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Ausgabe:

1907 Nr. 2

Spalte:

41

Autor/Hrsg.:

Monteil, S.

Titel/Untertitel:

Essai sur la Christologie de Saint Paul 1907

Rezensent:

Lobstein, Paul

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41

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 2.

42

Monteil, Past. Lic. S., Essai sur la Christologie de Saint

Paul. Premiere partie. L'Oeuvre. Paris, Fischbacher
1906. (264 p.) gr. 8°
Die vorliegende Schrift handelt von der paulinifchen
Soteriologie, als der Grundlage einer Lehre von der Person
Chrifti: erfchließt fich doch die Bedeutung der Perfon
des Erlöfers aus den von ihm ausgehenden Heilswirkungen
. Die Chriftologie im engeren Sinne bleibt einem
zweiten Bande vorbehalten.

Von den drei Teilen, in welche das Buch zerfällt
(Quellen der paulinifchen Chriftologie 17—44, das objektive
Werk Chrifti 45—177, das fubjektive Werk Chrifti
178—257), ift der erfte außerordentlich dürftig. Offenbar
ift der Verfaffer mit den gegenwärtig zur Diskuffion
flehenden Fragen nur fehr oberflächlich vertraut. Die
Problemftellung, welcher Brückner einen fo fcharfen und
präzifen Ausdruck gegeben hat, wird keineswegs in ihrer
Tragweite erfaßt; aus der einfchlägigen Literatur fcheint
M. nur Pfleiderers Urchriftentum zu kennen; er befchränkt
fich auf eine Auseinanderfetzung mit dem Berliner Theologen
und bekämpft feinen Verfuch, ,die paulinifche
Theologie aus der zeitgenöffifchen Begriffswelt abzuleiten'.
Eine ebenfo ungenügende Behandlung erfahren die Fragen
nach der pfychologifchen Erklärung der paulinifchen
Glaubensgedanken aus feiner Bekehrung, fowie nach feiner
Stellung zum Leben und Wirken des hiflorifchen Jefus.

Kaum eine namhaftere Förderung dürfte aus den
zwei folgenden Teilen erwachfen. Unter dem Titel des
objektiven Werkes Chrifti betrachtet M. ,das Werk Chrifti
vor feiner irdifchen Exiftenz', ,das Werk Chrifti während
feiner irdifchen Exiftenz', ,den Tod Chrifti famt feinen
Folgen', ,das Werk Chrifti nach feinem Tod und feiner
Auferftehung'. Die fehr unbeftimmte Bezeichnung des
Subjektiven Werks Chrifti' veranlaßt M., von dem ,Wefen
des Glaubens', von der durch Chriftus erfolgten Befreiung
des Gläubigen aus der Herrfchaft des Fleifches
und der Sünde', endlich von dem ,Wirken Chrifti in der
Kirche' zu handeln.

Man könnte davon abfehen, daß der Verf. aus der
deutfchen Theologie nur Pfleiderer kennt (einmal S. 204
wird Beyfchlag genannt, dagegen finden Ritfehl, Lipfius,
R. Schmidt, auch die neueren und neueften Forfcher
keinerlei Erwähnung), wenn er in felbftändiger Weife
den Stoff in Angriff genommen und energifch bearbeitet
hätte. Davon ift aber leider keine Rede. In häufiger
Auseinanderfetzung mit Godet, Oltramare, Menegoz und
Sabatier befpricht er eine Reihe von Einzelfragen,
meiftens unter Berückfichtigung der Kirchenlehre, die er
auf ihre Beziehung zur paulinifchen Auffaffung prüft;
er bringt es indeffen weder nach der einen, noch nach
der andern Seite zu einer prinzipiellen Erörterung. _ Als
Quellen zieht er die fämtlichen Briefe, welche die Überlieferung
dem Apoftel zufchreibt, heran, auch die Paftoral-
briefe, über die er urteilt: st leur admission souleve de
grandes difficultes, leur rejet en souleve de plus grandes
encore (13). — Man wird dem Verf. Liebe zu dem von
ihm behandelten Gegenftand nicht abfprechen können;
die Klarheit und Frifche der Darftellung verdient gleichfalls
Anerkennung; die Schrift bezeichnet aber auf
keinem Punkte eine Förderung der Probleme, gefchweige
denn eine wirkliche Bereicherung der Wiffenfchaft.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Leder, Dr. Paul Auguft, Die Diakonen der Bifchöfe und
Presbyter und ihre urchriftlichen Vorläufer. Unterfuchun-
gen über die Vorgefchichte und die Anfänge des
Archidiakonats. (Kirchenrechtliche Abhandlungen.
Herausgegeben von U. Stutz. 23. und 24. Heft.) Stuttgart
, F. Enke 1905. (VIII, 402 S.) gr. 8° M. 14.40

In dem vorliegenden Doppelheft der von Stutz
herausgegebenen kirchenrechtlichen Abhandlungen bietet

uns Leder eine nicht unintereffante Monographie über
die Entwicklung des bifchöfliehen Diakonatamts d. h.
des Diakonats, fofern es fich eng an das Bifchofamt an-
fchloß, um fich fpäter zum Archidiakonat zu entwickeln.
Der Untertitel ,Unterfuchungen über die Vorgefchichte
und die Anfänge des Archidiakonats' zeigt deutlich genug,
daß es fich dem Verfaffer eben darum handelt, das Amt
des Archidiakonus, wie es im achten Jahrhundert fich
zu einem richtigen Kirchenamt jeder Diözefe entwickelt
hatte, auf feine Vorftufen zu unterfuchen und möglichft
weit in feinen Urfprüngen zu verfolgen. Die Unterfuchung
führt auf diefem Wege zur Konftruktion eines ,Gemeinde-
ökonomats' fchon in der apoftolifchen Zeit, aus dem das
fpezififch ,bifchöfliche Diakonat' hervorging, das als Prototyp
des heutigen Generalvikariats gelten dürfe.

Der Verfaffer zieht alle wichtigen Quellenftellen zur
Gefchichte des altchriftlichen Diakonats heran und be-
rückfichtigt die gefamte in den letzten Jahrzehnten über
diefe Fragen gefchriebene Literatur. Er ift überall bemüht
, vorurteilslos die Quellen zu benutzen und macht
der neueren gefchichtlichen Auffaffung der Verfaffungs-
entwicklung nicht unwefentliche Konzeffionen in der
Richtung einer ethifchen und geiftigen Betrachtungsweife
der älteften Ämterformen. Trotzdem wird der Lefer
den Eindruck der Konftruktion nicht los und feine Betrachtung
der alten Quellen ,im Lichte des Rechtes' bedeutet
eben doch eine fortgefetzte Subftituierung von
,Rechr Rechtsnormen' und .Rechtsauffaffung' von der in
den Quellen felbft für unfer Auge nichts zu lefen ift.
L. felbft gibt zu (S. 135), daß die Quellen kein Rechtsamt
der Gemeindearmenpfleger kennen, und daß in der
kirchlichen Hierarchie der nächften Jahrhunderte kein
folches Amt vorkommt; trotzdem fei der Dienft dagewefen
,hoch ragend an Anfehen, gewaltig an Macht, durch Jahrhunderte
die Gefchicke der großen Kirchen beftimmend', —
freilich nicht in Form eines gefonderten Rechtsamts, fondern
beftehend in einer einem befondern Diakon jedesmal
erteilten großen bifchöflichen Vollmacht. Kein
Menfch wird leugnen, daß in der Tat fchon früh die
Bifchöfe ihren Diakonen Vollmachten erteilt haben, ja
man wird zugeben können, daß von ,den Sieben' der
Urgmeinde zu Jerufalem an bis zum vollendeten rechtlichen
Archidiakonat des achten Jahrhunderts eine Kette
von gefchichtlichen Analogien fich aufzeigen laffen, welche
alle zeigen, daß die Apoftel und die Bifchöfe einzelnen
Funktionären weitgehende diskretionäre Vollmacht gegeben
haben und daß diefe Vollmachten fpäter in der
Regel einem Diakon erteilt wurden, weil die Diakonen
von vornherein im unmittelbaren Dienft des Bifchofs
ftanden. Diefen Gedanken einmal durch die ganze ältere
Verfaffungsgefchichte durchgeführt und fo das allezeit
befonders nahe Verhältnis des Diakonats zum Epifkopat
neu beleuchtet zu haben, bleibt ein unbeftreitbares Ver-
dienft der Lederfchen Monographie.

Alles Einzelne aber ift und bleibt eine kühne Ge-
fchichtskonftruktion, welche aufgerichtet ift, um dem
Archidiakonat refp. Generalvikariat eine apoftolifche und
altkirchliche Grundlage zu geben. Es genügt in aller
Kürze ihre Grundzüge anzugeben. Nachdem der Verfaffer
glaubt bewiefen zu haben, daß das Apoftelamt, das
Amt der Erbauung der Chriftengemeinden und der ober-
ften Sorge um ihren Beftand ein Amt in rechtlichem
Sinne war, ausgeftattet mit der Fülle aller kirchlichen Berechtigungen
(S. 62) erklärt er ,die Sieben' als .Bevollmächtigte
der Zwölf, von diefen zur zeitlichen Führung
eines Teils der Gemeindeverwaltungsaufgaben beftellt,
welche die Urapoftel vorübergehend führten'. Darnach
war das Amt der Sieben zwar kein beftimmtes Gemeindeoder
Kirchenamt, aber es beruhte unabhängig von jeder
Anerkennung einer Gemeinde auf einer kraft rechtlicher
| Macht vorübergehend erteilten Vollmacht der Apoftel —
1 kurz es gab damals fchon ein Vorbild apoftolifcher De-
| legaten. ,

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