überhaupt nicht im Gefetz, fondern in Funrichtungen
und Veranflaltungen, die fich zu denjenigen des
neuen Bundes verhalten wie das Unvollkommene zum
Vollkommenen. Zwifchen beiden findet alfo nicht ein fo
fcharfer Gegenfatz ftatt, wie es nach Pauli Anfchauung
der Fall ift. Vielmehr: das Unvollkommene wird erfetzt
durch das Vollkommene (S. 20—29). — Einen dritten
eigentümlichen Löfungs-Verfuch gibt der Barnabas-
Brief. ,Die Juden haben alles im A. T. fchmahlich miß-
verftanden' (S. 29). — Die Evangeliften zeigen hauptfächlich
, wie in der Gefchichte Jefu die Weisfagungen
der Schrift fich erfüllt haben. Nicht nur der erfte, fondern
auch der vierte Evangelift legt darauf großes Gewicht
(S. 30-34). Ja für letzteren liegt eben dann die
eigentliche Bedeutung des A. T. Das Gefetz der Juden
ift ihm etwas Fremdes, das den Chriften nichts mehr angeht
. Und die wahre Offenbarung ift nur durch Chriftus
gekommen; die Schrift weift nur auf ihn hin. Das Chn-
ftentum ift wirklich etwas Neues (S. 34!). — Außer dein
A. T. hat die ältefte Chriftenheit auch einen großen I eil j
der nachkanonifchen jüdifchen Literatur fich angeeignet j
und diefelbe chriftianifiert (S. 39f.). — Eine polemifche j
Stellung gegenüber dem ganzen Alten Teftament hat nur
der Gnoftizismus eingenommen. Aber feine Stellung j
ift von der chriftlichen Kirche abgelehnt worden (S. 41 f.).

Die inhaltreiche Skizze zeigt in treffender Weife, wie ;
mannigfach verfchieden die Stellung der älteften Chriftenheit
zum A. T. war. Auch bei dem einzelnen gehen [
nicht feiten difparate Gefichtspunkte neben einander her
und durchkreuzen fich. Eine eingehendere Verfolgung
diefer Gedankengänge in ihre feineren Verzweigungen j
war in dem Rahmen eines Vortrages nicht möglich. Es
würde fich lohnen, dem noch wenig behandelten Thema
eine ausführlichere Monographie zu widmen.

Göttingen. _ E. Schürer.

Rofenzweig, Dr. Arthur, Das Wohnhaus in der Misnah.

(Herausgegeben mit Subvention der Zunzftiftung.) Berlin
, L. Lamm 1907. (VII, 77 S. m. Abbildgn.) M. 2.50

In 4 Kapiteln (Das Baumaterial und feine Bearbeitung
; Bauausführung: [Bauplatz, Bauplan,] Fundament,
Wände und Dach; Weiterer Ausbau des Haufes: Fußboden
, Tür, Fenfter, Treppe, Kanalifation; Innere Einteilung
des Haufes, Kauf und Miete) find unter Heranziehung
der übrigen thalmudifchen Literatur im weiteren
Sinne, zumal der Thofaphtha, und der Kommentatoren
die Angaben der Mifchnah über den Wohnhausbau mit
Fleiß und Umficht zufammengeftellt. Das Gefagte gilt
zum größten Teil fchon für die neuteftamentliche, ja
bereits die makkabäifche Zeit, das Hauptfächlichfte fogar
für das althebräifche Haus; mit Recht find daher (was
noch öfter gefchehen konnte) neu-, fowie altteftamentliche
Parallelen gegeben, und wir gewinnen fo ein anfehau-
liches Bild des jüdifchen Haufes in den letzten Jahrhunderten
vor und den erften nach Chrifti Geburt. Über
Einzelheiten wird fich (Leiten laffen, z. B. über ,das um
das Seil feftgewundene Spannholz' der Säge (S. 9), über
die Anfchauung, daß das (Abodah Sarah III 4 vgl. I 7 genannte
) Götzenbild in der Dachwölbung aufgeftellt worden
fei (S. 33); nach I 7 war es offenbar eine Mauernifche. —
Die technifche Darftellung ift meift recht anfehaulich,
der Satzftil zuweilen fonderbar. Alles in allem: eine
beachtenswerte Schrift.

Leipzig. Erich Bifchoff.

Goodspeed, Edgar J., Ph. D., Index patristicus sive clavis
patrum apostolicorum operum. Ex editione minore Gebhardt
, Harnack, Zahn lectionibus editionum minorum
Funk et Lightfoot admissis. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung 1907. (VIII, 262 p.) gr. 8°

M. 3.80; geb. M. 4.80
Für eineKonkordanz aller in den ,apoftolifchen Vätern'
vorkommenden Worte und Wortformen werden die Neu-
teftamentler. Patriftiker, Kirchenhiftoriker, vielleicht auch
manche Philologen fehr dankar fein, vollends wenn fie
mit fo bewunderungswürdiger Akribie ausgeführt ift
wie diefer auf Burtons Vorfchlag von 11 amerikanifchen
Theologen angefertigte Index. Nach dem Ergebnis
meiner Kontrollarbeit begriff ich kaum, daß noch eine
Seite mit Addenda et Corrigenda hat angefüllt werden
können: wie weit die Zuverläffigkeit reicht, mag man
daraus erfehen, daß kein 0 und ?} unverzeichnet bleibt,
öia und dV, de und (f, xaxenavöe und xaxe'jeavoev, ov,
ovx und ovx find forgfältigft getrennt worden.

Der Druck ift fehr klar, die Abkürzungen paffend
gewählt, alle Formalien (z. B. die Bezeichnung wörtlicher
Zitate aus dem A. T.) wohl erwogen; auf Deutlichkeit
ebenfo großes Gewicht gelegt als auf Sparfamkeit. Die
Sparfamkeit fcheint mir bisweilen etwas weit zu gehen.
Wenn S. 199b 2 Zeilen hintereinander mit Jtotois beginnen
oder S. 167a ebenfo zwei mit oXoj, 246a zwei
mit xqvoIov und zwei mit xqvoovv (S. 6of.' folgen fogar
3 eavxcov auf einander), fo merkt der Benutzer ja bald,
daß die erfte Zeile von der Maskulinform oder dem
Nominativ, die andere vom Neutrum oder dem Akkufativ
handelt: follten hier nicht doch lieber ein paar unter-
fcheidende Buchftaben wie uovi. msc. neben den grie-
chifchen Worten angebracht fein? S. 148 in der Rubrik
vom errät man durch das Zwifchenftehende, daß in Z. 7
das voelxe Indikativ, in Z. 13 Imperativ fein foll, eben-
dort unter vofii/ioic, daß das dahinterftehende votuua ein
Akkufativ ift: aber fchneller würde man fich orientieren,
wenn je 2 Buchftaben die Form ausdrücklich beftimmten!
In zahlreichen Fällen, wie giwldiov, JiXovGimxeoov. jrXy-
öiov, xvevfiaxoyoQov, wird in Folge der Schweigfamkeit
des Index nun doch nicht ohne Auffchlagen der Stelle