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Ausgabe:

1907

Spalte:

581-586

Autor/Hrsg.:

Stählin, Otto (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Clemens Alexandrinus. II. Band: Stromata Buch I - VI 1907

Rezensent:

Koetschau, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 21.

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hat es mit den großen Schulhäuptern: Satornil, Bafilidcs,
Carpocrates, Valentin, Bardefanes, Marcion und ihren
Schülern zu tun. Was wir über ihr Leben und ihre
Wirkfamkeitwiffen, wird mitgeteilt, und auch ihre.Syfleme'
werden kurz fkizziert, ohne daß zu fehr in das einzelne
eingegangen wird. In dem nächften Kapitel (g/i epigoni
dello gnosticismo) werden lange Abfchnitte aus den kop-
tifch-gnoftifchen Schriften in italienifcher Überfetzung

geftellt. Diefe an fich fchon bedeutende Leiftung Stäh-
lins erfcheint um fo bewundernswerter, wenn wir bei
genauer Nachprüfung von Anfang bis Ende diefelbe
Gewiffenhaftigkeit, Umficht und Sorgfalt wie beim erften
Band bemerken und nach einer Vergleichung mit Din-
dorfs Ausgabe den gewaltigen Fortfehritt feftftellen
können, den Stählins Ausgabe bedeutet: fie ift eine
Murterleiftung, die dem Herausgeber wie der deutfehen

mitgeteilt. Zufammenfaffend handelt Kap. 7 von den Wiffenfchaft Ehre macht. Stählin ift bei der Texther-
fpezififchen Eigentümlichkeiten der Gnofis und wirft die ftellung wiederum von mehreren Seiten unterftützt wor-

Frage nach ihrem Urfprung auf. Buonaiuti unterfcheidet
ein Doppeltes im Gnoftizismus: den fozialen und anthro-
pologifchen Inhalt und den theologifchen und meta-
phyfifchen. Scltfamerweife ift der Gedanke der Erlöfung
nicht in den Mittelpunkt gerückt. In bezug auf die
Frage nach den Urfprüngen lehnt B. die bisherigen Antworten
ab und begnügt fich mit dem Satze S. 256: la
gnosi e UM neo-platonisino precoce ed informe con cüchetta
cristiana. Das 8. Kapitel fpricht von der Einwirkung
der Gnofis auf die Kirche und auf die Gefellfchaft. Die
Ausführungen Harnacks, ,zY critico di Berlino', werden
limitiert: die Kirche hat ihr credo und ihre Disziplin
nicht in Reaktion zu den Übertreibungen der Gnofis
entwickelt (S. 260).

Es ift zu rühmen, daß der Verfaffer überall reichliche
Mitteilungen aus gnoftifchen Schriften macht; fo

den (S. XIIf. werden die Namen J. B. Mayor, Jer. Markland
, R. Münzel, C. Weyman, E. Schwartz, 0. von Wi-
lamowitz-Moellendorff und C. Schmidt mit Dank genannt),
hat aber gerade deshalb durch Sichtung und Prüfung
der mitgeteilten Befferungsvorfchläge doppelte Arbeitslaft
zu tragen gehabt. Genaue Kenntnis des Sprachgebrauchs
des teilweife recht fchwierigen Autors fowie vortreffliche
theologifche und philologifche Schulung haben dem Herausgeber
in den meiften Fällen ein ficheres Urteil ermöglicht
. Freilich ift die Überlieferung des Textes recht
mangelhaft, fodaß noch zahlreiche zweifelhafte Stellen
übrig bleiben, an denen fich auch künftig philologifche
Kritik verfuchen kann.

Textquelle ift allein der in der Einleitung des
erften Bandes S. XXXIX bis XLII genauer befchriebene
Codex Laurentianus V 3 (= L) s. XI, da der Codex

werden außer °den fchon genannten Stücken Hymnen , Partsinus Suppl. Gr. 250 s. XVI als Abfchrift von L
aus den Thomasakten abgedruckt; fogar der unechte nicht in Betracht kommt. Am Anfang von L fehlt ein
Briefwechfel des Paulus mit den Korinthern wird latei- Blatt, am Ende eine nicht ficher zu beftimmende Anzahl
nifch an einer Stelle wo man es nicht erwartet, wieder- Blätter. In L finden fich zahlreiche Korrekturen von
gegeben. Die Kenntnis der deutfehen Arbeiten, nament- erfter Hand und zwei jüngeren Händen, doch ohne daß
lieh der Arbeiten Harnacks, — ich habe den Eindruck, daß Benutzung einer andern HS. anzunehmen ift. Die Rand-
fie nicht aus zweiter Hand gefchöpft ift, — verdient bemerkungen in L find infofern von Wert, als fie die

Verwandtfchaft von Codex Mut. III. D. 7 (= M) mit L
beweifen. Stählin vermutet daher Bd. I S. XL Anm. 1
nicht ohne Grund, daß L wie M aus einer Arethas-HS.
mir der Verfaffer nicht recht getan zu haben, indem er , abgefchrieben fei. L ift, wenn auch ganz fchwere Text-

verderbniffe, wie große Auslaffungen und Umftellungen,
nicht anzunehmen find, doch wegen der Flüchtigkeit
feines Schreibers reich an Fehlern jeder Art. Daher ift
die Überlieferung der Stromata ziemlich fchlecht; oft ift
es nicht mehr möglich, den urfprünglichen Wortlaut feft-
zuftellen, zumal da man nicht wiffen kann, welche Fehler
auf Rechnung des Clemens felbft zu fetzen find. Die
von Dindorf in feiner Ausgabe benutzte Kollation des
Cod. L war von Theodor Heyfe 1852 angefertigt worden.

befonderes Lob; und es ift erfreulich zu fehen, wie die
ganze Frageftellung von der deutfehen Wiffenfchaft herübergenommen
ift. Aber in feinen Antworten fcheint
mir der Verfaffer nicht recht getan zu haben, indem er
von feinen Lehrern abging. Wo er glaubt, Anderer
Refultate befchränken oder zurückweifen zu muffen, wirkt
er nirgends überzeugend. Es ift gewiß richtig, den Gnoftizismus
mit dem fynkretiftifchen Prozeß zu parallelifieren
oder ihn geradezu in ihn hineinzuftellen; aber trifft es
fein Wefen, wenn man ihn ,un neo-platonismo precoce ed
informe con etichetta cristiana' nennt? Jede Auffaffung
des Gnoftizismus führt irre, die nicht aufs ftärkfte betont
, daß er den Univerfalismus des Chriftentums ver

tritt- er will nur dazu den überall vorhandenen religiöfen Anftatt einer umftändlichen Nachprüfung diefer Kollation

— _' . . .. 1. - . e.~ui:_ :_ r^_-;i.ir__---- nn» ,. -kt

Beftand addieren.

Das Buch ift reich an Druckfehlern: Armin ftatt
Arnim; Deißman ftatt Deißmann und vieles andere. Sehr
feltfam find in einem italienifchen Buche die Abkürzungen
deutfeher Worte z. B. S. 78, Note: Schmidt, Biotins
Stellung zum Gn. u. Kirc. Chr. »T. u. U.« N. F. Bd. V,4;
S. 136, Anm. ,Zeit. für Kirch.', und an vielen anderen
Stellen. Auch das Regifter könnte genauer fein.
Kiel. G. Ficker.

Clemens Alexandrinus. Zweiter Band. Stromata Buch

I—VI. Herausgegeben im Auftrage der Kirchenväter-
Commiffion der König!. Preußifchen Akademie der
Wiffenfchaften von Prof. Dr. Otto Stählin. (Die Grie-
chifchen Chriftlichen Schriftfteller, Band 15.) Leipzig,
J. C Hinrichs'fche Buchhandlung 1906. (XIV, 519 S.)
Lex. 8° M. 16.50; geb. M. 19 —

Dem erften Bande der neuen Clemensausgabe, den
Ref. vor zwei Jahren in diefer Zeitfchrift (1905 Nr. 20
Sp. 541—545) befprochen hat, ift der zweite, Buch I—VI

der Stromata enthaltende Band mit erfreulicher Schnellig- Abkürzungen, die der Abfchreiber öfters' mißverftand

hat Stählin im Frühling 1902 die volllländige Neuvergleichung
von L vorgenommen. Daß diefes Verfahren
richtig war, leuchtet ein. Man wird Stählin (f. Bd. I
S. XLII) zugeben müffen, daß fich nun aus L kaum mehr
eine neue Lesart gewinnen laffen dürfte, fodaß die neue
Ausgabe in diefer Hinficht als abfchlicßend gelten kann.
Über die Fehlerhaftigkeit der hf. Angaben bei Dindorf
gibt eine in der Einleitung des zweiten Bandes S. X—
XII abgedruckte Lifte Auffchluß. Daß Stählin feinen
Apparat weder mit Angabe diefer, noch anderer Fehler
in den früheren Ausgaben belaftet hat, wird wohl jeder
Benutzer billigen.

Ebenfo wie zur Textverbefferung genaue Kenntnis
der hf. Lesart, fo ift auch Vertrautheit mit den eigenartigen
Fehlern des Schreibers nötig. Über diefe hat
J.B. Mayor in feiner Ausgabe des VII. Buchs der Stromata
(vgl. diefe Zeitfchrift 1904 Nr. 11 Sp. 325—327) genaue
Zufammenftellungen gegeben. Befonders häufig finden
fich in L Auslaffungen von Buchftaben, Silben und Worten
, die wohl hauptfächlich der Schreiber von L durch
feine Flüchtigkeit verfchuldet hat. Daneben deutet aber
auch manches darauf hin, daß die Vorlage von L an

keit im November 1906 gefolgt; der Herausgeber datiert reich gewefen ift. Bei einem folchen Zuftand der hf!
feine kurze Einleitung vom September 1906, hat alfo Überlieferung ift es natürlich, daß an vielen Stellen die
diefen Marken Band in etwa 1 >/2 Jahren im Druck fertig Anflehten der Kritiker von einander abweichen. In den