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Ausgabe:

1907

Spalte:

569-572

Autor/Hrsg.:

Vincent, Hugues

Titel/Untertitel:

Canaan d‘apres l‘exploration 1907

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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Theologische Literaturzeitung.

Herauso-eo-eben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen,

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 21. I2- Oktober 1907. 32. Jahrgang.

Vincent, Canaan d'apris l'exploration recente : Peabody, Jefus Chrittus und der chriftliche

(Steuernagel). Charakter (Wernle).

Zimmern, Babylonifche Hymnen und Gebete j Ninck, Jefus als Charakter (Derf).

(Jenfen).

Ungnad, Babylonifch-aflyrifche Grammatik
(Derf.).

Weber, Die Literatur der Babylonier und Affyrer
(Derf.).

Heß, Jefus von Nazareth, 2 Teile (Wernle).
Fiebig, Pirque 'aboth (BifchofT).
— Berachoth (Derf.).

Buonaiuti, Lo Gnosticismo (G. Ficker).

Clemens Alexandrinus, 2. Bd. Stromata Buch
I—VI, herausg. von Stählin (Koetfchau).

Franz, Drei deutfehe Minoritenprediger aus dem
XIII. und XIV. Jahrhundert (Lempp).

Smith, Luther's Table Talk (Kawerau).

Hegel's theologifche Jugendfchriften herausg.
von Nohl (Elfenhans).

Wendt, Syflem der chrißlichen Lehre (Eck).

Vincent, Le P. Hugues, Canaan d'aprös l'exploration
recente. Paris, V. Lecoffre 1907. (XII, 495 P-) gr- 8°

fr. rs-
Dali das hifiorifche Verftändnis des A. Teft. durch
die archäologifche Erforfchung Paläftinas noch in ganz
anderem Maße gefördert werden wird, als es durch die
der benachbarten Kulturländer gefchehen ift, ift felbft-
verftändlich. Daher verdienen die Ausgrabungen, die
feit 1890 auf dem Boden Paläftinas im Gange gewefen
find (Teil el-Hesi 1890-93, Jerufalem 1894—97 [doch
auch fchon früher], Teil Zakarja, Teil Dchudede, Teil
Sandahanna und Teil es-Säfi 1898—1902, Teil Ta annek

bisherigen Ausgrabungen (von denen zu Jerufalem fleht
der Verfaffer mit gutem Grunde faft ganz ab) nicht verfrüht
ift. Wer den Dingen etwas näher zu treten Gelegenheit
gehabt hat, wird diefe Frage mit einem unbedingten
Nein beantworten. Vincents Buch kommt gerade zur
rechten Zeit, um für die Ausarbeitung der zufammen-
faffenden Hauptberichte über die Ausgrabung befonders
wichtiger Stätten wie Teil Dfchezer und Teil el-Mute-
fellim, die von den nächften Jahren zu erwarten find,
eine wichtige Vorarbeit zu liefern, die jenen Berichten
fehr zu ftatten kommen wird. Nur der Vergleich des
an verfchiedenen Orten Gefundenen vermag viele Dinge,
die an den einzelnen Ausgrabungsftätten ifoliert auftreten,

1902_04, Teil Dfchezer 1902 fr., Teil el-Mutefellim 1903— J in den rechten Zufammenhang zu bringen und ihre

05; dazu kommen jetzt noch Samarien und Jericho), ein richtige Auffaffung und Deutung anzubahnen; dafür hat
ganz befonderes Intereffe vonfeiten der Theologen, und Vincent einen guten Grund gelegt. Er ift durch die
fo darf der gelehrte und fchon vielfach bewährte Domini- j Zufammenftellung auf die Punkte aufmerkfam geworden,

kaner H. Vincent in Jerufalem von vornherein der Dankbarkeit
vieler gewiß fein, wenn er fich als Führer durch
die zahlreichen neu gewonnenen, aber noch kaum geordneten
Data anbietet. Von vornherein fei bemerkt, daß
er fich als einen vorzüglich orientierten, zuverläffigen und
gewiffenhaften Führer bewährt.

Mancher freilich, der den Dingen noch fern fleht,
wird von dem Buch nicht ganz befriedigt fein, weil es
ihm zu wenig fertige und ohne weiteres verwendbare
Ergebniffe bietet. Zum Zweck einer gerechten Würdigung
muß man fich die ungeheuren Schwierigkeiten, die
der Verf. zu überwinden hatte, und die Grenzen des bis
jetzt Erreichbaren klar machen. Gewaltige Mafien von
Fragmenten einer uralten, bis ins 4. Jahrtaufend zurück

die einer weiteren Aufklärung bedürfen, und regt die
Verfaffer der in Ausficht flehenden Berichte dazu an,
gerade diefe Punkte befonders ins Auge zu faffen. Er
zeigt, daß manches, was an einem Orte eine gute Erklärung
gefunden zu haben fchien, durch analoge Funde
an andern Orten in eine ganz andere Beleuchtung gerückt
und teilweife wieder ganz rätfelhafc gemacht wird, und
warnt fomit davor, eine Deutung gar zu fchnell als ge-
fichert zu betrachten. Er bahnt eine gewiffe Gleichartigkeit
in der Terminologie, z. B. der Bezeichnung der
Kulturfchichten, und in der Gruppierung der Funde an,
die das vergleichende Studium der künftigen großen
Berichte nicht wenig erleichtern wird. Aber auch ändere,
die nicht unmittelbar an den Ausgrabungen beteiligt find,

reichenden, uns bisher völlig unbekannten Kultur treten | find dem Verf. zu Dank verpflichtet, wenn er den Mut

uns entgegen. Ihren Zufammenhang kennen wir zunächft
nicht; ihre Verteilung auf verfchiedene Perioden ift nur
durch ein mühfames Einzelftudium, und auch dann nur
erft teilweife und nur mit einer gewiffen Wahrfcheinlich-
heit zu erreichen; für ihre Deutung fehlen uns alle litera-
rifchen Denkmäler, fodaß wir auch hier auf taftende
Verfuche angewiefen find. Dazu kommt, daß über die
Ergebniffe der an einzelnen Orten vorgenommenen Ausgrabungen
vielfach nur erft vorläufige Berichte vorliegen
(fo über die befonders wichtigen Ausgrabungen auf dem
Teil Dfchezer und dem Teil el-Mutefellim), die über die
Details noch keine genügende Auskunft geben und, weil
fie die Einzelfunde noch nicht in geordnetem Zufammenhang
behandeln, fondern in der Reihenfolge, wie fie aufgedeckt
find, vieles noch nicht in die rechte Beleuchtung
rücken können. Vincents Buch ift ein getreues Spiegelbild
diefer Lage; es ift durch ein Ringen mit den vielfach
noch lückenhaften und wenig geklärten Maffen
charakterisiert.

Man mag die Frage aufwerfen, ob denn der Verfuch
einer zufammenfaffenden Behandlung der Ergebniffe der
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gehabt hat, fchon jetzt mit feiner Arbeit hervorzutreten.
Bis eine genügende Zahl von Hauptberichten über die
Ausgrabungen vorliegt, wird noch eine Reihe von Jahren
vergehen, und auch dann werden nur wenige in der Lage
fein, fie alle durchzuarbeiten. Da wird ihnen Vincents
Buch eine willkommene Orientierung bieten, die fie zugleich
in den Stand fetzt, einen einzelnen Bericht beffer
zu verliehen und zu würdigen.

Vincent gibt zunächft (S. 1—22) einen hiftorifchen
Überblick über die Ausgrabungen und begründet die
Unterfcheidung und Bezeichnung der verfchiedenen Kulturfchichten
. In Kap. I (S. 23—89) behandelt er die
kanaanitifchen Städte, fpeziell die Bauweife und die
Feftungsanlagen, in Kap. II (S. 90—151) die Kultflätten,
befonders eingehend die von Gezer, mit denen er die
der andern Städte vergleicht, in Kap. III (S. 152—204)
die Idole (befonders Aftartebilder), Kultusobjekte und
Kultushandlungen (befonders die Menfchenopfer, fpeziell
Erftgeburtsopfer und Bauopfer), in Kap. IV (S. 205-^296)
die Anlage der Gräber und die Behandlung der Toten
(Verforgung der Toten mit Speifen, Waffen, Hausgerät,

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