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Ausgabe:

1907 Nr. 19

Spalte:

534-535

Autor/Hrsg.:

Ißleib, S.

Titel/Untertitel:

Moritz von Sachsen als evangelischer Fürst. 1541 - 1553 1907

Rezensent:

Köhler, Walther

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S33

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 19.

534

von Otto Clemen bringen,1) der Unterzeichnete hat fich [ feiner übergroßen Barmherzigkeit prädeftiniert Gott die
zur Herausgabe Alveldfcher Schriften verpflichtet. So 1 einen ohne, die anderen mit Grund. Diefer Grund ift
werden hier Proteftanten und Katholiken Schulter zwar nicht derart, daß Gott dadurch gezwungen wird,
an Schulter Reformationsgefchichte arbeiten jemanden für den Himmel zu beftimmen, aber er läßt
— gewiß ein beachtenswertes aber hocherfreuliches doch die Prädeftination als angemeffen (vgl. S. 119,
Zeichen wiffenfchaftlicher konfeffioneller Annäherung! Anm. 2: congruum et deccns) erfcheinen' (S. 116). Ein-
Wiederum ein Beweis, daß Denifles Luther den Abfchluß gehend wird auch hier die Stellung Eicks zur Tradition
einer Vergangenheit bedeutete. Ift es zu kühn, wenn gekennzeichnet. Das in die Prädeftinationsfrage fchon
wir hoffend fagen: Das Alte ift vergangen, flehe, es ift deutlich hineinfpielende Moment vom Verhältnis der
Alles neu geworden!? I göttlichen Gnade zur menfchlichen Freiheit wird in

Das erfte Heft verfpricht jedenfalls das Befte. Auch einem befonderen Abfchnitt noch eingehend erörtert,
nicht ein Ton von verletzender Schärfe findet fleh, das t Eick lehrt ein Zufammenwirken beider Faktoren, derart,
Ganze gleitet streng sachlich objektiv dahin. Greving daß jeder von beiden als Teilurfache für fleh wirkt und
bietet eine Vorftudfe zu einer von ihm geplanten Bio- ! beftehen bleibt, und doch beide eine einzige Gefamt-
graphie Ecks, er unterfucht den 1514 erfchienenen Cliry- urjache der betreffenden Handlung bilden. Der Menfch
sopassus praedestinationis nach allen Seiten hin. Das j ift ohne Gottes Zutun nicht fähig, etwas zu tun, und
fcheint ja auf den erften Blick faft zu detailliert, aber 1 doch ift Gott nur causa universalis, nicht causa totalis,
das Bedenken fchwindet fofort bei der Lektüre, die bis j denn das liberum arbitrium wirkt mit. Ein Verdienft-
zur letzten Seite feffelt. Nachdem Gr. den chrysopassns , Charakter kommt den guten Werken nur infolge einer
(der Name ift eine Verdrehung aus dem Apok. 21 20 göttlichen aeeeptatio zu; da jedoch der Wille mittätig ift,

genannten Chryfopras) eingehend bibliographifch be-
fchrieben hat, auch feine Entftehungsgefchichte charak-

formulierte Eck in der Leipziger Disputation treffend:

deum effective producere totum opus meritorium, sed non

teriflerte, folgt ein ausgezeichneter, fehr intereffanter totaliter. Man begreift von hier aus Ecks fcharfes
Abfchnitt über die Quellen. Großartig, zur Verblüffung Verdikt des Pelagianismus, auch, daß er den Ausdruck

des Gegners, zur Schmeichelung der eigenen Eitelkeit
läßt Eck eine ganze Reihe aufmarfchieren; er hat aber
keineswegs alles aus erfter Hand gefchöpft, fondern,
namentlich bei den Scholaftikern, ftarke Anleihen gemacht
. Berührt er fleh fchon darin mit Luther, fo ift im

meritum de condigno ,unpaffend' finden kann. Allerdings,
der Menfch hat die E'ähigkeit des facere quod in se est,
d. h. den Sündenriegel fortzufchieben.

Wie man fleht, fchwankt Eck an den entfeheidenden
Punkten zwifchen Gnade und menfehlicher Willenseinzelnen
die Ähnlichkeit der Quellenkenntnis der beiden freiheit beftändig hin und her. Aber das ift, wie uns
theologifchen Gegner oft geradezu frappant. Es hat j Hermelink ja neu gezeigt hat, Charakteriftikum der
offenbar einen gewiffen Durchfchnittsfonds j Scholaftik am Ende des Mittelalters. Ganz ficher wirken
kirchengefchichtlicher Kenntnis gegeben, an bei Eck Tübinger Anregungen nach. Schade, daß Gr.
dem Eck und Luther fo ziemlich in gleicher Weife par- Hermelinks Buch nicht mehr benutzen konnte! So
tizipieren. Beide kennen die Lateiner beffer als die , manches in Eicks Theologie erhält von da aus Beleuch-
Griechen, beide aber diefelben Griechen und fo ziemlich tung. Jedenfalls aber zeigt sich auch angefichts der
auch diefelben Lateiner, nur kennt Eck mehr Scholaftiker. 1 Eckfchen Theologie wieder die Einfeitigkeit des Luther-
Und ift es nicht eine Parallele zu Luthers Auffindung : fchen Urteils über die Scholaftik. Er hat ihre Gnadender
,Theologia deutfeh', wenn wir hören (S. 40), daß | lehre, trotzdem (ie (f. Elermelink) fehr bedeutfam für ihn
Eck bei Durchftöberung der Bibliothek des Memminger | gewefen ift, ganz und gar nicht gewürdigt, fle wohl kaum
Predigers Dr. Jodokus eine theologifche Schrift des I erwähnt. Man wird auch Eck gegenüber die Scholaftik
Konrad von Ebrach fand? Und hat man nicht eine milder und fympathifcher beurteilen müffen. Eine totale
Deniflefche ,Fälfchung' vor fich, wenn Eck den Petrus Ausfcheidung der menfchlichen Willenstätigkeit im Heils-
v. Nogent ftets Paulus nennt? Wenn Gr. uns diefen prozeß, wie Luther fle poftuliert, kann nicht befriedigen,
Vergleich mit Luther nicht bietet, fo verdient doch be- , der Wille hat ein Recht, fich als Faktor zu wiffen. Die
fondere Heraushebung die Eruierung der Zitate Ecks j obige Formulierung Ecks (abgelehen vom Verdienft-
aus den einzelnen Schriftftellern; wer einmal damit zu ; begriff) ift nicht übel. Geradezu modern aber mutet
tun gehabt hat, weiß, welche Arbeit das ift. Intereffant an die Beantwortung der Frage, warum Gott den Menfchen
ift das abfprechende Urteil Ecks (S. 61) über Laurentius I nicht ihr Schickfal vorherfagt: weil dann alle Ordnung
Valla; es fcheint in Humaniftenkreifen allgemein gewefen j in der menfchlichen Gefellfchaft aufgelöft werden würde

zu fein (vgl. Erasmus' Briefwechfel ed. Allen, S. 114 u. ö.)
Zufammenfaffend beftimmt Gr. Ecks Arbeitsweife als
,die eines jungen Gelehrten, der von feiner eigenen
Tüchtigkeit überzeugt ift, aber doch den älteren Fach-

(S. 135). Oder auch die Theodizce: ,aus Rücklicht darauf,
daß manche Seelen verloren gehen werden, durfte deren
Erfchaffung nicht unterbleiben; denn damit wäre auch
all das Gute verhindert worden, das auch infolge des

genoffen g'egenüber den fchuldigen Refpekt nicht ver- Treibens der Böfen gefchieht' (S. 140)
letzen will' '''(S. 66). .Der Geift, in dem Eck feinen Damit zeigt die Studie an ihrem Teile, wie viel Ge-

Chrysopassus herausgab, ift alfo kurz dahin zu charak- | meinfames denn doch zwifchen den beiden Konfefflonen
terifieren: er war eine Verbindung von Selbftbewußtfein I noch vorhanden ift; fle erfüllt damit auf hiftorifchem
und Befcheidenheit' (S. 69). Wenn Gr. S. 80 Eck das i Wege den höchften und edelften Zweck des ganzen,
Mckius' am Rande als Zeichen des Selbftbewußtfeins neuen Unternehmens.

aufmutzen möchte, fo wäre zu fragen, ob derartige Rand- Gießen. Köhler
gloffen nicht auf Rechnung des Setzers kommen? Seiner
theologifchen Richtung nach fleht Eck den moderni

nahe. Das führt zum zweiten, dogmengefchichtlichcn Ißleib, Prof. Dr. S., Moritz von Sachfen als evangelifcher
Teil hinüber. Irn Zentrum des Chrysopassns fteht die Fürst. 1541 —1553. (Sonderdruck aus Beiträge zur
Lehre von der Vorherbcftimmung. In Ubereinftimmung ; fächflfehen Kirchengefchichte. 20. Heft) Leinzi-
m>t Scotus betrachtet Eck die Prädeft.nat.on und Repro- ftiV'SI m-S'1 m '

bation vornehmlich als Akte des göttlichen Willens und | h J3artn J907- (213 5.J gr. 8 M. 3.50

nur nebenbei als folche des göttlichen Erkennens. Inder. Seine zahlreichen, verdienftlichen Studien zur Gerrage
nach dem Verhältnis von Prädeftination zu menfch- fchichte Moritzens von Sachfen bringt Ißleib in vor-
bcher Tätigkeit fchlägt Eck einen Mittelweg ein: ,in : liegender Abhandlung zu einem gewiffen Abfchluß Er

bringt eine Gefamtdarftellung der kirchenpolitifchen
i) Ift iiuwifchen erfchienen. I Wirkfamkeit des großen Fürften, die bei der engen Ver-