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Ausgabe:

1907

Spalte:

521-524

Autor/Hrsg.:

Haupt, Paul (Ed.)

Titel/Untertitel:

The Sacred Books of the Old Testament. Part 9 1907

Rezensent:

Budde, Karl

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Seite 1, Seite 2

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Herauso-eo-eben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.
Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark

Nr. 19.

14. September 1907.

32. Jahrgang.

The Sacred Books of the Old Testament, P. 9.
The Books of Kings, critical edition with
notes by Stade, assisted by Schwally
(Budde).

Prockfch, Das nordhebräifche Sagenbuch. Die
Elohimquelle (Nowack).

Schaeder, Das Evangelium Jefu und das Evangelium
von Jefus (Lobnein).

Wretfchko, Der Traktat des Laurentius de
Somercote über die Vornahme von Bifchofs-
wahlen, 1254 (Krammer).

Greving, Johann Eck als junger Gelehrter
(Köhler).

Ißleib, Moritz von Sachfen als evangelifcher
Fürft (Köhler).

Houtin, La crise du clerge' (Lobäein).

Dorner, Die Entftehung der chriftlichen Glaubenslehren
(Lobftein).
Havekoß, Gewiffensfriede (Niebergall).

The Sacred Books of the Old Testament. A critical edition
of the Hebrew text, printed in colors, with notes,
prepared by eminent Biblical fcholars of Europe and
America under the editorial direction of Prof. Paul
Haupt. Part9. TheBooks ofKings. Critical editition
of the Hebrew Text, printed in Colors, exhibiting the
composite structure of the books. With notes by
Prof. Dr. D. Bernhard Stade, assisted by Prof. Dr.
Friedrich Schwally. English translation of the
notes by Dr. R. E. Brünnow and Paul Haupt.
Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1904. (309 p.)
Lex. 8° M. 18—, geb. M. 19.50

Es ift eine tragifche Fügung, daß die letzte Mitteilung
, die Bernhard Stades Hand dem Druck übergeben
konnte (ZATW XXVI, 1906, S. 306), den Titel
führt ,Ein tolles Verfehen', daß er in ihr fein fchrift-
ftellerifches Wirken mit einer rückfichtslofen Selbft-
anklage hat abfchließen muffen. Aber es wäre fchwer,
für den zu früh von uns Gefchiedenen ein ehrenderes
Zeugnis beizubringen, als diefe kurze, herbe Notiz, und
zugleich fällt damit ein glänzendes Licht auf das Werk,
mit deffen Anzeige der Unterzeichnete fchon gar zu
lange im Rückftand geblieben ift: feine kritifche Ausgabe
des Textes der Bücher der Könige. Denn auf eine
feiner Anmerkungen zu II. Kön. 23,4 bezieht fich jene
Mitteilung. Ein augenblickliches Verlagen des fchon erkrankten
Auges ließ ihn dort in Lagardes Luciantext
der LXX iuXOQtÖftm ftatt i(lJtVQtO[l<p lefen; aber fchwerer
klagt er fich felbft' an, daß er das Verlefene nicht fofort
aus freier Hand verbeffert und die gewiefenen Schlüffe
daraus gezogen habe, ftatt fich als ratlos zu bekennen.
Wenn eine winzige Kleinigkeit unter unzähligen Lefungen
und Entfcheidungen ihn fo bekümmerte, ihm fo ganz
unbegreiflich und unverzeihlich erfchien: wie ernft muß
er feine Aufgabe gefaßt, wie hoch fein Ziel fich gefleckt
haben! In der Tat handelt es fich um ein Werk
eifernen Fleißes und höchfter Gewiffenhaftigkeit. In der
Defchichte des Unternehmens, deffen Teil es bildet, war
es begründet, daß beinahe jeder folgende Band, je nach
der Zeit feines Erfcheinens, ein höheres Ziel erftrebte.
Uber Stade wird diefe Entwicklung fchwerlich hinauskommen
: 250 Seiten textkritifcher Anmerkungen zu
einem Text, der mit den Fußnoten nur 59 Seiten umfaßt
, das ift gewiß eine fo ausgiebige Erörterung der in
Betracht kommenden Fragen, wie fie irgend erwartet
werden kann.

Der gewiefene Bearbeiter der Königsbücher war
otade nach der Seite des Inhalts durch fein großes
^efchichtswerk, nach der des Wortlauts durch feine
grundlegende Arbeit ,Der Text des Berichtes über
Salomes Bauten' vom Jahre 1883, wie er denn für jede
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textkritifche Aufgabe durch feine umfaffenden gramma-
tifchen und lexikalifchen Arbeiten in ungewöhnlichem
Maße ausgerüftet war. Was in dem vorliegenden Bande
den Schwerpunkt bildet und den weiteften Raum einnimmt
, das ift das Verhältnis des hebräifchen Textes zu
den Verfionen, von allen, wie fichs gebührt, in erfter
Linie zur LXX, Daß fie nicht etwa nur da herangezogen
find, wo der hebräifche Text von fich aus einer
Verbefferung bedürftig erfcheint, verfteht fich ja heute
von felbft. Aber Stade bleibt auch nicht dabei ftehn,
dem Lefer aus den Verfionen darzubieten, was fich nach
feinem Urteil für die Feftftellung des Textes als wertvoll
oder doch erwägenswert bewährt hat. Vielmehr ihr
Verhältnis zum hebräifchen Text, ihr Verhältnis zu
einander und nicht zum wenigften auch die Varianten
der einzelnen Verfionen und ihre Entftehung, das alles
wird der eingehendften Erörterung unterzogen. Es wird
alfo nicht nur die Ermittlung des Urtextes erftrebt, fondern
auch die Gefchichte des Textes als folche aufgewickelt
.

Stade liebte es, befonders im Gefpräch und im Brief-
wechfel, fich mit ftarker Betonung einen konfervativen
Mann zu nennen. Das gefchah zwar nicht ganz ohne
den leichten Anflug eines Lächelns; aber weit überwiegend
war es durchaus ernft gemeint. Eine ftarke,
fcharf ausgeprägte Perfönlichkeit mit entfchieden konfervativen
Neigungen, das ift in der Tat die zutreffendfte
Formel für Stades Eigenart. Vielleicht läßt sich diefe
konfervative Ader in feinem Schaffen nirgends fonft fo
deutlich nachweifen wie in diefem Werke. Faft ver-
fchwindend feiten begegnen uns in dem Text die kleinen
runden Klammern (), die eine Textänderung nach Vermutung
andeuten, viele Seiten bringen fie nicht ein
einziges Mal, und wo fie fich finden, handelt es fich
häufig um winzige Kleinigkeiten oder um ganz felbft-
verftändliche Dinge. Die freien Verbefferungsvorfchläge
der Vorgänger werden faft durch die Bank abgelehnt,
mit allen denkbaren Schattierungen der Begründung, von
einem .nicht notwendig' bis zum .unmöglich'. Insbefondere
geht Stade geradezu darauf aus, die fprachlichen Möglichkeiten
des Hebräifchen zu erweitern, Ungewöhnliches
zu begreifen, ftatt es von einem engeren Sprachgefühl
aus durch das Gewöhnliche zu erfetzen. Verhältnismäßig
häufig dagegen kommen die kleinen Fragezeichen vor,
durch die Zweifel an der Lesart angedeutet werden. Die
Anmerkungen bringen ausführliche Erläuterungen dazu
aus denen hervorgeht, wie vollkommen Stade fich der
Schwierigkeit bewußt war, wie fchwer es ihm aber
wurde, fich zu einer beftimmten Textänderung zu ent-
fchließen oder zwifchen verfchiedenen Möglichkeiten die
Entfcheidung zu treffen. Bei weitem die meiften feiner
textkritifchen Entfcheidungen und Anmerkungen beruhen
natürlich auf den Verfionen. Wer fich mit einem Blick

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