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Ausgabe:

1907 Nr. 2

Spalte:

45-48

Autor/Hrsg.:

Sybel, Ludwig von

Titel/Untertitel:

Christliche Antike. Einführung in die altchristliche Kunst. 1. Bd 1907

Rezensent:

Hennecke, Edgar

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 2.

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Breviarium apostolorwn (Lipfius 1211: 6. Jahrh.) und deffen
Verarbeitung zu Prologen der Lektionen an den Apoftel-
tagen (fo auf dem abgebildeten Blatt aus Mr. Braithwaite's
Belitz) erkläre. Thomaskult für Antiochien will er aus
einer Chryfoftomushomilie (MSG 59, 497ff.) beweifen, die
eit Montfaucon als unecht gilt und von Lucius (244) mit
Recht einem Edeffener zu Ephraems Zeit zugewiefen
wird. Außerdem foll ein Thomas 6 öaXög in Antiochien
bei Euagr. IV 35 aus Thomas Salus Antiochiae entflanden
fein, als ob die im orientalifchen Mönchtum fo häufige
Erfcheinung der öaXoi öia Xqiötov auf epigraphifche Mißdeutung
zurückgehen könnte. In dem Paar Kyros und
Johannes, das im alexandrinifchen Sprengel dem kon-
ftantinopolitanifchen Kosmas und Damian entfpricht, findet
Harris 6 xvgiog xal Ompag (!) wieder. Harris^ nennt das
felbft some hazardous conjectures. In der Tat können
fie nur dazu dienen, feine übrigen Ausführungen zu diskreditieren
. Man muß Lucius' vorfichtig abwägende Ver-
fuche, Anknüpfung an vorchriftliche Kulte nachzuweifen,
vergleichen, um das Bedenkliche diefer Harrisfchen Methode
ganz zu ermeffen, die nur dazu dient, die völlige
Abweifung aller derartigen Verfuche zu rechtfertigen.
Wo Heilige zu zweien oder dreien auftreten, mit ähnlich
klingenden Namen, oder mit folchen, die irgendwie
an Dioskurenfunktionen erinnern, wo gar beftimmte, mit
dem Eintritt der Sonne in das Sternbild der Zwillinge
zufammenhängende oder aber monatlich wiederkehrende
Gedenktage fich finden, wo dann ,dioskurifche Funktionen'
(und diefe find fehr zahlreich: kriegerifche Hilfe, nautifcher
Schutz, Heilungen, Eideswahrung, Fruchtbarmachung oder
irgend etwas fonft) dazu kommen, wenn ein Heiliger als
Symbol ein Schwert oder eine Peitfche trägt, oder eine
Eiche erfcheint, da ift fofort der Dioskurencharakter
rekognosziert. So alle h. Felix (Nabor, der Genoffe eines
folchen, wird als Nabarze, Nabard = Mithras gedeutet).
Donatian und Rogatian, Crispin und Crispinian, Ferreolus
und Ferrutius, Cautius, Cautianus und Cautianella. Man
ift verfucht dies zu parodieren, indem man Konftantins
3 Söhne Konftantin, Konftantius und Konftans auf dios-
kurifche Mythengebilde anfpricht; auch eine Helena
kommt ja in der Familie vor.

Trotz allem ift dies Buch, wie jedes von Harris,
voller Anregungen; der Verf. hat vieles bemerkt, worauf
vor ihm noch niemand geachtet hatte, und manchesmal
wird er richtig gefehen haben. Möge keiner, den es angeht
, das Buch vernachläffigen, aber auch niemand es
ungeprüft verwerten.

Straßburg. von Dobfchütz.

Sybel, Ludwig von, Christliche Antike. Einführung in die
altchriftliche Kunft. Erfter Band. Einleitendes. Katakomben
. Mit vier Farbentafeln und 55 Textbildern.
Marburg, N. G. Elwert 1906. (VIII, 308 S.) gr. Lex. 80

M. 7.—; geb. M. 8.50.

Nach dem, was Sp. 17 f. 1904 diefer Ztg. über ab-
fchließende Erklärung der Katakombengemälde und über
die .Vorurteilslofigkeit', die Jof. Wilpert bei Erledigung
diefer Aufgabe bewiefen habe, gefagt ift, könnte eine
Wiederaufnahme derfelben eigentlich überflüffig er-
fcheinen. Dennoch werden nicht bloß eigentlich ,pro-
teftantifche' Forfcher bei folcher Hochftellung auch des
Textbandes von ftark gemifchten Gefühlen bewegt ge-
wefen fein. Und wenn nun v. Sybel, den man wirklich
nicht als konfeffionell befangen einfchätzen wird, die
Aufgabe von neuem auf breitefter Grundlage in Angriff
genommen hat und dabei das Urteil fällt, daß Wilperts
zweites Buch — im Textbande — (/Inhalt der Malereien')
'de*1 Stoff nicht aus dem wirklichen Grundgedanken der
Cömeterialmalerei, fondern unter dem Zwange dogma-
tifcher Vorurteile als eine Art Dogmatik in Bildern zu
verftehen' fuche (S. 142, vgl. S. 20 f. über wiffenfchaft-

liche Forfchung des Katholizismus, und fpeziell S. 303 f.),
fo verdient das ernfte Beachtung. Eine der Wichtigkeit
des Stoffes angemeffene, im Vollfinne des Wortes wiffen-
fchaftliche und vorurteilsfreie Erklärung zu Wilperts ver-
dienftvolem monumentalen Bande ftand eben noch aus
und wurde zugleich mit deffen Erfcheinen bei aller fonft
möglichen Anerkennung als unabweisbares Bedürfnis empfunden
.

Wir haben ein folche — wie ich meine, in der
Hauptfacheabfchließende — Erklärung nun durch
v. Sybel erhalten. Hier wird wirklich aus dem Vollen
gefchöpft, redet ein Fachmann, der die kunftgefchicht-
liche Entwicklung in größerem Gefichtskreife umfaßt und
von daher Ausblicke auf die unterirdifche Architektonik
und die ihr angepaßte Wandmalerei gewinnt, mit deren
Hülfe gewiffe Rätfei fich aufs einfachfte löfen. Befon-
ders ift auf das zu verweifen, was S. 144 ff. über Symmetrie
und gehäufte Nebeneinanderftellung menfchlicher
Figuren, über Syftem und Idee der Deckenmalerei fo-
wie der Wandverzierung, S. 176 f. über Motive für die
Richtung der Innendekoration, S. 275 f. über das Skrinium
und die Schriftrolle gefagt wird. Wo irgend ein be-
ftimmter Typus (z. B. S. 218 der des trauernd fitzenden
Jonas) verfolgt wird, wird die weitefte Perfpektive eröffnet
, wie die formale Behandlung des Gegenftandes fordert
(S. 10 f.). Daß Verf. in diefer Richtung Vorgänger
hatte (S. 11, A. 1, hier hätte auch Hafenclever 1886 eine
Erwähnung verdient; S. 21), hindert nicht die Anerkennung
, daß er mit den fich jedem unbefangenen Forfcher
aufdrängenden Beobachtungen zu voller Konfequenz fort-
gefchritten ift, wie fchon die Kombination im Titel zeigt;
— ,die altchriftliche Kunft ift felbft Antike, Antike chrift-
licher Konfeffion im Unterfchiede von der Antike heid-
nifcher Konfeffion' (S. 181); es gilt, ,die chriftliche Antike
fo recht mitten in den Entwicklungsftrom des Ge-
famtaltertums zu ftellen, deffen organifches Glied fie ift'
(S. 182). Zu diefem Gefchäft ift der Archäolog, der
zugleich Philologe ift, befonders geeignet, neben und
außer den Theologen und den Kunfthiftorikern (S. 9).

Man wird das ohne weiteres zugeben können, ohne
gerade die Prämiffen des Verf. in dem Anfangsab'fchnitt
feiner,Einleitung' über .Glauben und Forfchen' in allem zu
teilen. Eine Auseinanderfetzung darüber erforderte ein
befonderes Kapital, in dem v. Sybel es fich gefallen laffen
müßte, feinen Standpunkt auch unter die Rubrik einer
,Weltanfchauung' einregiftriert zu fehen. Es fei übrigens
noch bemerkt, daß er hier u. a. Gelegenheit nimmt, Beherzigenswertes
über das Thema .konfeffionelle Profef-
furen und konfeffionelle Studentenverbindungen' an den
Univerfitäten zu fagen S. 3. Auch daß er in Parallele
mit dem Satze von der chriftlichen Antike nun das
Chriftentum felbft als ,die Summe, die das Altertum aus
all feiner Geiftesarbeit felbft gezogen hat', hinftellt (S. 11,
15 u.ö.) und im Zufammenhange damit ,die Frage, warum
die Griechen Chriften wurden', noch als unerledigt anfleht
(S. 17), vermag einer lebensvollen Behandlung gerade
des vorliegenden Gegenftandes nur förderlich zu fein,
fo fehr fich fonft gegen die religionswiffenfchaftliche Behandlung
breiteften Planes fagen läßt, daß fie die im
Chriftentum felbft liegenden treibenden Kräfte gelegentlich
verkennt und das Aufkommen feitenftändiger Gebilde
und Vorftellungen, die dann doch wieder zu Boden
gefallen find, als völlig gleichwertig mit dem Hauptflufie
der Entwicklung nimmt. Tatfächlich enthält das Kap.
über ,die Jenfeitsgedanken des Altertums', d. h. nicht
bloß der Griechen und Römer, Juden und Chriften, fondern
bis zurück zu den Naturvölkern (S. 38 ff.),' eine
dankenswerte Zufammenftellung des in diefer Beziehung
Wiffenswerten, mag auch nur verhälnismäßig wenig davon
zur direkten Löfung des Einzelproblems beitragen
Es ift genug, wenn wir gut in die Gefamtatmofphäre eingeführt
werden.

Von diefem weitfchauenden Standpunkte aus behan-