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Ausgabe:

1907 Nr. 24

Spalte:

664

Autor/Hrsg.:

Lombard, Emile

Titel/Untertitel:

Essai d’une classification des phénomènes de Glossolalie 1907

Rezensent:

Schürer, Emil

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663

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 24.

664

hellen. Mit folchen Einfällen ift uns aber nicht geholfen.
Der Zweck, um deffentwillen die ,Standmannfchaft' nach
Jerufalem hinaufgehen mußte, war ja lediglich die An-
wefcnheit beim Akt des Opferns und nicht die Verfamm-
lung zu irgend einem Gottesdienft neben dem Opfer.
Damit allein fällt die Konftruktion fchon dahin.

Göttingen. E. Schürer.

Wünfche, Aug., Aus Israels Lehrhallen. Kleine Midrafchim
zur fpäteren legendarifchen Literatur des Alten Tefta-
ments zum erften Male überfetzt. I. Band (1. Heft).
Leipzig, E. Pfeiffer 1907. (IV, 80 S.) gr. 8° M. 2 —

Prof. Wünfche hat fich durch die Überfetzung eines
großen Teiles des agadifchen Schrifttumes ein unvergängliches
Verdienft um die Kenntnis der jüdifchen Traditionsliteratur
erworben. In einer Reihe ftattlicher Bände, in
denen die agadifchen Beftandteile des Talmuds, fowie die
bedeutendften Erzeugniffe der Midrafchliteratur in deutfcher
Überfetzung enthalten find, liegt die mit raftlofem Eifer
geleiftete Lebensarbeit Wünfches vor. Mit gegenwärtigem
Hefte beginnt er diefe Arbeit zu ergänzen. Die kleineren,
zum Teile aus fpäter Zeit flammenden Schriften der erzählenden
, die biblifche Gefchichte legendarifch erweiternden
Agada unternimmt Wünfche in deutfcher Überfetzung
einem größeren Leferkreife zugänglich zu machen.
Er befolgt in der Anordnung der überfetzten Stücke das
chronologifche Nacheinander der biblifchen Perfonen und
bietet im erften Hefte Erzählungen, die fich von Henoch
bis Mofes erftrecken. Die hebräifchen Originale diefer
Erzählungen find, mit wenigen Ausnahmen, in der bekannten
Sammlung ,Bet ha- Midrafch' von Adolf Jellinek
(I. Band 1853) erfchienen. Die Texte, die Jellinek meift
nach älteren Drucken reproduzierte, find nicht immer
korrekt. Dadurch gefchieht es, daß der Überfetzer
manchmal durch den korrupten Text irregeführt wurde.
Seite 70, Zeile 7 v. u. haben die Worte: ,fo fchicket hin
und kehret in Frieden in euere Häufer zurück'keinen Sinn.
Im hebr. Texte (Bet-Hamidrafch II, 6, Z. 7 v. u.) muß
inbon zu inblD emendiert werden; dann lautet die Überfetzung
: ,fo werdet ihr glücklich fein und in Frieden in
euere Häufer zurückkehren'. S. 76, Z. 18, heißt es von
den Heufchrecken der achten ägyptifchen Plage: ,deren
Zähne wie die Zähne der Heufchrecken'. Das ift natürlich
finnlos. Im Texte (ib. S. 10, Z. 6) ift mix aus rm«
korrumpiert; der ganze Satz ift aus Joel 1 g entlehnt. In
dem Stücke über Abraham und Nimrod (= Beth Ha-
midrafch I, 25—34) heißt Nimrod dreimal der Sohn Kanaans
(J^SS ja). Da dies im Widerfpruch zu Gen. 10 g
fleht, umfchreibt Wünfche die Angabe ,Sohn Kanaans'
mit ,Kaua'aniter' (S. 15, Z. 16; S. 17, Z. 23; S. 18, Z. 10),
dies offenbar im Sinne von ,Frevler' gebrauchend. Aber
es ift zweifellos am beften anzunehmen, daß im hebr.
Texte J222 Korruptuel aus ©12 ift (' konnte leicht zu D,
© leicht zu J3> verfchrieben werden). Der Buchtitel
,Dibre Hajjafchar' (S. 79) ift durch Verfchreibung von ,
niü^rt "nai zu 1©in "nai entftanden. — Aber auch
fonft muß ich mit Bedauern konftatieren, daß einzelne
Stellen unrichtig überfetzt find. Ich erwähne einige Bei- '
fpicle. S. 74, Z. 5: ,und weife fie zurecht vor dir (= Bet-
Hamidrafch II, 8, Z. 7 v. u.). Es muß heißen: ,damit wir
vor dir disputieren'. Auf derfelben Seite, Z. 7 v. u. muß
ftatt ,irrige Bücher' gefetzt werden: .Götzenbücher'. S. 22,
Z. 9 ift ,Wehe dir' unrichtige Überfetzung von (B. H.
I, 29, Z. 5 v. u.), Partikel der Anrede (= o). In den
Worten ,lchwefeligen Mundes und fchwefeliger Zunge'
(S. 66 oben) ift das fonderbare Adjektiv offenbar aus
,fchwer' verfchrieben; denn die Worte find Wiedergabe
von )1©5 -OD1 MB 122 (Exod. 410). Von den Irrtümern,
die bei größerer Sorgfalt vermieden worden wären, ab-
gefehen, ift die Überfetzung überall klar und gefällig. |
Nur ift hie und da eine allzuwörtliche Wiedergabe he- |

I bräifcher Idiotismen ftörend (z. B. S. 65, Z. II; S. 71,
Z. 15). Sehr erwünfeht wäre es, wenn in den weiteren
Heften die im Texte angeführten oder auch nur angewendeten
Bibelftellen mit Stellenangaben verfehen würden
. — Sehr dankenswert find die Exkurfe, die Wünfche
1 den einzelnen Stücken am Schluffe beifügt; er beleuchtet
in denfelben den Inhalt der Erzählungen mit
fagen und literaturgefchichtlichen Notizen. — Nach der
Vorbemerkung des Umfchlagblattes wird die zweite
Hälfte des erften Bandes .weitere Legenden über Mofe,
dann folche über Aharon, Salomo, Elija, das Exil, Efther
und Judith bringen'. ,Der zweite und dritte Band wird
das ganze weite Gebiet der jüdifchen Eschatologie behandeln
'. Hoffentlich wird es dem eifrigen Verfaffer gegönnt
fein, das an derfelben Stelle zu lefende Verfprechen
einzulöfen und die weiteren Hefte ,in kurzen Zwifchen-
räumen' erfcheinen zu laffen.

Nachfchrift. Seit der Niederfchrift vorftehender
Anzeige find zwei weitere Hefte von Wünfches ,Aus
I Israels Lehrhallen' erfchienen, und zwar die zweite Hälfte
j des I. Bandes (S. 82—188) und die erfte Hälfte des II.
i Bandes (S. 1—80). Das erftere Heft hat folgenden Inhalt:
| Midrafch Wajofcha (aus Bet-Hamidrafch I, 35 — 57); Mofes
j Größe (ib. VI, 71fr.); Die Quelle der Weisheit (ib. I,
i 58—61); Mofes Tod (ib. I, 115—129); Aharons Tod (ib.
I, 91—95). Den II. Band eröffnen folgende Stücke:
Salomo und die Ameife (ib. V, 22—26); Salomos Wander-
jahre (ib. II, 86f.); Gleichniffe des Königs Salomo (ib. IV,
145—152); Hiram, König von Tyrus (ib. V, mf.); Apo-
kalypfe des Elia (ib. III, 65—68); Midrafch Jona (ib. I,
96—105); Midrafch Daniel (ib. V, 117—130). Hinfichtlich
1 der Salomo-Stücke verweife ich auf die jüngft erfchienene
Heidelberger Doktor-Differtation von Georg Salzber-
j ger; ,Die Salomofage in der femitifchen Literatur. Ein
Beitrag zur vergleichenden Sagenkunde. I. Teil: Salomo
J bis zur Höhe feines Ruhmes'. Eine vortreffliche Arbeit
(122 Seiten), die, wenn zu Ende geführt, die erfte voll-
ftändige und methodifche Darfteilung der Salomofagen
(mit befonderer Berückfichtigung der arabifchen Literatur
) zu werden verfpricht.

Budapeft. W. Bacher.

Lombard, Emile, Essai d'une Classification des phenomenes
de Glossolalie. Extrait des Archives de Psychologie
tome VII, N° 24. Geneve, Kündig 1907. (51 S.) gr. 8°

Auf diefe inhaltreiche Studie fei in der Kürze hier
aufmerkfam gemacht. Auf Grund fehr umfaffender Kenntnis
der einfehlägigen Literatur macht der Verf. den Ver-
fuch, die Erfcheinungen, welche man unter dem Begriff
der Gloffolalie zufammenfaffen kann, zu klaffifizieren. Er
unterfcheidet: I. Phonations inarticulees et phenomenes
connexes. II. Glossolalie, § I. Fseudo-langage, § 2. Formations
neologiques occasionelles, § 3. Formations neologi-
ques syslematisees, glossopoüse. III. Xenoglossie, § 1. Ir-
ruptions isolees de mots etrangers, § 2. Contrefacons
linguistiques. § 3. Xenoglossie proprement dite ,don des
langues'. Für alle Kategorien bringt er die mannigfal-
tigflen Belege aus alter und neuer Zeit. Das Urchriften-
tum und der moderne Methodismus, Juftinus Kerner und
die Irvingianer, die Schamanen und die Bewohner des
Planeten Mars liefern eine bunte Fülle von Beifpiclen.
Die Dreiteilung: I. Unartikulierte Laute, II. Neugebildete
Worte, III. Aneignung fremder Sprachen (oder einzelner
Worte aus denfelben) ift wohlbegründet, üb auch die
Unterabteilungen durchweg glückliche find, mag dahin-
geftellt bleiben. Alle Erfcheinungen fucht der Verf.
pfychologifch zu erklären, felbft das Reden in fremden
Sprachen.

Die Studie fei namentlich deshalb der Beachtung
empfohlen, weil fie viel Literatur benützt, die bei uns
kaum bekannt ift.

Göttingen. _ E. Schürer.